USA schicken 3.000 Soldaten nach Afghanistan, während die Taliban wichtige Städte erobern

Am Donnerstag kündigte das Pentagon die Entsendung von 3.000 US-Marines und Soldaten nach Afghanistan an. Ihr vorgeblicher Auftrag ist es, die diplomatischen US-Einrichtungen in Kabul zu sichern und die Evakuierung amerikanischer Zivilisten zu organisieren. Aus demselben Grund schickt Großbritannien 600 Soldaten. Die Entsendung eines Bataillons der US-Army und von zwei Bataillonen der US-Marines wurde angeordnet, weil die schnelle Offensive der Taliban – und die vollständige Niederlage der von den USA unterstützten afghanischen Sicherheitskräfte – sich wie eine Schlinge immer enger um die afghanische Hauptstadt zusammenzieht.

Taliban in der Innenstadt von Kundus am 9. August 2021 (AP Photo/Abdullah Sahil)

Am Donnerstag beschleunigte sich der Zusammenbruch der Sicherheitskräfte des US-Marionettenregimes in Kabul exponentiell, nachdem Associated Press die Eroberung von Kandahar, der zweitgrößten Stadt im Süden des Landes, durch die Taliban gemeldet hatte. Kurz zuvor hatten Aufständische auch Herat im Westen des Landes eingenommen.

Beide Städte haben etwa 600.000 Einwohner. Kandahar ist die historische Geburtsstätte der Taliban und war ein wichtiges militärisches Zentrum für das Besatzungsregime unter Führung der USA und das afghanische Regime. Herat, das überwiegend von Persern bewohnt wird, ist das strategische Tor zum Iran.

Nach diesen Niederlagen kontrolliert Präsident Ashraf Ghani außerhalb von Kabul nur noch wenige Gebiete. Er hat sich kurzfristig auf eine Reise in den Norden nach Mazar-i-Sharif begeben, eine belagerte Stadt mit 500.000 Einwohnern, um die Streitkräfte der afghanischen Warlords zu mobilisieren, die für einige der schlimmsten Verbrechen in dem blutigen Bürgerkrieg in den 1990er verantwortlich waren.

Im Süden ist Lashkar Gah, die Hauptstadt der Provinz Helmand, nahezu an die Aufständischen übergegangen; die Taliban besetzten am Donnerstag das Polizeipräsidium. US-Kampfflugzeuge flogen Luftangriffe, um den Vormarsch der Taliban aufzuhalten. Dabei wurden Zivilisten getötet oder verwundet.

Die schwerbewaffneten US-Truppen, die nach Afghanistan geschickt werden, sollen Berichten zufolge am internationalen Flughafen von Kabul stationiert werden. Eine weitere Kampfeinheit der Army in Brigadestärke von 3.500 bis 4.000 US-Soldaten wird nach Kuwait verlegt, um einsatzbereit zu sein für eine mögliche schnelle Verlegung nach Afghanistan.

Die amerikanische Botschaft in Kabul ist mit 4.200 Beschäftigten eine der größten der Welt. Der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price, erklärte am Donnerstag, sie werde auf „diplomatische Kernpräsenz“ verkleinert.

US-Präsident Joe Biden hatte ursprünglich angekündigt, dass bis September 2021 alle US-Truppen aus Afghanistan abgezogen würden. Hiermit erfüllen die USA ein Abkommen mit den Taliban, das die Trump-Regierung im Februar 2020 in Doha abgeschlossen hatte. Da die große Mehrheit der US-Truppen und privaten militärischen Unternehmen Afghanistan bereits verlassen hat, wurde der offizielle Abschlusstag des Rückzugs auf den 31. August vorverlegt. Washington erklärte, es wolle nur 650 Soldaten und Marines zurücklassen, die die amerikanische Botschaft und den Flughafen von Kabul bewachen sollen.

Das Pentagon hat das Marionettenregime durch Luftangriffe „am Horizont“ unterstützt, u.a. mit strategischen B-52-Bombern und Drohnenangriffen. Die Folge war ein Anstieg der zivilen Todesopfer und Zerstörungen in Städten, die von den Taliban belagert werden.

Vertreter des US-Militärs und der Geheimdienste erklärten gegenüber der Washington Post, Kabul könnte innerhalb von 30 bis 90 Tagen von den islamistischen Aufständischen erobert werden. Allerdings hatten die gleichen Personen zuvor behauptet, bis zum Herbst würden keine Provinzhauptstädte fallen. Auch ihre jüngste Prognose stammt aus der Zeit vor den überwältigenden Niederlagen des Kabuler Regimes in den letzten 48 Stunden.

Es gibt durchaus Grund zu der Annahme, dass es bei den neuen US-Militäreinsätzen nicht nur um die Evakuierung von US-Personal geht, sondern auch darum, die Eroberung von Kabul durch die Taliban zu verhindern oder zumindest zu verzögern. Die Folge einer vorzeitigen Eroberung Kabuls könnte so ein demütigendes Spektakel werden wie 1975 in Südvietnam, als amerikanisches Botschaftspersonal per Hubschrauber vom Dach der Botschaft in Saigon fliehen musste. Es bleibt abzuwarten, ob die Truppen nur die Vorhut einer weiteren US-Militärintervention in einem Krieg sind, der bereits Hunderttausende afghanische Todesopfer gefordert hat.

Bevor Kandahar und Herat am Donnerstagabend fielen, wurde bereits die strategisch bedeutende Provinzhauptstadt Ghazni erobert, die an der wichtigsten Autobahn zwischen der Hauptstadt Kabul und dem Süden das Landes liegt. Auch die Hauptstadt der nordwestlichen Provinz Badghis, Qala-i-Naw, wurde am Donnerstagabend von den Taliban erobert, sodass sie mittlerweile 12 der 34 Provinzhauptstädte des Landes beherrschen.

In einer Stadt und einem Distrikt nach dem anderen haben sich die afghanischen Sicherheitskräfte entweder kampflos ergeben oder ihre Uniformen abgelegt und sich unter die Bevölkerung gemischt. Am Mittwoch eroberten Taliban-Kämpfer in Kundus kampflos das Hauptquartier der afghanischen Armee, verantwortlich für den Norden des Landes, wobei sie große Mengen an Waffen, Humvees und einen Militärhubschrauber erbeuteten.

Washington versucht verzweifelt, einen Deal mit der islamistischen Bewegung auszuhandeln. Der ständige US-Abgesandte in Afghanistan und ehemalige Vertreter der Interessen des Ölkonzerns Unocal, Zalmay Khalilzad, wurde zu Gesprächen nach Doha entsandt, an denen sich u.a. China, Russland, Pakistan, die Europäische Union, Deutschland, die Vereinten Nationen und die ehemaligen Sowjetrepubliken Usbekistan und Tadschikistan beteiligten.

Ebenfalls anwesend war Abdullah Abdullah, der Vorsitzende des afghanischen Hohen Rates für nationale Versöhnung. Er ist außerdem Konkurrent von Präsident Ghani in den Wahlen, die er und seine Anhänger als manipuliert bezeichneten.

Berichten zufolge wurde den Taliban bei den Gesprächen als Gegenleistung für einen Waffenstillstand angeboten, an der afghanischen Regierung beteiligt zu werden. Der Iran lehnte die Teilnahme an den Verhandlungen ab.

Der pakistanische Premierminister Imran Khan erklärte vor der Presse, ein solcher Deal erfordere die Absetzung des von den USA unterstützten afghanischen Präsidenten Ghani. Khan übte scharfe Kritik an den USA und warf ihnen vor, von Pakistan zu verlangen, „den Scherbenhaufen“ aufzuräumen, den die USA in Afghanistan hinterlassen haben. Er fügte hinzu, seine Regierung verfüge angesichts der Annäherung zwischen den USA und Indien über „Optionen“ hinsichtlich der Beziehungen zu China.

Washingtons Entschlossenheit, eine „politische Lösung“ in Afghanistan auszuhandeln, beruht nicht auf Besorgnis hinsichtlich des Terrorismus oder von Frauenrechten. Vielmehr geht es um die Interessen des US-Imperialismus, um China, Russland und den Iran daran zu hindern, ihren Einfluss in dem Land auszuweiten.

Deshalb werden jetzt wieder US-Truppen in den längsten Krieg der Geschichte Amerikas geschickt.

Loading