Fordarbeiter in Michigan: „Stoppt das Virus! Rettet Leben“

Wir publizieren hier den Aufruf des Aktionskomitees, das mehrere Ford-Arbeiter im LKW-Werk Dearborn (Michigan)vor kurzem gegründet haben, um sich, ihre Kollegen und die Familien der Autoarbeiter vor Covid-19 zu schützen.

Der Autoarbeiter-Newsletter der WSWS unterstützt Arbeiter der Autoindustrie und anderer Branchen bei der Gründung von Sicherheitskomitees. Setzt euch mit dem Autoarbeiter-Newsletter in Verbindung (siehe unten) oder schreibt eine E-Mail an auto@gleichheit.de.

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Die Autoarbeiter des Ford River-Rouge-Komplexes in Dearborn (Michigan) haben in Solidarität mit ihren Kolleginnen und Kollegen in drei weiteren Autowerken – FCA Jefferson North und Montagewerk Sterling Heights in Detroit und bei FCA Jeep in Toledo, Ohio – ein Sicherheitskomitee organisiert. Als erstes hat das Komitee folgenden Aufruf an die 5.000 Beschäftigten gerichtet, die den F150-Pickup-Truck montieren. Es geht darum, gemeinsam den Kampf gegen das Coronavirus aufzunehmen und damit Leben zu retten.

Liebe Kollegen und Kolleginnen bei Ford Rouge,

Die Lage ist ernst. Unter uns breitet sich das Coronavirus aus. Ein Fließband nach dem andern ist betroffen, und keiner von uns kann sich schützen. Das Management und die Gewerkschaft behandeln uns wie Versuchskaninchen. Aber genug ist genug.

Das sind die Fakten:

Wir haben von mindestens 11 Fällen im Werk gehört. Aber wir wissen es nicht sicher, weil man uns nichts sagt. Am Motoren-Band wurde jemand am letzten Sonntag positiv getestet. Kürzlich erkrankte ein Aufseher im Werk. Er arbeitete an mindestens zwei Bändern in engem Kontakt mit vielen Menschen.

Unterdessen breitet sich das Virus in anderen Werken weiter aus. In der Jeep-Fabrik von FCA in Toledo gibt es 40 Fälle. Die Hälfte der Nachtschicht im Karosseriewerk in Chicago ist am Donnerstag nicht erschienen, weil ein Arbeiter positiv auf das Virus getestet wurde.

  • Die Politik des Managements trägt nicht dazu bei, die Ausbreitung des Virus zu stoppen. Die Bedingungen im Werk verstoßen gegen alle Sicherheitsvorkehrungen. Weil so viele Menschen aus Angst um ihr Leben und das ihrer Familien nicht ins Werk kommen, werden doppelt so viele Aushilfen eingestellt, um das Band am Laufen zu halten. Wir arbeiten auf engstem Raum zusammen, die Teile gehen von Hand zu Hand, und wenn wir aneinander vorbeigehen, ist es so eng, dass wir uns gegenseitig berühren.

Die Kontrollen mit Fiebermessen taugen nichts. Selbst wenn Du die Krankheit hast, hast Du nicht unbedingt Fieber und mehrere Tage lang vielleicht keine Symptome. Das bedeutet, dass der Schutz, den das Management als Lösung anpreist, schlimmer als wertlos ist. Es ist nicht wissenschaftlich, es ist nur ein PR-Gag. Und der Zustand der sanitären Anlagen ist beklagenswert.

  • In Michigan gibt es mehr als 80.000 bestätigte Fälle, und das Virus erlebt ein Comeback. Am vergangenen Mittwoch wurden 996 neue Fälle bestätigt und weitere 715 am Donnerstag. Mindestens 6.200 Bewohner von Michigan sind bereits an der Krankheit gestorben.

Noch vor fünf Monaten gab es in den Vereinigten Staaten nur eine Handvoll Fälle. Jetzt sind es vier Millionen. Das zeigt, wie schnell die Krankheit sich verbreiten kann. Unser Leben und das unserer Familien ist in Gefahr!

Die professionellen Mediziner schreiben übereinstimmend vor, dass man systematisch testet, Kontakte verfolgt und Isolation und soziale Distanzierung beachtet, um die Krankheit zu bekämpfen. Doch die Regierung und die Manager haben dies auf allen Ebenen und trotz gegenteiliger Behauptung aufgegeben, denn die Profite sind für sie wichtiger als unser Leben und das unserer Kinder.

Sie bestrafen uns dafür, dass wir Symptome entwickeln, indem sie uns 14 Tage lang ohne Bezahlung zu Hause sitzen lassen. Wenn man sich nicht erholt, kann man im Dreck verkommen.

Das neuste Protokoll besagt, dass wir, um als exponiert zu gelten, uns 15 Minuten lang im Bereich einer infizierten Person in einem Umkreis von 15 Metern aufgehalten haben müssen; das macht keinen Sinn. Wir sind gemeinsam im Waschraum, im Pausenraum, in der Cafeteria, und das Virus könnte durch die Umluft in der gesamten Anlage zirkulieren.

Die United Auto Workers [UAW, Autoarbeiter-Gewerkschaft] arbeiten mit dem Unternehmen zusammen, und beide lügen wie gedruckt. Wir sind ihnen völlig egal. Sie haben uns gezwungen, wieder zu arbeiten, bevor die Pandemie unter Kontrolle war, und zwar aus keinem anderen Grund als zum Schutz der Großaktionäre.

Das Ford-Management und die UAW sind mehr um die Aufrechterhaltung der Produktion besorgt als um die Gesundheit und Sicherheit von uns, den Arbeitern und unseren Familien. Unsere Kolleginnen und Kollegen werden krank und niemand wird informiert; wir erfahren nie die Wahrheit. Wer ist krank? Wer ist gestorben? Sind wir der Krankheit ausgesetzt worden?

Die Gewerkschaft gibt den Arbeitern die Schuld. Sie sagen, Ford könne Leute entlassen, weil sie sich nicht an das Protokoll halten. Im jüngsten Bulletin vom Schreibtisch des UAW-Präsidenten Burkie Morris stand so wenig wie nur möglich. Sie wollen keinen Konflikt.

Wir sehen, dass sie Fälle nicht melden, dass sie versuchen, sie zu vertuschen und alle im Dunkeln zu lassen. Dann drücken sie uns ein Flugblatt in die Hand, wenn wir auf dem Nachhauseweg sind. Die UAW arbeitet mit dem Management zusammen, um uns am Band zu halten. Wir arbeiten 10,7 Stunden pro Schicht, das ist das Maximum, das wir im Rahmen des Tarifvertrags arbeiten dürfen. Dafür gibt die Gewerkschaft grünes Licht.

Solange die UAW die Kontrolle hat, wird es nicht besser werden. Es wird schlimmer werden.

Deshalb MÜSSEN wir selbst DAFÜR EINSTEHEN!

Wir haben NEUN Forderungen, die NICHT verhandelbar sind:

1. Alle Arbeiter müssen unverzüglich über alle Fälle von COVID-19 und alle betroffenen Bereiche informiert werden. Diese Informationen dürfen vor den Arbeitern nicht geheim gehalten werden.

2. Wenn ein Fall bestätigt wird, muss die Fabrik für mindestens 24 Stunden geschlossen werden, um eine Grundreinigung durchzuführen, und zwar nicht nur in dem betroffenen Bereich, sondern im ganzen Betrieb. Vorbeugende Wartung und tägliche Desinfektion sind unerlässlich, um eine sichere und komfortable Arbeitsumgebung zu gewährleisten.

3. Soziale Distanzierung muss zu jeder Zeit gewahrt werden, auch beim Betreten und Verlassen des Werks und während der Toiletten-, Mittags- und sonstigen Pausenzeiten. Desinfektions- und Reinigungsmaterial steht den Arbeitern jederzeit zur Verfügung, damit sie alles nach eigenem Ermessen nutzen können.

4. Alle Geräte werden in jeder Pause von einem separaten Reinigungsteam gereinigt, das über die nötige Ausrüstung verfügt, die Richtlinien zur sozialen Distanzierung befolgt, Masken trägt und von der Firma für diese Arbeit bezahlt wird. Ford-Mitarbeiter sind weder für die Reinigungsausrüstung noch für die Bezahlung des Reinigungspersonals verantwortlich.

5. Das Fließband muss jede Stunde für 10 Minuten angehalten werden, damit die Arbeiter ihre Masken abnehmen, sich ausruhen und abkühlen können. Wenn ein Arbeiter grundlegende Gesundheitsprobleme hat, die ihn daran hindern, in der Fabrik eine Maske zu tragen, sollte er oder sie entweder ein Face Shield tragen können, oder wenn das nicht möglich ist, nach der Pandemie seinen Arbeitsplatz zurückerhalten, und zwar bei voller Bezahlung in der Zwischenzeit.

6. Die Arbeiter müssen regelmäßig und allgemein getestet werden. Fiebermessung und Eigenkontrolle taugen nichts.

7. WENN die Bedingungen nicht sicher sind, haben wir das Recht, ohne die Androhung von Strafmaßnahmen seitens der Unternehmensleitung oder der Gewerkschaft die Arbeit zu verweigern.

8. Wir lassen uns nicht ins Visier nehmen, abmahnen, kündigen oder in irgendeiner Weise schikanieren, wenn wir eine Auszeit genommen haben, um uns testen zu lassen und das Ergebnis abzuwarten. Jeder Arbeiter, der gekündigt oder freigestellt wurde, weil er frei genommen hat, um sich testen zu lassen, muss ohne Lohneinbußen wieder eingestellt werden. Niemand darf bestraft werden, wenn er aus medizinischen, psychischen oder familiären Gründen gemäß dem „Family and Medical Leave Act“ (FMLA-Gesetz) Urlaub nimmt.

9. Der Missbrauch und die Ausbeutung von Aushilfs- und Hilfskräften müssen aufhören. Die eklatante Verletzung unserer Arbeitszeiten und Zeitpläne muss aufhören. Diese Kräfte leisten die gleiche Arbeitszeit zu den gleichen Zeiten und müssen die gleichen Leistungen dafür erhalten.

Wenn Ihr mit diesen Forderungen einverstanden seid, SCHLIESST EUCH UNS AN! Verbreitet diese Nachricht!

Wenn Ihr in anderen Werken arbeitet, bildet eigene Sicherheitsausschüsse! Helft uns, das Netzwerk in jedem Werk zu verankern! STOPPT DAS VIRUS!! RETTET LEBEN!!!

Der Autoarbeiter-Newsletter der WSWS hilft Autoarbeitern und anderen Arbeitern bei der Gründung von Sicherheitskomitees. Tragt euch dafür ein (siehe unten) oder schreibt eine E-Mail an:  auto@gleichheit.de.

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