Vierzig Jahre seit dem PATCO-Streik: Teil 3

Der Streik

TEIL EINS / TEIL ZWEI

„Wir machen hier den ersten Schritt“, - Norman Hocker, Fluglotse auf LaGuardia, 5. August 1981 gegenüber dem Bulletin.

„Illegal ist nur ein Streik, der scheitert“, - Robert Poli

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Der PATCO-Streik begann am 3. August 1981. Rund 90 Prozent der Fluglotsen in den USA stimmten für den Streik, und etwa 13.000 legten die Arbeit nieder.

Die Reaktion der Reagan-Regierung machte deutlich, dass sie den Plan zur Zerschlagung der Fluglotsengewerkschaft schon lange im Voraus ausheckt hatte. Reagan berief sich sofort auf die nationale Notstandsklausel des arbeiterfeindlichen Taft-Hartley-Gesetzes von 1947. Sämtliche Beschäftigten, die nicht innerhalb von 48 Stunden an ihren Arbeitsplatz zurückkehrten, ließ er sofort entlassen.

Kontingent der PATCO-Streikenden am Labor Day, dem 7. September 1981, in Detroit (WSWS Media)

Reagan wies den Verkehrsminister Drew Lewis an, nicht mit PATCO zu verhandeln. Mit anderen Worten, die Regierung ließ nur ein einziges Ergebnis gelten: die Zerstörung der Gewerkschaft.

Reagan hatte sein Ultimatum, entweder Rückkehr an die Arbeit oder Entlassung, auf den 5. August um 11:00 Uhr Vormittag festgesetzt. Und als es an diesem Mittwochmorgen 11 Uhr schlug, und die Massenentlassungen wirksam wurden, riefen Tausende von Fluglotsen überall im Land an den Gewerkschaftsversammlungen und Streikposten: „Streik! Streik! Streik!“

Hunderte Fluglotsen der Terminals von New York City strömten mit ihren Unterstützern nach Long Island, wo sie sich im Park von East Meadow versammelten. Als die Frist verstrich, reckten sie die Fäuste trotzig in die Luft. Die Streikenden in der Mitte trugen eine große Fahne mit dem Symbol der amerikanischen Revolution: „Don't Tread on Me“ [Tritt nicht auf mich drauf]. Anschließend marschierten die Beschäftigten zur nahe gelegenen TRACON-Anlage (Terminal Radar Approach Control, der Radarüberwachung der landenden Flugzeuge).

In Detroit widersetzten sich 132 der 134 Fluglotsen Reagans Befehl zur Rückkehr an die Arbeit. Der stellvertretende Gewerkschaftsvorsitzende Steve Conaway erklärte einer Menge, die sich in der Nähe des Großflughafens versammelt hatte: „Wir lassen uns von der Regierung und der Flugbehörde nicht einschüchtern. Unsre Anliegen sind berechtigt, und wir werden so lange wie nötig weiterkämpfen.“

Bei Auslaufen des Ultimatums bekräftigten die Fluglotsen in East Meadow (Long Island) ihre Entschlossenheit zum Streik und hielten eine amerikanische Revolutionsfahne hoch (WSWS Media)

In Lorain, Ohio, dem Sitz des Oberlin Air Traffic Control Center, des größten Flugsicherungszentrums der USA, begrüßten mehr als 500 Mitglieder des PATCO-Ortsverbands 203 den Stichtag um 11.00 Uhr mit erhobenen Fäusten und „Streik“-Rufen.

Auch in Minnesota versammelten sich 500 Fluglotsen und Unterstützer zwischen den beiden Terminaltürmen des Twin Cities International Airport.

Die große Mehrheit der Streikenden widersetzte sich Reagans Befehl zur Wiederaufnahme der Arbeit. Die Regierung reagierte mit einer Verschärfung ihrer, wie PATCO-Präsident Robert Poli es nannte, „stark faschistischen Taktik“. Die Regierung erwirkte einen Gerichtsbeschluss, der den Streik für illegal erklärte, die Inhaftierung von Streikführern und die Verhängung von Bußgeldern gegen einfache Arbeiter ermöglichte und die Auszahlung von Gewerkschaftsgeldern an die Streikenden verbot.

Gleichzeitig beantragte die nationale Schiedsstelle (National Labor Relations Board, NLRB), PATCO die Gewerkschaftsfähigkeit zu entziehen. An den Streikposten tauchten FBI-Agenten und Bundespolizisten auf, welche die Streikenden fotografierten und auf andere Weise einzuschüchtern versuchten. Die Ehefrau eines PATCO-Streikenden berichtete, ein FBI-Agent habe ihr gesagt, dass die Bemühungen des Paares, ein Kind zu adoptieren, blockiert würden, wenn ihr Mann nicht zur Arbeit zurückkehrte.

Am dritten Tag ließ der Sprecher des Weißen Hauses, David Gergen, verlauten, dass alle Fluglotsen, die nicht an die Arbeit zurückkehrten, auf eine Schwarze Liste kämen. „Es wird kein Zurück geben, keine zweite Chance“, sagte der Sprecher. Die Bundesbehörde werde sie „für immer von jeder Beschäftigung ausschließen“.

In der imperialen Sprache ihres Umgangs mit dem Ausland bezeichnete die Reagan-Regierung den Streik als „Geiselnahme“: Mit „Terroristen“ werde sie nicht verhandeln.

Vor den Augen der Arbeiter zerriss die amerikanische herrschende Klasse den Gesellschaftsvertrag des Klassenkompromisses. Wie zurzeit der Räuberbarone im 19. Jahrhundert setzte sie die volle Härte des Gesetzes und der Justiz gegen die streikenden Arbeiter ein.

Innerhalb weniger Stunden nach Streikbeginn verhängten 40 Bundesbezirksgerichte einstweilige Verfügungen und Anordnungen gegen den Streik, und mindestens 12 US-Staatsanwälte erwirkten Sanktionen gegen Gewerkschaftsortsverbände und ihre Führer wegen Missachtung des Gesetzes.

Bereits am ersten Tag ließ die Regierung die Streikkasse der Fluglotsen einfrieren. Die verhängten Strafen überstiegen sehr schnell das Vermögen ihrer Organisation, das etwa 4 Millionen Dollar betrug. Der Richter Harold Greene verhängte Geldstrafen in Höhe von einer Million Dollar pro Tag. Am Ende des Streiks hatte PATCO 28,8 Millionen Dollar an gerichtlich verhängten Geldbußen zu bezahlen, was ihr Vermögen bei weitem überstieg.

PATCO-Streikende wurden den Richtern in Ketten vorgeführt. Während des ganzen Streiks verhaftete die Polizei Hunderte PATCO-Streikende und ihre Unterstützer und warf sie ins Gefängnis, und 78 von ihnen mussten sich vor Gericht verantworten. Die Haftstrafen reichten von einigen Tagen bis zu einem Jahr. Andere einigten sich auf einen Vergleich. Bei einigen wenigen wurde die Anklage fallen gelassen, aber die Gerichte sprachen nur eine kleine Anzahl von Personen frei.

Die Anklagen gegen die Beschäftigten stützten sich in der Regel auf den Vorwurf der Teilnahme an einem „illegalen Streik“, obwohl die Fluglotsen ja entlassen worden waren und rechtlich gesehen gar nicht streiken konnten. Diese kafkaeske Situation wurde sogar von den Gerichten anerkannt.

So kam ein Richter namens Greene, ein erbitterter Feind von PATCO, am 11. August zu einer Entscheidung, die im Gegensatz zur Reagan-Regierung stand. Diese hatte gefordert, dass alle Geldbußen sofort zu bezahlen seien, und dass die Gerichte die Streikposten durch einstweilige Verfügungen sofort beenden müssten. Richter Greene kam zum Schluss, dass die Behauptung der Regierung, die Flugsicherheit sei „irreparabel geschädigt“, durch ihre wiederholte öffentliche Behauptung, der Streik habe praktisch keine Auswirkungen, widerlegt worden sei. Er stellte fest, dass sich die PATCO-Mitglieder „bezüglich einer Missachtung des Streikverbots nicht dadurch aus der Schlinge ziehen“ könnten, dass es ihnen durch ihre Entlassung „unmöglich gemacht wurde, die Anordnung einzuhalten“.

Carl Kern war einer von sieben Fluglotsen aus dem Raum Chicago, die Mitte August angeklagt wurden. Wie viele andere, die verhaftet und angeklagt worden waren, war Kern ein entschiedener Anführer des Kampfs. „Ich nehme an, dass man mich und einige andere wegen unserer aktiven Rolle und unserer offenen Befürwortung des Streik ausgewählt hat“, sagte Kern. „Das Gesetz wird sehr selektiv gehandhabt und gegen die aktivsten PATCO-Mitglieder angewandt.“

Beschäftigte der Flugbehörde Federal Aviation Administration (FAA), die sich für die PATCO-Streikenden aussprachen oder gar mit ihnen in Verbindung standen, wurden entlassen. Harry Brown, ein Vorgesetzter in der TRANCON-Flugüberwachung auf Long Island, wurde entlassen, weil er sich öffentlich für die Fluglotsen eingesetzt hatte. Janice Wakefield, eine Fernschreiberin in der Leitstelle von Aurora (Illinois), wurde entlassen, weil sie sich mit Streikenden getroffen hatte. Brian Power-Waters, Pilot bei US Air, wurde suspendiert, weil er Passagieren mitgeteilt hatte, dass ihre Flugverspätung auf unqualifizierte Mitarbeiter im Kontrollturm zurückzuführen sei.

Am Montag, dem 17. August, erklärte Verkehrsminister Lewis, dass der Streik beendet sei. Das Flugverkehrskontrollsystem werde, wie er sagte, mit Streikbrechern und Personen aus dem Management und dem Militär wieder aufgebaut. Die Reagan-Regierung machte nun klar, dass sie sich nicht nur weigern werde, zu verhandeln, sondern auch unter keinen Umständen zulassen werde, dass die streikenden PATCO-Mitarbeiter wieder eingestellt würden.

Die PATCO-Beschäftigten gaben nicht klein bei. Tatsächlich wuchs der Widerstand gegen die repressiven Maßnahmen der Reagan-Regierung im August und September weiter an. Am 23. August fand in Houston eine Kundgebung mit etwa 2.000 Teilnehmern statt. Am 26. August versammelten sich über 1.000 bei einer Kundgebung in den Twin Cities.

Weitaus größer noch war eine Großdemonstration am Labor Day, dem 7. September 1981, in New York City, als über 250.000 Arbeiter auf die Straße gingen. Die 2.000 PATCO-Mitglieder, die an vorderster Front mitmarschierten, wurden mit tosendem Beifall bedacht. Weitere große Demonstrationen zum Labor Day mit PATCO-Mitgliedern an der Spitze fanden im ganzen Land statt, wie zum Beispiel in Detroit, wo mehr als 3.000 Menschen über die Woodward Avenue demonstrierten.

Für den 19. September hatte die AFL-CIO ursprünglich zu einer Demonstration in Washington, D.C., aufgerufen, nicht etwa, um sich gegen die Politik der Reagan-Regierung zu stellen, sondern zur Unterstützung der polnischen Gewerkschaft Solidarnosc gegen das stalinistische Regime in Warschau. Von der CIA unterstützte AFL-CIO-Agenten arbeiteten im Ausland eifrig daran, die polnische Bewegung in eine prokapitalistische Sackgasse zu führen.

Die Anti-Reagan- und Pro-PATCO-Demonstration am 19. September 1981 in Washington DC, genannt Solidarity Day (WSWS Media)

Der Aufruf zu dieser Demonstration und schon ihr Name („Solidarity Day“) boten den Arbeitern jedoch die Möglichkeit, sich Gehör zu verschaffen.

Als klar wurde, dass die bevorstehende Demonstration enorme Ausmaße annehmen würde, bekamen die AFL-CIO-Funktionäre kalte Füße. Die Aussicht auf eine massive Beteiligung „löste im Büro von [AFL-CIO-Präsident Lane] Kirkland schnell mehr Besorgnis als Begeisterung aus“, so ein Historiker [1]. William Wynn, Präsident der United Food and Commercial Workers, brachte die engstirnigen und bankrotten Ziele der Gewerkschaften auf den Punkt. „Wir werden vom Weißen Haus nicht viel bekommen, aber hoffentlich können wir einigen unserer Freunde im Kongress, die ein wenig geschwankt haben, den Rücken stärken“, sagte er.

Mit „unseren Freunden im Kongress“ waren natürlich die Abgeordneten der Demokratischen Partei gemeint.

Die Arbeiter nutzten die Gelegenheit der Demonstration, um einen machtvollen Protest gegen Reagan und seinen Angriff auf PATCO und die Arbeiterklasse auszudrücken. Viele Arbeiter hielten Schilder hoch, auf denen sie die stalinistische Unterdrückung in Polen mit der Verfolgung der PATCO-Arbeiter durch den Staat verglichen.

AFL-CIO-Ortsverbände brachten mindestens 3.000 Busse nach Washington DC. Nahezu alle Gewerkschaften des Landes waren vertreten, ebenso wie Bürgerrechtsgruppen und andere Organisationen, die von Reagans Haushaltskürzungen betroffen waren.

Zu den größten Kontingenten gehörten die UAW mit 30.000 Autoarbeitern, die International Association of Machinists (IAM) mit 20.000 Mitgliedern und die International Brotherhood of Electrical Workers mit 20.000 Mitgliedern. Das Kontingent der American Federation of State, County and Municipal Employees (AFSCME, öffentliche Bedienstete), das ebenfalls auf 30.000 Mitglieder geschätzt wurde, war so groß, dass „es mehr als 40 Minuten dauerte, bis das Kontingent vorbeimarschiert war. Die gesamte Constitution Avenue war ein Meer aus grünen und weißen Bannern, Plakaten, Flaggen und T-Shirts dieser Gewerkschaft“, wie es in einem Bericht des Bulletin heißt. PATCO brachte 6.000 Beschäftigte nach Washington, was etwa der Hälfte der Streikenden entsprach.

Die riesige Demonstration machte deutlich, dass es in der Arbeiterklasse eine breite Unterstützung für die Ausweitung des Kampfs gegen Reagan gab. Die AFL-CIO-Bürokratie weigerte sich jedoch kategorisch, einen solchen Kampf aufzunehmen, und so erlahmte allmählich der Kampfgeist der Arbeiterklasse.

Im nächsten Teil der Serie werden wir die Rolle der AFL-CIO bei der Isolierung und Niederschlagung des PATCO-Streiks näher untersuchen und uns mit der Perspektive der Trotzkisten von der Workers League (Vorläufer der Socialist Equality Party) befassen. Diese trat für die Ausweitung des Kampfs zu einem Generalstreik ein und für einen politischen Kampf der gesamten Arbeiterklasse.

Die PATCO-Beschäftigten setzten ihren Arbeitskampf noch monatelang weiter fort. Sie organisierten ihre Streikposten weiter, die täglich missachtet wurden, indem andere gewerkschaftlich organisierte Beschäftigte der Luftfahrt sie überquerten. Die staatlichen Repressionen konzentrierten sich weiterhin auf die militantesten und engagiertesten Führer, darunter drei Führer der PATCO-Ortsgruppe Dallas-Fort Worth, die im November 1981 wegen Verletzung der Bundesgesetze vor Gericht gestellt wurden.

Im März 1983 wurde vor der US-Berufungskammer des fünften Bezirksgerichts beantragt, Lee Grant, Ron May und Gary Greene wegen des „Verbrechens“ des Streiks gegen die Bundesregierung – die sie in Wirklichkeit entlassen hatte – zu drei Monaten bis zu einem Jahr Haft zu verurteilen. Sie wurden jeweils zu 90 Tagen Gefängnis verurteilt, und wie Schwerverbrecher verloren sie ihre bürgerlichen Freiheiten auf Dauer.

Die „Fort Worth Three“, die PATCO-Führer Ron May, Gary Greene und Lee Grant, vor dem Gerichtsgebäude, in dem sie 1983 zu Haftstrafen verurteilt wurden (WSWS Media)

Die Workers League, und nicht die AFL-CIO, führte die öffentliche Kampagne zu ihrer Verteidigung. Vor allem Ron May nutzte das Bulletin regelmäßig, um die Arbeiterklasse zur Unterstützung von PATCO und ihrer wegen des Streiks verfolgten Mitglieder aufzurufen. Er war nicht der einzige. Das Bulletin sprach mit vielen Dutzenden PATCO-Mitgliedern und brachte regelmäßig ganzseitige Interviews und Beiträge von Streikführern.

Am 22. Oktober 1981 entzog die Bundesbehörde für Arbeitsbeziehungen der Gewerkschaft PATCO die Zulassung zur Vertretung der Fluglotsen. Nun wurde nicht nur der Streik für illegal erklärt und seine Teilnehmer auf eine schwarze Liste gesetzt, sondern auch die Gewerkschaft selbst wurde verboten. Die Entscheidung wurde am 11. Juni 1982 von einem Bundesberufungsgericht bestätigt. Am 2. Juli 1982 löste ein Bundeskonkursgericht PATCO auf. Im Sommer 1983 traten Greene, May und Grant ihre Haftstrafen an.

Fortsetzung folgt

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Anmerkungen:
[1] Buhle, Paul: Taking Care of Business: Samuel Gompers, George Meany, Lane Kirkland, and the Tragedy of American Labor: New York, Monthly Review Press 1999, S. 224.

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