Große Koalition forciert militärische Aufrüstung

Vor der Bundestagswahl am 27. September forciert die Große Koalition die Aufrüstung der Bundeswehr. In seiner letzten Sitzung der Legislaturperiode bewilligte der Haushaltsausschuss des Bundestages Ende Juni die Gelder für 27 Rüstungsprojekte mit einem Gesamtumfang von fast 20 Milliarden Euro.

Zu den bewilligten Projekten gehören umfangreiche Beschaffungen für die Marine, Luftwaffe und die Landstreitkräfte. Laut einem offiziellen Bericht auf der Webseite des Verteidigungsministeriums decken die Investitionen „ein breites Spektrum aus den Dimensionen Land, Luft, See und Cyber ab.“ Einige der umfassendsten Projekte sind:

  • Die Beschaffung von fünf Flugzeugen des Typs P-8A Poseidon. (Finanzvolumen: 1,43 Milliarden Euro)
  • Der Bau und die Lieferung von zwei U-Booten der Klasse 212 Common Design (U212CD). (Finanzvolumen: 2,79 Milliarden Euro)
  • Der Abschluss eines Vertrages über die Herstellung und Lieferung von Lenkflugkörpern Naval Strike Missile Block 1A. (Finanzvolumen 512,2 Millionen Euro)
  • Die Konstruktion und der Bau von drei Flottendienstbooten der Klasse 424 (FDB424). (Finanzvolumen: 2,1 Milliarden Euro)
  • Die Beschaffung von Hauptkampf-und Reflexvisier sowie Laserlichtmodulen für das System Sturmgewehr der Bundeswehr. (Finanzvolumen: 304,05 Millionen Euro)

Fast zwei Milliarden Euro wurden für die Nachrüstung des Schützenpanzers PUMA bewilligt. Ziel ist es, die 150 bereits vorhandenen Pumas technisch so aufzurüsten, dass sie im Rahmen der NATO-Speerspitze (Very High Readiness Joint Task Force, VJTF) als einsatztauglich gelten. Mit anderen Worten: die Panzeraufrüstung richtet sich direkt gegen Russland. Die VJTF wurde im Sommer 2014 im Rahmen der Nato Response Force (NRF) aufgestellt – mit dem erklären Ziel, Truppen noch schneller an die Nato-Ostflanke zu verschieben.

Bundeswehrsoldaten vor einem Panzer vom Typ "Marder" (AP Photo/Jens Meyer)

Die größte Summe – 4,4 Milliarden Euro – wurde bereitgestellt, um die Entwicklung des gigantischen FCAS-Projekts voranzutreiben. „In den kommenden Phasen sollen… die erforderlichen Technologien für ein neues Kampfflugzeugsystem in den Bereichen Flugzeug, Triebwerk, unbemannte Komponenten, Systemverbund, Sensoren, Signaturreduzierung und Simulationsumgebung zur Entwicklungsreife gebracht werden“, schreibt das Verteidigungsministerium.

Das Future Combat Air System (FCAS) ist das größte europäische Rüstungsprojekt. Es handelt sich um ein integriertes Luftkampfsystem, das Drohnen, Kampfflugzeuge, Kontroll- und Kommandoflugzeuge und Satelliten miteinander verbindet. Dazu gehört auch die Entwicklung eines neuen Kampfjets der sechsten Generation. Es soll über Tarnkappentechnik, ein stärkeres Triebwerk und möglicherweise Cyberkriegsfähigkeiten und Energiewaffen verfügen.

Die französische Verteidigungsministerin Florence Parly bezeichnete das Projekt als „eines der wichtigsten Werkzeuge für die Souveränität Europas im 21. Jahrhundert'. Die beteiligten europäischen Nationen – Deutschland, Frankreich und Spanien – versprechen sich durch das Projekt eine hohe Autonomie in Gefechten und eine bessere Koordinierung mit anderen Lufteinheiten und Bodentruppen.

Parallel zum FCAS läuft die Entwicklung eines deutsch-französischen Hauptbodenkampfsystems (MGCS) zur Entwicklung eines Kampfpanzers. Auch dessen zügige Umsetzung wurde vom Haushaltsausschuss eingefordert. So verlangt ein extra verabschiedeter „Maßgabebeschluss“ von der Bundesregierung, „unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen, um perspektivisch eine zeitliche Parallelität der Projekte FCAS und MGCS zu gewährleisten“.

Die Kosten für diese Projekte sind gigantisch. Schätzungen zufolge wird das Gesamtvolumen allein für das Panzersystem bei 100 Milliarden Euro liegen. In Bezug auf das FCAS berichtete das Handelsblatt sogar von Ausgaben „bis zu 500 Milliarden Euro… bis Mitte des Jahrhunderts“.

Vor dem Hintergrund der Coronavirus-Pandemie und ganz aktuell der Flutkatastrophe ist die Finanzierung dieser Projekte ein noch abstoßenderes Verbrechen. Mit der Summe von 600 Milliarden könnte man den gesamten Gesundheitshaushalt für das Jahr 2021 (35,3 Milliarden) für 17 Jahre finanzieren. Und die im Haushaltsausschuss bereits bewilligten 20 Milliarden sind das hundertfache der Hochwasser-Soforthilfe, die das Bundeskabinett den Flutopfern am 21. Juli zugesichert hat.

Wie im vergangenen Jahrhundert dient die gigantische Aufrüstung der Vorbereitung auf Krieg. Nur wenige Tage vor der Verabschiedung der milliardenschweren Rüstungsprojekte im Haushaltsausschuss hielt Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) ihre dritte außenpolitische Grundsatzrede als Verteidigungsministerin. Darin drohte sie den Atommächten Russland und China und verkündete eine weitere Erhöhung des Militärhaushalts.

„Im kommenden Jahr, 2022, werden wir das erste Mal über 50 Milliarden Euro liegen“, verkündete sie. „Für viele Menschen“ sei „das, in ihren eigenen Worten, ‚obszön‘ viel Geld. Doch das ist eine Fehlwahrnehmung, aus mehreren Gründen“, fügte sie zynisch hinzu. „Fast ein Vierteljahrhundert lang“ sei „der Verteidigungshaushalt als Steinbruch im Bundeshaushalt benutzt worden.“ Daran gemessen, sei „der Haushalt eher klein“.

In Wirklichkeit ist der Verteidigungshaushalt der zweitgrößte Posten im Bundeshaushalt und seit 2014 ständig angewachsen. Allein in den letzten vier Jahren hat ihn die Große Koalition unter dem sozialdemokratischen Finanzminister und Kanzlerkandidaten Olaf Scholz um mehr als zehn Milliarden Euro erhöht. Dennoch soll er weiter steigen.

„Angesichts neuer, moderner Bedrohungen“ müsse „massiv in modernste Verteidigung investiert werden“, führte Kramp-Karrenbauer aus. Verteidigung werde „künftig viel teurer sein, weil sie viel anspruchsvoller wird. Von den steigenden Betriebskosten für Personal, Liegenschaften und Gerät ganz zu schweigen.“ Der Haushalt werde „also weiter steigen müssen, wenn wir sicher bleiben wollen. Und wenn die Bundeswehr Zukunftsträger für Deutschland sein soll.“

Diese „Zukunftsträgerschaft“ bedeutet Krieg und Militarismus. Notfalls heiße „Verteidigung“ und „Abschrecken“ auch „Anwendung militärischer Gewalt – kämpfen“, so Kramp-Karrenbauer.

Dabei wähnt sich die Verteidigungsministerin offenbar schon kurz vor dem nächsten deutschen U-Boot-Krieg. Sie berichtete in ihrer Rede, wie sie jüngst „vor Eckernförde mit einem unserer U-Boote auf Tauchgang“ war. Und geriet ins Schwärmen: „Ein hochmodernes, hochkomplexes Waffensystem. Ein Waffensystem, dass abschrecken und notfalls kämpfen kann. Es gibt gute Gründe, warum wir solche Waffensysteme betreiben. Es ist wichtig, so etwas nicht nur zu wissen, sondern auch zu begreifen.“

Sie spreche „deswegen so deutlich, weil es ein Gebot des Anstandes gegenüber unseren Soldatinnen und Soldaten ist, dass wir sie nicht verleugnen, in dem wir schamvoll ihre eigentliche Aufgabe verschleiern.“ Diese „Ehrlichkeit“ müsse sich Deutschland „schon zumuten“. Wer „Freiheit und Frieden“ verteidige, müsse „wissen, dass er dafür einen moralischen Preis zahlen muss“. Und er müsse „bereit sein, diesen Preis zu zahlen“.

Gerade aus dem Munde einer deutschen Verteidigungsministerin sind derartige Statements eine Warnung. Am 22. Juni 1941 begann der mörderische Vernichtungskrieg der Wehrmacht gegen die Sowjetunion, in dessen Verlauf 27 Millionen Sowjetbürger ihr Leben verloren und der industrielle Massenmord von sechs Millionen Juden organisiert wurde. 80 Jahre später verkündet das Auswärtige Amt mehr oder weniger offen, Deutschland müsse erneut bereit sein, Verbrechen zu begehen. Dabei geht es nicht um „Freiheit und Frieden“, sondern um die Durchsetzung der geostrategischen und wirtschaftlichen Interessen mit brutaler militärischer Gewalt.

Die Große Koalition und das Verteidigungsministerium können nur deshalb so aggressiv vorpreschen, weil sie von allen Bundestagsparteien – auch den nominell linken – unterstützt werden. Im Haushaltsausschuss, der bezeichnenderweise von der rechtsextremen AfD geleitet wird, stimmten auch die Vertreter der Grünen für viele der verabschiedeten Rüstungsprojekte. Im Wahlkampf greift die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock Union und SPD in Fragen der militärischen Aufrüstung regelmäßig von rechts an und trommelt für einen aggressiveren Kurs gegen Russland.

Auch die Linkspartei spielt eine Schlüsselrolle bei der Rückkehr des deutschen Militarismus. Während sie öffentlich teilweise Kritik an den massiven Rüstungsvorhaben übt, war sie bereits 2013 mit ihrem früheren außenpolitischen Sprecher Stephan Liebich in die Erstellung des berüchtigten SWP-Papiers „Neue Macht – neue Verantwortung“ eingebunden. Das Dokument bildete die Grundlage für die aggressiven Großmachtreden auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2014 und die anschließende Aufrüstungs- und Kriegsoffensive der Großen Koalition.

Wichtige Meilensteine der Rückkehr Deutschlands zu einer aggressiven Außen- und Großmachtpolitik – wie den rechten Putsch in der Ukraine und die imperialistischen Interventionen in Syrien und im Irak – hat die Linkspartei aktiv unterstützt. Im Wahlkampf trommeln ihre Spitzenkandidaten Dietmar Bartsch und Janine Wissler für ein Bündnis mit den Hartz-IV- und Kriegsparteien SPD und Grüne. Dabei haben sie wiederholt klargestellt, dass sie als Regierungspartei die Nato und Auslandseinsätze der Bundeswehr unterstützen würden.

Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) ist die einzige Partei, die der Rückkehr des deutschen Militarismus den Kampf ansagt und die große Opposition unter Arbeitern und Jugendlichen gegen Faschismus und Krieg mit einem internationalen sozialistischen Programm bewaffnet. In unserem Wahlaufruf fordern wir: „Sofortige Beendigung aller Auslands- und Kriegseinsätze! Auflösung der Nato und der Bundeswehr! Milliarden für Bildung und Arbeit statt Rüstung und Krieg!“

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