Am Sonntag startete die Sozialistische Gleichheitspartei mit einer starken Auftaktveranstaltung in den Wahlkampf für die Bundestagswahl im September, die hunderte Jugendliche und Arbeiter live verfolgten. Kandidaten der SGP und zahlreiche internationale Gäste zeigten in ihren Beiträgen das Ausmaß der kapitalistischen Krise auf und erklärten die sozialistische Antwort darauf.
In den insgesamt neun Reden wurde deutlich, dass die herrschende Klasse den Arbeitern auf der ganzen Welt den Krieg erklärt hat. Sie opfert hunderttausende Leben für ihre Profite, bereitet sich auf umfassende Kriege vor und greift zur Durchsetzung der Politik auf autoritäre und letztlich faschistische Methoden.
Dieser reaktionären Entwicklung setzten die Sprecher das Programm der sozialistischen Revolution entgegen. Die SGP führe den Wahlkampf, um dem wachsenden Widerstand eine Stimme und eine Perspektive zu geben. Arbeiter müssen sich im Kampf gegen Massenentlassungen, Durchseuchung und Krieg international zusammenschließen und das Internationale Komitee der Vierten Internationale aufbauen, deren deutsche Sektion die SGP ist.
Der SGP-Vorsitzende Ulrich Rippert eröffnete die Online-Veranstaltung. Er erklärte die Bedeutung des Wahlkampfs der SGP in einer Gesellschaft, die sich im Krieg mit sich selbst befindet. „Für Millionen Menschen beginnt jeder Tag mit den Nachrichten über die neuen Zahlen der Infizierten und Toten“, begann Rippert. „Wie im Krieg werden die Toten und Verletzten aufgelistet und die Frage aufgeworfen, ob die Kapazität der Krematorien und die Zahl der Intensivbetten in den Krankenhäusern ausreicht.“
Die Front verlaufe „mitten durch die Gesellschaft“. Auf der einen Seite würden Millionen Arbeiter und Angestellte gezwungen unter unsicheren Bedingungen zu arbeiten, „Selbstständige, Künstler, Kulturschaffende und Kleinunternehmer werden in den Ruin getrieben“. Schulen und Kitas werden geöffnet. Auf der anderen Seite würden den großen Konzernen und Banken, Aktionären, Investmentfonds und Spekulanten gigantische Summen zur Verfügung gestellt. „Die Börsen feiern Rekordgewinne, während sich die Särge türmen und Hunderttausende ihren Job und ihr Einkommen verlieren“, so der SGP-Vorsitzende.
Die Folgen – weltweit über zwei Millionen Tote im ersten Jahr der Pandemie, 800.000 Tote in Europa, 70.000 in Deutschland – seien Opfer einer Politik, die Gesundheit und Leben der Arbeitenden den Profiten der Konzerne und Banken opfert.
In ihren Redebeiträgen erläuterten weitere Bundestagswahlkandidaten detaillierter einzelne Aspekte des Programms der SGP. Marianne Arens sprach zu den tödlichen Folgen der Corona-Politik von Bund und Ländern, Dietmar Gaisenkersting zu den Entwicklungen in den Betrieben und über die Initiative zur Gründung von Aktionskomitees, mit denen sich Arbeiter unabhängig von den Gewerkschaften und ihren Betriebsräten organisieren können. Gregor Kahl ging als Student und Mitglied der International Youth and Students for Social Equality (IYSSE), der Jugend- und Studentenorganisation der Vierten Internationale, auch auf die notwendigen programmatischen Grundlagen des Kampfs gegen Krieg, Faschismus und Umweltzerstörung ein.
Rippert erklärte, dass die SGP als einzige Partei der kriminellen Corona-Politik von Anfang an entgegengetreten sei. SPD, Grüne, Linkspartei und Gewerkschaften seien Kräfte des Sozialabbaus, des Militarismus und der Öffnungspolitik. Um den wachsenden Widerstand dagegen zu orientieren und zu koordinieren, „brauchen Arbeiter ihre eigene Partei“. Diese Partei sei die SGP, betonte Rippert.
Deren Stärke bestehe darin, „dass sie Teil der Weltpartei der Vierten Internationale ist, die das marxistische Programm der sozialistischen Weltrevolution sowohl gegen den Stalinismus als auch gegen die Sozialdemokratie verteidigt hat.“ Der langjährige SGP-Vorsitzende erinnerte in diesem geschichtlichen Zusammenhang auch an den „50. Jahrestag der Gründung unserer Partei“ im kommenden September – zu deren Aufbau Ulrich Rippert als Gründungsmitglied einen wesentlichen Beitrag geleistet hat.
Der Wahlkampf der SGP „ist nicht auf Deutschland beschränkt, sondern wendet sich an Arbeiter in ganz Europa und weltweit“, schloss Rippert. Diese internationale Ausrichtung kam in den anschließenden Redebeiträgen von führenden Mitgliedern des Internationalen Komitees der Vierten Internationale zum Ausdruck.
Die Nationalen Sekretäre der Socialist Equality Party in den USA, Joseph Kishore, und in Großbritannien, Chris Marsden, der Vorsitzender der Party de l‘Égalité Socialiste (PES) in Frankreich Alex Lantier und Ulaş Ateşçi für die Sosyalist Eşitlik Grubu (Sozialistische Gleichheitsgruppe, SEG) aus der Türkei sprachen über die Entwicklungen und Erfahrungen der Arbeiter in ihren Ländern und über die gemeinsamen politischen Aufgaben.
Joe Kishore berichtete aus dem Land mit den meisten Corona-Toten. „Die Pandemie ist natürlichen Ursprungs“, so Kishore, „doch ihre Folgen – in den USA mehr als eine halbe Million Tote – durch die kapitalistische Gesellschaft bestimmt.“ Die herrschende Klasse habe bewusst entschieden, keine Maßnahmen zu ergreifen, um die Pandemie zu stoppen und Leben zu retten, die das Vermögen der Oligarchie geschmälert und die Finanzmärkte bedroht hätten.
Er schilderte, wie sowohl die Republikanische als auch die Demokratische Partei die Interessen der Wallstreet vertreten und benannte die wirklichen Fragen, die hinter dem Putschversuch vom 6. Januar stehen, als ein von Donald Trump aufgehetzter rechtsextremer Mob das Kapitol stürmte. Er zeigte auf, wie die Demokraten darauf reagierten und was die Priorität der Biden-Regierung sei, nämlich nun verstärkt gegen Russland und China vorzugehen. „Damit versuchen sie, den sozialen Unmut innerhalb der USA gegen einen ‚äußeren Feind‘ zu richten.“
Auch Chris Marsden erinnerte daran, dass die Arbeiterklasse in Großbritannien einen furchtbaren Preis für die kriminelle Politik von Boris Johnsons konservativer Regierung zahle. Das Vereinigte Königreich habe mit 126.000 die höchste Zahl an Toten in Europa. Marsden nannte schockierende Zahlen der sozialen Bedingungen von Arbeiterfamilien in Großbritannien und der Verbreitung des Corona-Virus‘ gerade unter Schülern.
In Frankreich, das berichtete Alex Lantier, verweigere Präsident Emmanuel Macron im Gegensatz zur Forderung der überwältigenden Mehrheit der französischen Bevölkerung jeden weiteren Lockdown. Der PES-Vorsitzende berichtete, wie der „Präsident der Reichen“ gegen die wachsende Opposition in der Arbeiterklasse vorgehe und neue rassistische und autoritäre Gesetze vorbereite. Unterstützt werde er dabei von pseudolinken Parteien wie der stalinistischen Kommunistischen Partei oder Jean-Luc Mélenchons La France insoumise („Unbeugsames Frankreich“).
Neben einem Bericht über den Versuch des Erdogan-Regimes, den aktuellen Aufstand in der Türkei autoritär zu unterdrücken, unterstrich Ulaş Ateşçi, dass die Gefahr von Rechts in Deutschland eine große Bedrohung für alle Arbeiter sei. Aber fest stehe: „Die einzige Partei, der Arbeiter mit Migrationshintergrund vertrauen und an der sie sich orientieren können, ist die SGP, die für die Vereinigung der Arbeiter unter einem sozialistischen Programm kämpft.“
Christoph Vandreier, stellvertretender Vorsitzender der SGP und Spitzenkandidat in der Bundestagswahl, fasste die Beiträge zusammen und ging speziell auf diese von mehreren Rednern geäußerte faschistische Gefahr ein. „Hier in Deutschland, im Land der größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte, ist diese besonders weit fortgeschritten“, so Vandreier.
Er schilderte, wie die rechten Netzwerke in Polizei, Armee und Geheimdiensten, „mit der AfD direkt in den Bundestag hineinreichen“, wo die faschistische Partei von Linkspartei bis CDU hofiert und in die parlamentarische Arbeit integriert werde. Vandreier ging auf die extremistischen Seilschaften an den Universitäten ein, die rechtsradikale Professoren wie Jörg Baberowski gegründet haben und die von sämtlichen Parteien und den meisten großen Medien verteidigt und protegiert würden.
Wie schon in den 30er Jahren seien es auch heute die Trotzkisten, die davor warnen, dass die kapitalistische Krise zu Faschismus und Krieg führt. Trotz Unterschieden zu den 30er Jahren, sei die Gefahr der Diktatur sehr real, wenn die Arbeiterklasse nicht als unabhängiger Faktor ins politische Geschehen eingreife. „Ohne eine sozialistische Revolution, ohne den Aufbau der Vierten Internationale ist ein Rückfall in die Barbarei unvermeidlich“, konstatierte Vandreier.
Der Widerstand gegen die Politik des Todes, die soziale Ungleichheit und die Kriegsentwicklung sei enorm, betonte Vandreier. Es komme darauf an, diese Kämpfe mit einer sozialistischen Perspektive international zu vereinen.
Entscheidend sei daher der Aufbau der SGP als neuer revolutionärer Führung in der Arbeiterklasse. „Der EU der Banken und Konzerne, der wachsenden Kriegsgefahr und den imperialen Gelüsten setzen wir die Vereinigung des Kontinents von unten im Kampf für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa entgegen“, schloss Vandreier. Die Veranstaltung endete mit dem eindringlichen Appell, den SGP-Wahlkampf nach Kräften zu unterstützen und für die Wahlzulassung der SGP zu unterschreiben.