Millionen Arbeiter und Angestellte werden jeden Tag gezwungen, in die Betriebe und in die Büros zu gehen, um die Wirtschaft am Laufen zu halten, auf dass die Profite sprudeln. Obwohl die gefährlicheren Mutationen des SARS-CoV-2-Virus‘ sich rasant ausbreiten und ein weiteres Massensterben droht, hält die Wirtschafts- und Finanzelite mit aller Macht an der Öffnung der Betriebe fest.
Seit Wochen stemmen sich die Wirtschaftsverbände, die Große Koalition, die Länderregierungen, und die Gewerkschaften gegen einen Lockdown der Industriebetriebe. Auf keiner Corona-Runde wurde dies auch nur in Erwägung gezogen. Selbst Homeoffice im größeren Umfang wird als unakzeptabler Eingriff ihrer Profitinteressen betrachtet.
Dem entsprechend sickern Nachrichten über Corona-Ausbrüche in Betrieben nur sehr selten an die Öffentlichkeit. Meist ist nur zufällig in einem Regionalblatt etwas zu finden. Bundesweit wird nur darüber berichtet, wenn der Fall nicht mehr zu verheimlichen ist.
Exemplarisch wollen wir hier über einige aktuelle Hotspots berichten. Auch das erst kürzlich neu gegründete „Netzwerk der Aktionskomitees für sichere Arbeitsplätze“ wird diese Berichterstattung fortführen und geeignete Handlungsvorschläge unterbreiten.
- In der Firma Alukon im bayerischen Konradsreuth, in der knapp 500 Beschäftigte Rolladen- und Rolltorsysteme herstellen, habe es Ende Januar mehrere Corona-Fälle gegeben. Zunächst waren 15 Personen positiv getestet worden. Die Produktion wurde am 27. Januar gestoppt, alle Arbeiter des Fertigungsbereiches stehen unter Quarantäne. Sofort durchgeführte Massentests ergaben, dass sich zehn weitere Mitarbeiter mit dem Corona-Virus infiziert haben, acht davon mit einer Mutation. Im Kreis sei die britische Variante des Covid-19-Virus‘ bereits nachgewiesen worden, teilte das Landratsamt in Hof mit. Der Landkreis und die Stadt Hof gelten seit längerem als Hotspot, mit einer momentanen Inzidenz von knapp unter 300. In vielen Betrieben finden seit Wochen Massentests statt, weil die Lage außer Kontrolle geraten ist.
- Am Freitag wurde ein Corona-Ausbruch, ebenfalls mit einer Mutation, auf einer Großbaustelle im Ulmer Industriegebiet Donautal bekannt. Laut der Augsburger Allgemeinen haben am vergangenen Freitag 1000 Massentests begonnen. Da viele der Bauarbeiter in beengten Verhältnissen in unterschiedlichen Sammelunterkünften eingepfercht leben, wird von einer hohen Zahl an infizierten Arbeitern ausgegangen. Ob auf der Baustelle weitergearbeitet wird, oder was das Schicksal der infizierten Bauarbeiter und den restlichen zu schützenden Arbeitern in den Massenunterkünften sein wird, darüber wird nicht berichtet.
- Im Hauptsitz der Walter Solbach Metallbau GmbH (WSM) in Waldbröl (Bergisches Land) wurde aufgrund von 21 laborbestätigten Corona-Fällen in der Belegschaft der Betrieb bis Ende Januar eingestellt, 160 Beschäftigte befanden sich in Quarantäne.
- Ein weiterer größerer Ausbruch, wurde in der Neunkirchener Achsenfabrik (NAF) entdeckt. Medienberichte zufolge haben Reihentestungen bisher 20 Covid-Fälle zu Tage befördert. Der Managementbeauftragte Wagner räumte ein: „Wir hatten in den vergangenen Monaten einzelne Infektionen ... aber eine solche Anhäufung gab es bisher nicht.“ Um wie viele Infizierte es sich genau handelt, wollte Wagner nicht mitteilen, auch nicht in welchen Bereichen diese tätig sind, oder wie viele Beschäftigte sich derzeit in freiwilliger oder angeordneter Quarantäne befinden. Auch die IG-Metall mauert, auf der zuständigen Website für den Landkreis Forchheim findet man keinerlei Meldung. Wie in allen Betrieben wird den Arbeitern nicht nur jede Hilfe, sondern auch jede Information verweigert.
- 44 Beschäftigte von Touratech, dem größten Arbeitgeber im baden-württembergischen Niedereschach, haben sich mit Corona infiziert. Betroffen sei vor allem die Produktion in Halle 1 d. Die Beschäftigten des Unternehmens, das Zubehör für Motorräder herstellt, würden routinemäßig alle 48 Stunden getestet.
- Beim Bremerhavener Fischunternehmen Deutsche See sind Anfang der Woche 26 Arbeiter positiv auf das Corona-Virus getestet worden. Es ist der zweite größere Ausbruch in einer Bremerhavener Firma binnen weniger Tage. Am Montag war bekannt geworden, dass sich 29 Beschäftigte des Tiefkühl-Unternehmens Frosta mit Corona infiziert hatten. Am Wochenende stand die Produktion im Bremerhavener Werk still, inzwischen sei der Betrieb wieder angelaufen.
- In der Produktionsstätte der Bäckerei Kasprowicz im oberbayerischen Pähl haben sich 16 von 50 Beschäftigten mit dem Coronavirus infiziert. Deshalb sind alle 18 Filialen im Landkreis Weilheim-Schongau und den umliegenden Landkreisen für zwei Wochen bis zum 14. Februar geschlossen. Auch Geschäftsführer Julian Kasprowicz gehört inzwischen zu den Infizierten.
Das rücksichtslose und aggressive Verhalten der Unternehmer und Wirtschaftsverbände, bei dem bewusst die Gesundheit und das Leben der Arbeiter aufs Spiel gesetzt wird, ist vom Standpunkt der kapitalistischen Klasse erfolgreich. Das Manager Magazin frohlockte letzte Woche mit der Nachricht: „Corona ein Stück weit die lange Nase zeigen – geht doch: Trotz neuer Beschränkungen infolge der zweiten Corona-Welle ist die deutsche Wirtschaft Ende 2020 überraschend das zweite Quartal in Folge gewachsen.“
Alle Bundestagsparteien von AfD bis Linke sowie der ganze Medienchor haben keinerlei Interesse daran, das Coronageschehen in den Betrieben zu thematisieren. Verlässliche Fallzahlen in den Betrieben, die immens wichtig wären, um die Arbeiter zu schützen und eine Ausbreitung der Pandemie zu verhindern, werden nicht gezielt erhoben, weder bei den Gesundheitsämtern noch beim Robert-Koch-Institut (RKI). Wenn sie doch einmal zufällig offen werden, wird versucht, sie zu verheimlichen.
Denn laut offizieller Lesart finden die Infektionen nicht in den Fabriken, Hallen und Büros statt, sondern im „Privatbereich“. Wenn Ausbrüche in Betrieben stattfinden, sind sie „von außen“ hineingetragen. Das behauptete auch der Hamburger Airbus-Konzern, nachdem 21 Beschäftigte positiv getestet wurden und 500 Beschäftigte in Quarantäne geschickt werden mussten. Jetzt wurde bekannt, dass es sich bei sieben Infektionen um die britische Mutation handelt. Außerdem seien bereits seit Ende 2020 Verstöße von Airbus gegen die Hygienevorschriften moniert worden. Soviel zu den angeblich hohen Sicherheitsregeln, die von den Gewerkschaften allenthalben gepriesen werden.
Das Argument des „Hineintragens“ des Virus‘ in die Fabriken und Betriebe ist vorgeschoben. Die Gesundheitsämter können ab einem Inzidenzwert von über 50 nicht mehr nachvollziehen, wo sich wer infiziert hat. Die Pandemie ist außer Kontrolle. Fakt ist aber, dass die Betriebe, in denen die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen unmöglich einzuhalten sind, ebenso wie Schulen und Kitas, Brutstätten der Virusverbreitung sind.
Nur mit einem Shutdown der Industrie und einem Stopp aller nicht lebensnotwendigen Produktion können die Beschäftigten geschützt und der Pandemieausbreitung Einhalt geboten werden. Warum werden unzählige Leben gefährdet und viele geopfert, nur weil die Unternehmens- und Firmeneigentümer ohne die Produktion von Autos, Motorradkoffern, Rollos keine Gewinne einstreichen können?
Die Abermilliarden der Großkonzerne und ihrer Aktionäre müssen beschlagnahmt werden, um den Beschäftigten den vollen Lohnausgleich zu zahlen, kleinere Firmen müssen unterstützt werden, damit Produktionsanlagen während des Stillstands nicht wegen Geldmangels für alle Zeiten stillgelegt werden.
Für die Arbeiter, die in der Lebensmittelproduktion arbeiten, wie die Arbeiter in den oben genannten Bäckereien, Fisch- und Tiefkühlfabriken, dürfen weder Kosten noch Mühen gescheut werden, damit sie gut geschützt ihrer Arbeit nachgehen können. Sicherheitsvorkehrungen müssen erhöht, Schutzmechanismen gestärkt, Schichtzeiten drastisch verkürzt werden.
Doch die Gewerkschaften, ihre Betriebsräte und Vertrauensleute begegnen der lebensbedrohlichen Situation, denen Arbeiter und ihre Familien derzeit ausgesetzt sind, mit einer Mischung von Gleichgültigkeit, Beschönigung und offener Feindschaft gegen Beschäftigte. Wir immer stehen sie auch in dieser Frage vollständig auf der Seite der Unternehmensleitungen.
Stellvertretend für diese abgehobene Funktionärsschicht der Gewerkschaften sei hier nur der nordrhein-westfälische Bezirksleiter der IG Metall Knut Giesler angeführt. Giesler erklärte kürzlich, gleich zu Beginn der zweiten Runde der Tarifverhandlungen für die rund 700.000 Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie in NRW, Fabriken seien keine Corona-Hotspots. Das hätten Rückmeldungen aus den Betrieben gezeigt. Selbst Homeoffice-Regelungen lehnte er kategorisch ab, sie würden in den Verhandlungen kein Thema sein.
In Wirklichkeit arbeitet die IG Metall in NRW, wie alle anderen Gewerkschaften auch, gerade die Mechanismen aus, mit denen Arbeitsplatzabbau, Lohnsenkungen und eine verschärfte Arbeitshetze in den Betrieben umgesetzt werden können. Die Ausbreitung der Corona-Pandemie kommt ihnen als Argument gerade recht.