Baden-Württembergische Oberbürgermeister hetzen gegen Flüchtlinge

Als Reaktion auf die sogenannte „Gewaltnacht von Stuttgart“ haben die baden-württembergischen Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne/Tübingen), Richard Arnold (CDU/Schwäbisch-Gmünd) und Matthias Klopfer (SPD/Schorndorf) einen Brief an den grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann und Innenminister Thomas Strobl (CDU) veröffentlicht. Der Brief unterstreicht einmal mehr, wie stark sich die gesamte offizielle Politik mittlerweile auf der Linie der rechtsextremen AfD befindet.

In ihrem Schreiben stellen sie sich die Oberbürgermeister zunächst hinter die Polizeistaatsmaßnahmen und die rassistische Kampagne ihrer Landesregierung. Dazu gehören die ausländerfeindliche „Stammbaumforschung“ der Stuttgarter Polizei, das Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen, die geplante flächendeckende Videoüberwachung und das riesige Aufgebot an Polizisten in Kampfmontur in der Stuttgarter Innenstadt.

Dies alles sei „jedoch nicht genug“, stellen die Autoren fest. Was folgt ist ein Katalog von „Law and Order“-Maßnahmen und Rassismus, der so auch von den rechtesten Kräften innerhalb der AfD stammen könnte. Die Oberbürgermeister beklagen, dass „[d]ie Rolle von Geflüchteten bei der Entstehung einer gewaltbereiten Szene in der Stuttgarter Innenstadt“ in der Debatte ausgeklammert werde und fordern endlich „mit einer von der eigenen Moral berauschten sozialpädagogischen Betreuungsromantik“ abzurechnen.

Was die Oberbürgermeister damit meinen, ist klar. Sie erklären zunächst, sie seien sich „darüber im Klaren, dass wir in dieser Diskussion mit einer pauschalen, dumpfen Brandmarkung junger Menschen als fanatisierte, marodierende Ausländerhorden“ nicht weiterkommen, um dann genau das über vier Seiten zu tun. So müsse mit dem „Ausblenden und Tabuisieren von kulturellen, sozialen, religiösen und familiären ‚Karrieren‘ solcher städtischer Stressgruppen“ endlich Schluss sein.

Ihre „Erfahrung mit diesen jungen Männern“ habe gezeigt, das dies „kein Problem der Landeshauptstadt“ sei. In jeder Mittelstadt in Baden-Württemberg habe „sich mittlerweile ein Milieu nicht integrierter, häufig mit Kleinkriminalität und Straftaten in Verbindung zu bringender junger geflüchteter Männer gebildet, das an Bahnhöfen und öffentlichen Plätzen zusammenkommt.“ Von diesen seien „mittlerweile viele nicht mehr für Sozial- oder Integrationsangebote erreichbar.“

Was den Oberbürgermeistern vorschwebt: polizeiliche Unterdrückung und Zwang zur Arbeit. Zynisch erklären Palmer und Co., dass „Junge Männer [...] Leistungsanreize statt Trübsal und Langeweile“ brauchen und verweisen auf ein Beispiel aus Schwäbisch Gmünd. Dort habe man „sehr gute Erfahrungen damit gemacht, junge Männer am Bahnhof als ‚Kofferträger‘ einen Sinn ihres Alltags zu geben.“

Das im Kern rassistische Projekt war im Jahr 2013 auf massive Kritik gestoßen. Für einen Hungerlohn von 1,05 Euro die Stunde mussten Flüchtlinge am Bahnsteig bei 30 Grad Koffer schleppen. Dabei trugen sie knallrote T-Shirts mit dem Aufdruck Service und einen Strohhut mit rotem Band auf dem Kopf. Im Internet lösten diese klar kolonialistisch geprägten Bilder eine wütende Diskussion aus.

Wenn die Oberbürgermeister nun für die Kommunen „Instrumente und Möglichkeiten“ fordern, „um solche Tätigkeiten für die Allgemeinheit verpflichtend zu machen“, ruft das dunkle Erinnerungen an die berüchtigte Phrase „Arbeit macht frei“ wach, die als Toraufschrift über den nationalsozialistischen Konzentrationslagern prangte. Ein „Wechsel aus aussichtslosen Duldungsverfahren in ein Aufenthaltsrecht“, müsse „durch Leistung, Integration und Arbeit möglich sein“, heißt es weiter.

Was Palmer, Arnold und Klopfer damit meinen ist klar. Jeder Asylbewerber, der nicht bereit ist, sich für 1,05 Euro die Stunde ausbeuten zu lassen, hat jede Chance auf einen Aufenthaltstitel verspielt und muss de facto mit Lagerhaft rechnen. Die drei Oberbürgermeister schreiben: „Wir wissen, dass für diese jungen Männer eine zeitweilige Rückverweisung in die Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes eine spürbare Sanktion wäre.“ Dort sei „im Gegensatz zu den auf Integration ausgerichteten Unterbringungen in den Städten eine Kontrolle durch Polizei und Sicherheitskräfte möglich.“

Sollte es nicht möglich sein, „die Tunichtgute mit Einschränkungen zur Raison zu bringen“, müssten sie damit rechnen, brutal abgeschoben zu werden. Der Brief lobt „eine Regelung“ im Koalitionsvertrag des Landes Hessen, die es ermögliche „Gefährder des Landes zu verweisen“. Die Oberbürgermeister machen keinen Hehl daraus, dass sie jugendliche Flüchtlinge als potentielle „Gefährder“, d.h. Kriminelle und Terroristen, ansehen. „Die Gruppe, um die es uns geht, fällt nicht unter die Gefährder, auch wenn manche von ihnen am Ende einer schiefen Bahn dort ankommen werden“, schreiben sie.

Palmer und Co. ist bewusst, dass ihr Brief durch und durch rassistisch ist. „Natürlich wissen wir, dass diese unbequeme Wirklichkeit in unseren Städten politisch heikel ist. Wenn Sie unserem Vorschlag folgen, wird Ihnen daraus sofort ein Rassismus-Vorwurf konstruiert“, schreiben sie. In bester AfD-Manier machen sie dann die Flüchtlinge selbst für ihre rassistische Law and Order-Politik verantwortlich. Sie seien „der Überzeugung, dass wir Rassismus bekämpfen können, wenn wir die Kriminalitätsrate unter jungen Geflüchteten Männern… senken.“ Denn dies sei eine „der Quellen für Ängste und Wut aus denen Rassismus Energie bezieht“.

Arbeiter und Jugendliche müssen Migranten und Flüchtlinge gegen die rassistischen Angriffe der herrschenden Klasse verteidigen. Der Brief der Oberbürgermeister lässt keinen Zweifel daran, dass die Hetzkampagne nach den medial aufgebauschten „Krawallen“ in Stuttgart und Frankfurt auf die Errichtung eines Polizeistaats zielt, in dem jede soziale und politische Opposition und jede Kritik an den von rechtsextremen Strukturen durchsetzten Sicherheitsbehörden verboten ist.

Man dürfe „nicht länger hinnehmen“, dass „die Begegnungen mit Einsatzkräften der Polizei“ geprägt sind „von Provokation, mangelnder Kommunikationsfähigkeit, einem schwäbisch gesagt unverschämten ‚Rotzbuben-Gehabe‘ und – in jüngster Zeit wachsend – auch von purer Gewaltbereitschaft“. Man müsse „konsequent mit den Mitteln der Polizei und der Justiz reagieren“ und „deutlich und mit Nachdruck gegen Gewalt, Vandalismus und Aggression“ vorgehen „und die Einhaltung von Regeln und Gesetzen durchsetzen“.

Am Ende des Briefs lassen die Oberbürgermeister durchblicken, dass ihnen nicht nur ein Zwangsdienst für Flüchtlinge vorschwebt, sondern für alle Jugendlichen. Sie fordern, „dass in Deutschland dringend ein verpflichtender gesellschaftlicher Grunddienst für alle jungen Menschen eingeführt wird, die in unserem Land leben – unabhängig von der jeweiligen Staatsbürgerschaft.“ Im Sinn haben sie dabei vor allem auch den Dienst an der Waffe. „Dieses soziale Pflichtjahr soll in der Tat für alle gelten – sei es bei der Bundeswehr (die Aussetzung des Wehrdienstes sollte ohnehin jetzt beendet werden)…, sei es bei Arbeiten für die Städte und Kommunen.“

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