Autozulieferer ZF will Werk in Diepholz abstoßen

Der Autozulieferer ZF treibt den im letzten Sommer angekündigten Abbau von 15.000 Arbeitsplätzen unbeirrt voran. Nun fürchten rund 500 Beschäftigte im niedersächsischen Diepholz bei Hannover um ihre Jobs, weil der Bereich „Electronic Interfaces“ samt Werk verkauft werden soll. In einem Schreiben an die Belegschaft droht die Firmenspitze, die Zahl der Arbeitsplätze werde deutlich sinken.

1915 als „Zahnradfabrik“ in Friedrichshafen am Bodensee gegründet, ist ZF heute der weltweit fünftgrößte Autozulieferer und international führend auf dem Gebiet der Antriebs- und Fahrwerkstechnik.

Ende Mai 2020 hatte der Konzern angekündigt, in den kommenden Jahren weltweit bis zu 15.000 Arbeitsplätze abzubauen. Die Einsparungen sollen die mehr als 12 Milliarden Euro hohen Investitionen in die E-Mobilität und das autonome Fahren refinanzieren. Zudem sollen sie die Kredite absichern, mit denen ZF seit Jahren Firmen und Unternehmen aufkauft, die ins anvisierte veränderte Geschäftsfeld passen, wie zuletzt den Lkw-Zulieferer Wabco für 7 Milliarden Euro.

Die Corona-Pandemie dient dabei als Vorwand, um die Angriffe auf Arbeitsplätze und Löhne zu rechtfertigen. Der Konzernumsatz lag im Jahr 2020 mit 32,6 Milliarden Euro nur um 11 Prozent unter dem Vorjahreswert von 36,5 Milliarden Euro. Der Nettoverlust belief sich auf 741 Millionen Euro.

ZF-Chef Scheider war trotzdem nicht unzufrieden. „2020 war ein ambivalentes Jahr. Doch wir haben gemeinsam die Krise gemeistert, den Wandel des Unternehmens weiter vorangebracht und uns substanzielle neue Aufträge in den strategisch wichtigen Feldern der Zukunftstechnologien gesichert“, sagte er bei der Bilanzvorlage vor rund drei Wochen. Bis Ende 2020 habe ZF Aufträge für elektrische Antriebskomponenten in Höhe von 14 Milliarden Euro für die nächsten Jahre gewonnen. Dieser positive Trend habe sich in den ersten Monaten dieses Jahres mit weiteren neuen Aufträgen fortgesetzt.

Die Verluste seien vor allem den Rückstellungen für den Abbau von 15.000 Stellen geschuldet. Insbesondere in Deutschland werden Arbeitsplätze in der Regel über Abfindungen und Sozialplanregelungen vernichtet.

Im letzten Jahr sind so bereits rund 6500 Arbeitsplätze abgebaut worden. Nach der Übernahme des belgisch-amerikanischen Bremsenherstellers Wabco mit 12.000 Arbeitern beschäftigte ZF zum Jahresende 153.500 Menschen in aller Welt.

Dennoch hält der Konzern am angekündigten Arbeitsplatzabbau fest. Nun trifft es Diepholz. Einer von zwei Standorten dort passe nicht mehr zum Konzern und solle verkauft werden, heißt es in dem Schreiben an die Belegschaft.

ZF-Pressesprecher Florian Tausch spricht von einem „marktüblichen Prozess“, den man eingeleitet habe. ZF überprüfe regelmäßig seine Geschäftsfelder und Produktlinien unter dem Aspekt, wie gut sie zur strategischen Ausrichtung des Konzerns passen und ob sie sich innerhalb der Konzernstrategie mittel- und langfristig profitabel und zukunftssicher entwickeln können.

Tausch erklärte, dieser Fokus sei erforderlich, um die Herausforderungen des industriellen Wandels in den nächsten Jahren erfolgreich zu meistern. „Manche Geschäftsfelder können zur Umsetzung dieser Strategie mehr, andere weniger beitragen.“ Für die ZF-Produktlinie „Electronic Interfaces“ habe die Prüfung ergeben, dass der Bereich nicht im strategischen Fokus des Konzerns stehe, so der ZF-Sprecher. Betroffen sind rund 500 Arbeiter des Diepholzer Werks für Schaltsysteme.

Der Standort in Diepholz war vor etwa 25 Jahren gegründet worden. Neben dem jetzt von Verkauf oder gar Schließung bedrohten Werk beschäftigt der Automobilzulieferer in der Kreisstadt noch rund 450 Arbeiter in einem Werk für Fahrwerk-Komponenten. In der Region rund um den Dümmer See sind rund 3600 Menschen bei ZF beschäftigt – in Dielingen, Diepholz, Damme, Wagenfeld und Lemförde.

Der Diepholzer Betriebsrat zeigte sich überrascht. „Das hat uns den Boden unter den Füßen weggezogen“, behauptete Eduard Haab. Der Betriebsrat hatte den Arbeitern im letzten Jahr Lohnverzicht verordnet und behauptet, das würde die Arbeitsplätze sichern.

In Wirklichkeit stecken die IG Metall und ihre Betriebsräte bei der Vernichtung der Arbeitsplätze mit den Unternehmen unter einer Decke. So hat der ZF-Gesamtbetriebsrat unter Vorsitz des Aufsichtsratsmitglieds Achim Dietrich mit dem Unternehmen bereits im Sommer 2020 einen „Tarifvertrag Transformation“ vereinbart, der bis zu 20 Prozent kürzere Arbeitszeiten ohne oder mit nur teilweisem Gehaltsausgleich vorsieht. Dafür sollen „betriebsbedingte Kündigungen“ an den ZF-Standorten in Deutschland bis Ende 2022 ausgeschlossen sein.

Das ist die altbekannte Formel, mit der in Deutschland Arbeitsplätze abgebaut werden. Die Arbeiter werden nicht direkt gekündigt, sondern zu Lohnsenkungen gezwungen und dann so lange unter Druck gesetzt, bis sie den Betrieb mit einer mageren Abfindung „freiwillig“ verlassen. Die Arbeitsplätze sind dann unwiderruflich weg.

Die Ankündigung des Diepholzer Betriebsrats Haab, sich mit der IG Metall und dem Gesamtbetriebsrat abzustimmen, sollten die Arbeiter deshalb als Drohung verstehen.

Bereits zu Beginn der Corona-Pandemie hatten die Betriebsräte erst Kurzarbeit und dann Lohnkürzungen zugestimmt, weil Teile von Produktion und Verwaltung heruntergefahren worden waren. Schon kurze Zeit später befürworteten sie die Wiederaufnahme der Produktion, um die anfänglichen Verluste wieder auszugleichen. Während die Arbeiter unter den gefährlichen Bedingungen der Corona-Pandemie in die Werke zurückbeordert wurden, spielten die Betriebsräte die einzelnen Werke gegeneinander aus und setzen eine Abwärtsspirale in Gang, der nun ein Werk nach dem andern zum Opfer fällt.

So soll auch der Entwicklungsstandort Kressbronn am Bodensee in zwei oder drei Jahren geschlossen werden. Die Entwicklerteams will man nach Friedrichshafen verlegen und den Standort Kressbronn verkaufen. Insgesamt gehe es um 250 Beschäftigte. Auch zwei britische Standorte und einer in Frankreich stehen auf der Schließungsliste. Konzernchef Scheider erklärte, dass man Standorte, die nicht rentabel seien, in Frage stelle, sprich: schließt.

Die IG Metall unterstützt den Stellenabbau, auch wenn sie das nicht offen zugibt. Die Gewerkschaft und ihre Betriebsräte arbeiten mit den Konzernvorständen die Pläne aus, mit denen Werksschließungen und Lohnkürzungen durchgesetzt, die Belegschaften gespalten und jeder Widerstand unterdrückt wird. Arbeiter, die ernsthaft ihre Arbeitsplätze, Löhne und Arbeitsbedingungen sowie ihre Gesundheit gegen die Corona-Gefahren in den Betrieben verteidigen wollen, müssen sich unabhängig von der Gewerkschaft und ihren Betriebsräten organisieren.

Um das vorzubereiten und den Kampf europaweit auszudehnen, haben das Netzwerk für sichere Arbeitsplätze und das Netzwerk für sichere Bildung ein gemeinsames Treffen am kommenden Montag um 19:30 Uhr anberaumt. Nehmt daran teil und diskutiert mit uns eine politisch unabhängige, sozialistische Perspektive.

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