Eine knappe Woche nach dem faschistischen Aufstand in Washington D.C. am 6. Januar halten die Drohungen mit rechtsextremer Gewalt in den gesamten Vereinigten Staaten an. Sie konzentrieren sich auf den Inauguration Day, den Tag der Amtseinführung des neuen Präsidenten am 20. Januar.
Ein Zeichen dafür, wie ernst die Bedrohung innerhalb des Staates genommen wird, ist die Entscheidung der Nationalgarde, dass bis zum kommenden Wochenende, im Vorfeld der Amtseinführung, 10.000 bis 15.000 Soldaten in Washington D.C. stationiert werden sollen.
In einem internen FBI-Memo, das ABC News am Montag veröffentlichte, heißt es, dass bewaffnete Proteste in allen Hauptstädten der 50 US-Bundesstaaten geplant werden. Zudem mobilisieren rechtsextreme Gruppen besonders in die Bundeshauptstaat Washington D.C.: „Das FBI erhielt Informationen über eine bekannte bewaffnete Gruppe, die beabsichtigt, am 16. Januar nach Washington, DC zu reisen“, heißt es in dem Memo. „Sie warnen, wenn der Kongress versuche, über den 25. Verfassungszusatz den Präsidenten [Trump] zu entfernen, werde es zu einem gewaltigen Aufstand kommen.“
Ein weiteres FBI-Memo, das Yahoo News vorliegt, nennt konkrete Pläne in Michigan, Minnesota und anderen Staaten für den 17. Januar. In Michigan sollen Mitglieder der rechtsextremen „Boogaloo“-Bewegung darüber diskutiert haben, „eine Benzinvorrichtung mit einem Auslösedraht zu verwenden“, um „ein Ablenkungmanöver zu starten, während andere Personen das Kapitol ‚einnehmen‘.“ Michigan war das Zentrum einer faschistischen Verschwörung zur Entführung und Ermordung der Gouverneurin des Bundesstaates, die im vergangenen Oktober aufgedeckt wurde.
Die Arbeiterklasse, die Jugend und alle fortschrittlichen Kräfte müssen diese Drohungen unbedingt ernst nehmen.
Die Arbeiterklasse muss mit einem Generalstreik auf die Versuche des ultrarechten Mobs reagieren, der von dem politischen Verbrecher Donald Trump und seinen Komplizen von der Republikanischen Partei im Senat und im Kongress aufgehetzt wurde, um das Leben der gewählten Abgeordneten zu bedrohen und Regierungsgebäude sowie andere strategische Orte zu besetzen, sei es in Washington D.C. oder in den Hauptstädten der Bundesstaaten im ganzen Land.
Neben den Gewaltdrohungen für den Tag der Amtseinführung mehren sich die Beweise für hochrangige Unterstützung innerhalb der Republikanischen Partei und in wichtigen Teilen des Militär- und Polizeiapparates für den Aufstand vom 6. Januar. Die Belagerung des US-Kapitols wurde durch den effektiven Stand-Down der Capitol Police und die Verzögerung eines Einsatzes der Nationalgarde auf Anweisung der Trump-Loyalisten im Pentagon erleichtert.
Der demokratische Abgeordnete Jason Crow, Mitglied des Streitkräfteausschusses im US-Repräsentantenhaus, berichtete von einem Telefonat, das er am Sonntag mit US-Armeechef Ryan McCarthy führte. McCarthy informierte Crow, dass „Schusswaffen mit großer Reichweite, Molotow-Cocktails, Sprengstoff und Kabelbinder [nach dem Überfall auf das Kapitol] sichergestellt wurden. Das deutet darauf hin, dass eine größere Katastrophe nur knapp abgewendet wurde.“
Crow äußerte zudem seine „schweren Bedenken angesichts von Berichten, dass aktive Militärangehörige sowie Reservisten in den Aufstand verwickelt waren“. Er betont, dass „Soldaten, die bei der Amtseinführung eingesetzt werden ... nicht mit einheimischen Terroristen sympathisieren dürfen“.
Die Behauptungen verschiedener pseudolinker Strömungen, man solle den Ernst der Ereignisse in Washington nicht übertreiben und es sei falsch, von einem Putsch zu sprechen, sind in ihrer Selbstgefälligkeit äußert gefährlich. Die Zeitschrift Jacobin, die den Democratic Socialists of America nahe steht, argumentiert gegen „Social-Media-Posts und liberale Zeitschriften, [die] die Randale sofort als Putsch bezeichnet haben“.
Die Gefahr faschistischer Gewalt, behauptet Jacobin, sei minimal, weil die herrschende Klasse die Demokratie unterstütze. „Die Übernahme des Kapitols hat den mangelnden Rückhalt für rechtsextremen Autoritarismus sowohl bei den Wirtschaftseliten als auch innerhalb der staatlichen Institutionen offengelegt. Das Kapital, so scheint es, ist immer noch der liberalen Demokratie verpflichtet, die in der gesamten amerikanischen Geschichte der Wahrung seiner Interessen gedient hat.“
In solchen Kommentaren verbindet sich politische Dummheit mit der abgrundtiefen Selbstgefälligkeit der privilegierten Schichten der oberen Mittelklasse, für die Jacobin spricht. Die autoritären Handlungen Trumps sind nach Auffassung von Jacobin losgelöst von den Klasseninteressen der herrschenden Oligarchie und der massiven sozialen Ungleichheit, die der Demokratie objektiv die Grundlage geraubt hat. Der Druck, der sich aus der sozialen Polarisierung ergibt, wurde durch die Pandemie, an der in den Vereinigten Staaten bereits mehr als 385.000 Menschen gestorben sind, an den Explosionspunkt getrieben.
Ein weiterer Aspekt in dieser selbstgefälligen Unterschätzung der politischen Krise und der Gefahren, die von Trumps Putschversuch ausgehen, war die Reaktion auf die Abschaltung von Trumps Twitter-Account am Wochenende. Diese Aktion unter den gegenwärtigen Umständen als Hauptbedrohung demokratischer Rechte zu sehen, ist Ausdruck einer völligen Unterschätzung dessen, was sich gerade abspielt.
Trump agiert nicht als Einzelperson, geschweige denn als Vertreter einer progressiven und linken Bewegung. Er ist der Oberbefehlshaber der Streitkräfte der Vereinigten Staaten und verfügt über unglaubliche Macht – einschließlich der Macht, einen Atomkrieg zu beginnen –, solange er Präsident ist. Darauf zu bestehen, dass er ungehinderten Zugang zu Twitter und den sozialen Medien erhält – damit er seine faschistischen Anhänger im ganzen Land mobilisieren und aufhetzen kann –, als wäre dies eine zentrale Frage der Meinungsfreiheit, ist politisch unverantwortlich, wenn nicht reiner Wahnsinn. Wenn es unzulässig wäre, seinen Twitter-Account abzuschalten, muss es doppelt unzulässig sein, seine sofortige Entfernung aus dem Weißen Haus und seine Verhaftung zu fordern! Die bankrotten Zyniker der Pseudo-Linken sollten sich weniger Sorgen um Trumps Rechte machen, sondern die demokratischen Rechte der Arbeiterklasse verteidigen.
Es ist zweifellos wahr, dass die Biden-Regierung eine rechtsgerichtete Regierung im Dienste der Wall Street, der Geheimdienste und des Militärs sein wird. Aber der Kampf gegen eine reaktionäre bürgerliche Regierung ist Aufgabe der Arbeiterklasse und nicht eines rechten Diktators, der faschistische Kräfte mobilisiert.
Die Arbeiterklasse muss selbständig in die Krise eingreifen und den Kampf gegen den Faschismus mit ihren eigenen Methoden und mit ihrem eigenen Programm führen.
Man kann unmöglich irgendeinem Teil der herrschenden Klasse zutrauen, die demokratischen Rechte zu verteidigen. Trumps Gegner innerhalb der herrschenden Klasse sind sich sehr wohl bewusst, dass Trumps Aufwiegelung faschistischer Gewalt die Gefahr birgt, einen Bürgerkrieg zu entfesseln. Sie sind jedoch weit mehr damit beschäftigt, den Widerstand gegen Trump zu unterdrücken, der sich zu genau dem zu entwickeln droht, was sie am meisten fürchten: eine Bewegung der Arbeiterklasse gegen den Kapitalismus.
Aus diesem Grund versuchen die Demokraten, die Frage von Trumps Rolle bei der Anstiftung des faschistischen Putsches aus dem breiteren politischen Kontext herauszulösen. Insbesondere tut Biden als Hauptvertreter der Demokratischen Partei alles, um die Institution der Republikanischen Partei zu verteidigen, obwohl deren Chefs und Vertreter dem Komplott die notwendige politische Rückdeckung gaben, indem sie Trumps Behauptungen legitimierten, die Wahl sei gestohlen worden.
In seiner einzigen öffentlichen Verlautbarung seit dem Coup sagte Biden am Freitag auf einer Pressekonferenz, dass er sich für eine „starke“ Republikanische Partei einsetze. Er lobte den republikanischen Mehrheitsführer im Senat Mitch McConnell und sagte, er sei „so stolz“ auf McConnells Äußerungen, in denen er am Nachmittag des Putsches die Anerkennung von Bidens Sieg durch den Kongress forderte.
Der Antrag der Demokraten auf Zustimmung zum Amtsenthebungsverfahren im Repräsentantenhaus, der bereits am Mittwoch erfolgen könnte, steht ebenfalls in diesem Zusammenhang. Die Anklagepunkte werden mit allen möglichen Vorbehalten erhoben, damit die Amtsenthebung keine praktische Wirkung hat. Führende Demokraten, an ihrer Spitze Bidens enger Verbündeter, der Abgeordnete James Clyburn, fordern, dass das Repräsentantenhaus sich erst in mehreren Monaten an den Senat wendet, womit das Amtsenthebungsverfahren keine Auswirkungen auf Trumps verbleibende Tage im Amt haben würde.
Falls das Repräsentantenhaus sich sofort an den Senat wendet, droht McConnell, der von Biden hochgelobte Handlanger Trumps, dass er die Verhandlung dort frühestens am 19. Januar beginnt, dem Tag vor der Amtseinführung von Biden.
Darüber hinaus ist Trumps persönliche Rolle, so bedeutend sie auch sein mag, Teil einer viel umfassenderen politischen Verschwörung, an der nationale und lokale Funktionäre in der gesamten Republikanischen Partei und Elemente innerhalb des Militär- und Polizeiapparats beteiligt sind. Biden hat ausdrücklich Forderungen nach dem Rücktritt der Senatoren Ted Cruz und Josh Hawley abgelehnt, und erst recht Rufe nach ihrer sofortigen Verhaftung wegen politischer Beihilfe bei Trumps Coup. Die Demokraten fordern auch nicht die Verhaftung von Rudolf Giuliani, Trumps Söhnen und Anwälten oder irgendjemandem, der direkt an der Aufwiegelung beteiligt war.
Der faschistische Putsch vom 6. Januar markiert eine neue Etappe in der Krise der amerikanischen Demokratie, und die Lehren daraus müssen gezogen werden. Es zeigt sich darin ein umfassender Zusammenbruch der kapitalistischen US-Gesellschaft. Es ist nicht möglich, gegen die Gefahr des Faschismus zu kämpfen, ohne sich klar zu machen, dass es sich dabei um eine soziale Bewegung handelt, die aus einer tiefen Krise der bestehenden Wirtschaftsordnung erwächst. Mit dem Mittel des Faschismus versuchen die herrschenden Eliten, die massive soziale Unzufriedenheit in eine gegen die Arbeiterklasse gerichtete reaktionäre Bewegung zu kanalisieren.
Das politische Gegenmittel gegen den Faschismus ist der Aufbau einer Massenbewegung der Arbeiterklasse für den Sozialismus. Die Arbeiterklasse wird in dem Maße, wie sie in diesem Kampf voranschreitet, auch für einen Kampf gegen die Demokratische Partei und eine Biden-Regierung gestärkt sein.
Die Socialist Equality Party ruft die Arbeiter auf, die faschistische Gewalt am und rund um den 20. Januar mit Vorbereitungen für einen Generalstreik zu beantworten. Es muss ein Netzwerk von Aktionskomitees in den Fabriken und Betrieben und in jedem Viertel und jeder Stadt aufgebaut werden, um alle Teile der Arbeiterklasse zu mobilisieren und zu vereinigen.
Die Arbeiter müssen alle Versuche zurückweisen, die politische Situation als Rassenkonflikt zu interpretieren. Dies gilt auch für die Behauptungen der Demokraten, der faschistische Putsch sei ein Ausdruck von „Whiteness“ und nicht der Interessen der Finanzoligarchie. Dieses Narrativ liefert nur politische Munition für die Faschisten selbst. Überall im Land arbeiten Arbeiter aller Hautfarben und ethnischen Herkünfte Seite an Seite. Sie sehen sich einer gemeinsamen sozialen und wirtschaftlichen Krise gegenüber und haben gemeinsame Feinde in der kapitalistischen Führungselite.
Die Massenopposition der Bevölkerung gegen die Bemühungen der herrschenden Klasse, demokratische Rechte zu zerstören, muss mit der Forderung nach einer vollständigen, offenen und öffentlichen Untersuchung des Putsches vom 6. Januar verbunden werden. Alle, die an der Organisation dieser Operation beteiligt waren und sie politisch gedeckt haben, müssen aus dem Amt entfernt, verhaftet und strafrechtlich verfolgt werden.
Selbst wenn Biden – bewacht von Tausenden bewaffneten Soldaten und Polizisten – am 20. Januar den Amtseid ablegt und ins Weiße Haus einzieht, wird die Krise nicht vorüber sein. Die amerikanische Demokratie befindet sich im Todeskampf.
Es kann keinen fortschrittlichen Ausweg aus dieser Krise geben, außer durch den Aufbau einer mächtigen Massenbewegung der Arbeiterklasse für den Sozialismus, die mit der Arbeiterklasse auf der ganzen Welt verbündet.
Alle, die jetzt erkennen, wie dringlich der Aufbau dieser Bewegung ist, sollten sich der Socialist Equality Party anschließen.
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