Auch 22 Monate nach dem Ausbruch von Covid-19 ist kein Ende der Pandemie in Sicht, die weiterhin Millionen Menschenleben fordert.
Das Zentrum der Pandemie liegt erneut in den Vereinigten Staaten, wo die offizielle Zahl der Todesopfer in dieser Woche 700.000 überstieg. Laut einer Studie, die diese Woche in den Annals of Internal Medicine veröffentlicht wurde, sind in den USA mehr als 9,1 Millionen Lebensjahre durch Covid-19 verloren gegangen.
Am Montag starben 935 Menschen, am Dienstag 2.152, am Mittwoch 2.228 und am Donnerstag 1.944. In nur vier Tagen verloren 7.000 Menschen ihr Leben. Allein im letzten Monat sind 51.000 Menschen in überfüllten Krankenhäusern, Heimen und Pflegeeinrichtungen verstorben.
Am 4. Juli verkündete US-Präsident Joe Biden die „Unabhängigkeit“ von der Pandemie: „Wir können unser Leben leben, unsere Kinder können wieder zur Schule gehen, unsere Wirtschaft brummt wieder.“ Biden riet davon ab, Masken zu tragen, und forderte die Geimpften auf, keinen Abstand mehr zu halten, da die Pandemie so gut wie vorbei sei. Seitdem sind mehr als 80.000 Amerikaner an Corona gestorben.
Selbst wenn man von einem optimistischen Szenario ausgeht, so wie das „COVID-19 Szenario Modeling Hub“, das einen starken Rückgang der Fälle voraussieht, wird die Zahl der Todesopfer bis zum Frühjahr auf über 800.000 ansteigen.
Aber bei der derzeitigen Todesrate von durchschnittlich 1.726 Menschen pro Tag werden in den nächsten sechs Monaten mehr als 300.000 Menschen sterben, was die offizielle Zahl der Todesopfer in den USA auf weit über eine Million erhöhen würde.
Unter den Toten sind 480 Kinder, darunter 20 allein in der letzten Woche. Laut einer im Juli veröffentlichten Studie haben mehr als 100.000 Kinder eine Bezugsperson durch die Pandemie verloren.
Im ganzen Land, von Wisconsin bis Kalifornien, sind die Intensivstationen überfüllt. Die Krankenhäuser geben Notfallprotokolle für Krankenschwestern und Ärzte aus, die aufgrund des Mangels an Beatmungsgeräten und anderer lebensrettender Ausrüstung die schreckliche Entscheidung treffen müssen, wer leben und wer sterben wird.
Eine von drei infizierten Personen erkrankt an „Long Covid“, d.h. die Symptome halten länger als zwei Wochen an. Für Hunderttausende bedeutet das eine dauerhafte Belastung durch chronische Müdigkeit, Schmerzen und langfristige kognitive Beeinträchtigungen, auch bei einer ganzen Generation von Kindern.
Doch obwohl jeden Tag über 2 000 Menschen sterben – mehr als in jedem Krieg, den die USA je geführt haben –, erklärt die US-Regierung die Pandemie für so gut wie beendet. „Während wir diese Pandemie beenden, müssen wir uns auf die nächste vorbereiten“, twitterte die US-Vizepräsidentin Kamala Harris am Donnerstag.
Es ist verrückt, vom „Ende“ der Corona-Pandemie zu sprechen, während Tag für Tag zweitausend Menschen sterben. Aber in der verdrehten Logik der amerikanischen herrschenden Klasse bedeutet das „Ende“ der Pandemie einfach, sie zu ignorieren. Das Ausmaß des Sterbens, das sich in den Vereinigten Staaten abspielt, soll als „neue Normalität“ gelten.
Was hier passiert, ist eine erschreckende Normalisierung des Todes.
In dem reichsten und mächtigsten kapitalistischen Land der Welt sind fast eine Million Menschen an einer vermeidbaren Krankheit gestorben. Diese Todesfälle sind das Ergebnis von Lügen und Vertuschung durch die Trump-Regierung und den Kongress, die die Bevölkerung getäuscht und entwaffnet haben, als sich das Virus im Januar und Februar im ganzen Land ausbreitete.
Am 14. Mai 2020 fand im Unterausschuss für Gesundheit des Energie- und Handelsausschusses des Repräsentantenhauses eine Anhörung über die „Wissenschaftliche Integrität bei der Reaktion auf Covid-19“ statt, bei der der Whistleblower Rick Bright die Reaktion der Trump-Regierung auf die Pandemie verurteilte. Bright erklärte, dass „Beamte des öffentlichen Gesundheitswesens Anfang Januar 2020 über die aufkommende Bedrohung durch Covid-19 informiert waren“. Aber die US-Regierung war „darauf bedacht, diese katastrophale Gefahr herunterzuspielen“.
Es sollte die erste, letzte und einzige Anhörung dieser Art sein. Der Kongress lud zwar weiterhin Vertreter des öffentlichen Gesundheitswesens zu Zeugenaussagen vor, aber nur im Rahmen der beschleunigten Wiedereröffnung von Schulen und Unternehmen. Brights Anschuldigungen, dass eine systematische Vertuschung stattfand, an der sowohl die Demokraten als auch die Republikaner beteiligt waren und die den Umgang der Vereinigten Staaten mit der Pandemie geschwächt hat, wurden nie untersucht.
Auch die Biden-Regierung hat die Reaktion auf die Pandemie nicht überprüfen lassen, obwohl sie an die verbreitete Wut in der amerikanischen Bevölkerung über die katastrophale Corona-Politik der Trump-Regierung appellierte.
Trotz des Ausmaßes der Katastrophe war die Pandemie nie Gegenstand einer ernsthaften öffentlichen Untersuchung, auch nicht, als eindeutige Beweise für Fehlverhalten bekannt wurden, wie z. B. der Verkauf von Aktien durch Kongressmitglieder, die über die Pandemie informiert waren. Nach diesen Enthüllungen musste der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Senat, Richard Burr, zurücktreten.
Dass niemand für die katastrophale Corona-Politik zur Rechenschaft gezogen wird, ist Absicht. Aus der Perspektive der herrschenden Klasse waren ihre Entscheidungen, die dramatische Todeszahlen zur Folge hatten, keine Fehler. Es wurden weder Untersuchungen durchgeführt noch Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen, weil die gesamte herrschende Klasse und das kapitalistische System hinter dieser Politik stehen.
Wenn man jemanden die Schuld geben will, dann nur mit einem Mythos, der nicht die Regierenden der USA trifft. Deshalb verbreiten sie die Lüge vom Ursprung des Virus in einem Labor in Wuhan und schieben China die Schuld an der Pandemie zu.
Die Vertuschung durch die US-Regierung war Teil der Politik der „Herdenimmunität“, die sie bis heute fortgesetzt wird. Paul Elias Alexander, ein Vertreter der Trump-Regierung, hatte im Sommer 2020 geschrieben: „Säuglinge, Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene, Menschen mittleren Alters ohne Vorerkrankungen usw. unterliegen nahezu keinem Risiko … durch sie können wir eine Herdenimmunität erreichen … wir wollen, dass sie sich infizieren.“
Es war dieselbe Politik, die den britischen Premierminister Boris Johnson im vergangenen Jahr zu der Äußerung veranlasste: „Keine verdammten Lockdowns mehr, sollen sich doch die Leichen zu Tausenden auftürmen!“
Wenn die herrschende Klasse überhaupt eine Strategie im Kampf gegen die Pandemie verfolgt, dann besteht sie darin, die Bevölkerung massenhaft zu infizieren und zu hoffen, dass die Immunität in Verbindung mit den Impfungen neue größere Ausbrüche verhindern wird. Das bedeutet, dass Covid-19 endemisch wird und vielleicht mehrere hunderttausend Menschen pro Jahr tötet.
Dieses „optimistische“ Szenario stützt sich auf den Wunschgedanken, dass keine neue Corona-Variante auftaucht, die wie die Delta-Variante zu einem Anstieg der Infektionen und Todesfälle führt.
Dass die amerikanische Kapitalistenklasse in der Lage ist, das Massensterben zu akzeptieren und zu „normalisieren“, muss als Warnung verstanden werden. Die Reaktion auf die Pandemie widerlegt das Argument, dass ein Atomkrieg undenkbar sei, weil die Gesellschaft nicht bereit sei, den Verlust von Millionen Menschenleben zu akzeptieren. Wenn die amerikanische herrschende Klasse den Tod von einer Million Menschen durch eine vermeidbare Krankheit in Kauf nimmt, wird sie auch den Tod von mehreren zehn Millionen Menschen in einem Atomkrieg zulassen. Wie Bloomberg News letztes Jahr kommentierte:
Ja, die USA haben die Reaktion auf Covid-19 vermasselt. Gleichzeitig zeigt die Erfahrung, dass Amerika als Nation tatsächlich Opfer tolerieren kann, zu viele sogar. Es war lange Zeit eine chinesische Lehrmeinung, dass die Amerikaner „weich“ und nicht bereit sind, ein großes Risiko einzugehen. Wenn Sie ein chinesischer Planer von Kriegsmanövern wären, würden Sie diese Annahme jetzt vielleicht noch einmal überdenken?
Während die gesamte kapitalistische Ordnung hinter der Politik der „Herdenimmunität“ steht, kann die Arbeiterklasse die anhaltende Welle des Massensterbens nicht akzeptieren. Sie muss in den USA und auf der ganzen Welt intervenieren, um der Pandemie ein Ende zu setzen und die notwendigen Gesundheitsmaßnahmen zur Ausrottung des Virus zu fordern und durchzusetzen.