US-Präsident Joe Biden hat mit viel Getöse einen Plan zum Wiederaufbau der maroden Infrastruktur des Landes vorgestellt, der jedoch in weiten Teilen aus Rhetorik besteht. Die vorgesehenen Maßnahmen zur Sanierung von Straßen, Brücken, Wasserversorgung, Flughäfen, Schulen, Wohnungen und der sozialen Infrastruktur reichen bei Weitem nicht aus.
Bei einer Rede in einem Ausbildungszentrum der Holzarbeitergewerkschaft in Pittsburgh – einer Stadt, die eher den Zusammenbruch der amerikanischen Industrie als ihre Erneuerung repräsentiert – nannte Biden seinen „American Jobs Plan“ das größte staatliche Investitionsprojekt seit dem Zweiten Weltkrieg. Er verglich ihn mit dem Bau der Interstate-Autobahnen in den 1950er Jahren und dem Wettlauf ins All in den 1960ern.
Biden erklärte mit keinem Wort, wie der amerikanische Kapitalismus nach 40 Jahren Stagnation und Niedergang plötzlich die Mittel zum Wiederaufbau der Infrastruktur hervorzaubern soll, die zuvor so lange dem Verfall preisgegeben wurde, dass z. B. Zehntausende von Brücken akut einsturzgefährdet sind.
Biden verlor auch kein Wort über die Verantwortung der amerikanischen Finanzaristokratie und der Wall-Street-Vampire, die das Land finanziell ausgesaugt und dabei größere Vermögen angehäuft haben als alle früheren herrschenden Eliten in der Weltgeschichte, während das Land um sie herum verfiel. Stattdessen versicherte er: „Ich habe nichts gegen Millionäre und Milliardäre. Ich glaube an den amerikanischen Kapitalismus.“
Wie das Weiße Haus und die Medien unablässig betonen, liegt der Gesamtwert des Infrastrukturpakets bei 2,25 Billionen Dollar. Diese Summe mag zwar nach viel Geld klingen, soll jedoch auf acht bis zehn Jahre verteilt werden und beträgt damit weniger als 300 Milliarden Dollar pro Jahr. Das ist etwa ein Drittel des jährlichen Etats des Pentagon und weniger als ein Viertel der 1,3 Billionen Dollar, um die das Vermögen der amerikanischen Milliardäre während des Pandemiejahres angestiegen ist.
Die vier wichtigsten Ausgabenbereiche sind: 650 Milliarden Dollar für die Verkehrsinfrastruktur (Straßen, Brücken, Autobahnen und Häfen, Subventionen für öffentliche Verkehrsmittel, Amtrak und Güterverkehr), 300 Milliarden Dollar für die Wohninfrastruktur (hauptsächlich für die Sanierung und Modernisierung von zwei Millionen Häusern und den Austausch von Rohren und Wasserleitungen aus Blei), 300 Milliarden für die „Erneuerung der US-Produktion“ (d. h. diverse Subventionen für bevorzugte Industriebranchen) und 400 Milliarden Dollar für Alten- und Behindertenheime.
Die mehr als 650 Milliarden Dollar für den Verkehrsbereich reichen nicht einmal annähernd für die Finanzierungslücke in Höhe von 2,6 Billionen Dollar, die ein Bericht der American Society for Civil Engineers Anfang des Jahres aufgezeigt hat. Sie ist der Grund für den katastrophalen Zustand der Straßen, Brücken, Wassersysteme, Flughäfen und anderer öffentlicher Einrichtungen des Landes.
Um kleinere Beträge handelt es sich bei den 100 Milliarden Dollar für Hochgeschwindigkeits-Breitbandinternet im ganzen Land, den 100 Milliarden Dollar für die Modernisierung und den Bau neuer Schulen und den 100 Milliarden Dollar für die Ausweitung und die Verbesserungen der Stromleitungen und das Stromnetz.
Weitere 180 Milliarden Dollar sind vorgesehen für den Ausbau von Forschung und Entwicklung in Bereichen wie Halbleiter, Batterien und Computertechnologie. Dies ist vor allem auf die Konkurrenz zu China ausgerichtet. Ein Großteil des Gelds für das Verkehrswesen hat einen ähnlichen Zweck. Insgesamt sollen 174 Milliarden Dollar aufgewandt werden, um den Markt für Elektrofahrzeuge zu stärken, u. a. durch den Bau von 500.000 Ladestationen im ganzen Land. Diese Kampagne richtet sich zwar auch gegen Europa und Japan, aber vor allem gegen China.
Bidens Pressesprecherin Jen Psaki betonte am Dienstag vor der Presse, dass sich der gesamte Plan im Grunde gegen China richtet: „Grundsätzlich halten wir eine historische Investition in amerikanische Arbeiter und den Wiederaufbau unserer Infrastruktur im ganzen Land nicht für strittig, wenn es uns hilft, mit China zu konkurrieren.“
Der endgültige Entwurf des Plans wurde von zwei der rechtesten Politiker im Weißen Haus verfasst: dem Direktor des Nationalen Wirtschaftsrats, Brian Deese, einem langjährigen Unterstützer der Wall Street, und der Leiterin des Innenpolitikrats, Susan Rice, zuvor Obamas nationale Sicherheitsberaterin. Rice ist eine erklärte Befürworterin imperialistischer Aggressionen im Nahen Osten und einer Konfrontation mit Russland und China.
Vertreter des Weißen Hauses legten Wert darauf zu betonen, dass – im Gegensatz zu dem Konjunkturpaket im Wert von 1,9 Billionen Dollar, das letzten Monat verabschiedet wurde – beim American Jobs Plan größere Änderungen und Ergänzungen bei den Verhandlungen im Kongress möglich sind. Das bedeutet, dass wahrscheinlich beide Parteien einen Großteil der konventionellen Programme unterstützen – im Wesentlichen Subventionen für Baufirmen und Großkonzerne. Das Geld für Programme wie häusliche Krankenpflege für Senioren dürfte eher zusammengestrichen werden.
Noch wichtiger ist, wie Biden die in dem Plan vorgesehenen Ausgaben gegenfinanzieren will. Die Forderungen von Senatorin Elizabeth Warren und anderen liberalen Demokraten nach einer Steuer auf Vermögen über 50 Millionen Dollar hat er ebenso zurückgewiesen wie den Vorschlag von Senator Bernie Sanders, die Unternehmenssteuern wieder von 21 Prozent auf 35 Prozent anzuheben – der Steuersatz, der vor Trumps Steuersenkung von 2017 galt.
Stattdessen will Biden die Unternehmenssteuern von 21 auf 28 Prozent anheben, sodass den Konzernen die Hälfte von Trumps Steuersenkung erhalten bleibt (und natürlich noch viel mehr, sobald ihre Steuerberater und Anwälte Mittel finden, die neuen Gesetze zu umgehen). Die Medienberater des Weißen Hauses sollten Bidens Wahlkampfparole „Build Back Better“ („Besser wiederaufbauen“) umformulieren in: „Build Back Halfway“ („Halbwegs wiederaufbauen“), um der Realität etwas näher zu kommen.
Vertreter des Weißen Hauses haben eine zweite Runde von Steuererhöhungen für Reiche in Aussicht gestellt, um eine zweite Erhöhung der Ausgaben für „soziale“ Infrastruktur zu finanzieren, u.a. für das Bildungs- und Gesundheitswesen. Laut ersten Ankündigungen soll dieses Paket einen Wert von einer Billion Dollar haben und durch eine Erhöhung der Einkommenssteuer für Haushalte mit einem Jahreseinkommen von mehr als 400.000 Dollar finanziert werden.
Presseberichte über die Strategie der Demokraten deuten darauf hin, dass Biden und Senatsmehrheitsführer Charles Schumer es für unwahrscheinlich halten, dass sie die zehn Stimmen der Republikaner im Senat gewinnen werden, die sie brauchen, um eine Verschleppung des Gesetzgebungsverfahrens (Filibuster) zu verhindern. Das bedeutet, der Infrastrukturplan müsste im Wege des sogenannten Reconciliation-Verfahrens verabschiedet werden. In diesem Fall bräuchte er im Senat nur 50 Stimmen sowie die ausschlaggebende Stimme von Vizepräsidentin Kamala Harris.
Allerdings ist für jedes Haushaltsjahr nur ein einziges Reconciliation-Verfahren erlaubt, da diese Methode ursprünglich für die Verabschiedung des Jahreshaushalts vorgesehen war. Berichten zufolge erwägt der Fraktionsführer der Demokraten im Senat Schumer zwei Möglichkeiten: entweder eine zweite Reconciliation-Abstimmung zur „Ergänzung“ des Haushaltsgesetzes für 2021, das letzten Monat verabschiedet wurde, oder die Nutzung des Etats für das Jahr 2022, das am 1. Oktober beginnt, als Grundlage für das Infrastrukturgesetz.
Die beiden Parteien des Großkapitals werden lange und ausgiebig feilschen und rangeln. Inzwischen haben die Republikaner Bidens Kabinett abgesegnet und alle von ihm für Bundesbehörden vorgeschlagenen Kandidaten bestätigt. Als Gegenleistung haben die Demokraten faktisch jede Untersuchung des Putschversuchs vom 6. Januar beendet, mit dem Trump und seine Anhänger das Kapitol besetzen und die Bestätigung von Bidens Sieg verhindern wollten.