Nach staatlicher Rettungsaktion: Renault-Nissan kündigt weltweiten Stellenabbau an

Die französische Regierung hat wegen der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie letzte Woche ein Rettungspaket in Höhe von fünf Milliarden Euro für den französischen Autobauer Renault angekündigt. Nichtsdestotrotz verfolgt das Bündnis aus Renault und Nissan Pläne für eine internationale Welle von Entlassungen und Werksschließungen.

Präsident Emmanuel Macron sprach am Dienstag öffentlich über den Plan seiner Regierung zur „Rettung“ der französischen Autoindustrie. Am Mittwoch, den 27. Mai wollen Renault und Nissan ihren „strategischen Plan“ vorstellen und am Freitag, den 29. Mai weitere Details zu ihren Kostensenkungspläne bekanntgeben. Im Februar hatte Renault-Nissan Kostensenkungspläne in Höhe von zwei Milliarden Euro vorgestellt, um die Profite zu steigern. Nun sollen die staatlichen Rettungsgelder in noch größere Profite für private Investoren verwandelt werden.

Eine anonyme Quelle hat Details über die geplanten neuen Umstrukturierungsmaßnahmen bei Renault an die Pariser Wochenzeitung Canard enchaîné weitergegeben. Laut Bericht sollen „in Frankreich zuerst die drei Werke Choisy-le-Roi, Dieppe und Fonderies de Bretagne geschlossen werden. Später soll auch das größte Werk in Flins, wo der Elektrokombi Zoe und der Nissan Micra gebaut werden, geschlossen werden.“ Laut Financial Press heißt es auch von offizieller Seite, die Annahme staatlicher Rettungsgelder „bedeutet nicht, dass kein Arbeitsplatzabbau stattfinden darf“.

Nissan hatte bereits 2019 den Abbau von weltweit 12.500 Stellen angekündigt, nach der Pandemie sollen es laut der japanischen Presseagentur Kyodo News 20.000 werden, was 15 Prozent der Gesamtbelegschaft entspricht. Vor allem spanische Werke sind bedroht, speziell diejenigen in Zona Franca, Montcada und Sant Andreu de la Barca. Im Jahr 2019 kündigte das Unternehmen außerdem an, es plane in Japan, Großbritannien, Mexiko, Indien, Indonesien und weiteren Ländern Stellen abzubauen.

Im Werk in Montcada wird bereits seit dem 4. Mai gestreikt, und auch dem Nissan-Werk im britischen Sunderland droht möglicherweise die Schließung.

Dass zehn Jahre nach der Rettung der Wall Street Steuergelder in Milliardenhöhe benutzt werden, um Zehntausende Arbeitsplätze zu zerstören, löst unter den Arbeitern weltweit zu Recht Empörung aus. Regierungen und Zentralbanken händigen der herrschenden Klasse Billionen Dollar und Euro aus, doch diese verwendet sie auf völlig parasitäre Art und Weise. Obwohl die anhaltende Pandemie hunderttausende Menschenleben kostet, benutzt Renault-Nissan diese Gelder nicht, um Arbeitsplätze zu retten oder wichtige medizinische Ausrüstung herzustellen, sondern um Arbeitsplätze abzubauen und von der anhaltenden globalen Umstrukturierung der Autoindustrie zu profitieren.

Diese Entwicklung muss als Warnung verstanden werden: In vielen Branchen, von den Flug- und Reisegesellschaften bis hin zur Autoindustrie, sind weltweit Massaker an Arbeitsplätzen geplant. In der Autoindustrie war bereits vor der Pandemie der Abbau von mindestens 100.000 Stellen geplant. Riesige Unternehmensrettungen werden angekündigt, u.a. 300 Milliarden Euro vom französischen Staat und zwei Tranchen von der Europäischen Zentralbank in Höhe von 750 Milliarden und 540 Milliarden Euro. Diese Plünderung der öffentlichen Kassen geschieht in Zusammenarbeit mit den Gewerkschaftsbürokratien und bildet den Auftakt für enorme Angriffe auf die Arbeiter – Gleiches und Ähnliches passiert ebenso in allen anderen Ländern.

Am 19. Mai endeten Verhandlungen zwischen Renault, Privatbanken und dem französischen Staat (der 15 Prozent der Aktien von Renault besitzt) mit der Einigung auf eine staatliche Rettungsaktion von fünf Milliarden Euro für Renault.

Renault hat zahllose französische Firmen ausgestochen, von denen 500.000 Nothilfen beantragt haben, um den Zusammenbruch der Geschäftsaktivitäten während der Pandemie zu bewältigen. Viele dieser Firmen sind unmittelbar vom Bankrott bedroht. Renault besaß Ende März noch 10,3 Milliarden Euro an finanziellen Reserven, gleichzeitig betrugen die monatlichen Ausgaben bei stillstehender Produktion 600 Millionen Euro. Allerdings erklärte das Renault-Management gegenüber La Tribune, es sei „leichtsinnig, den Staat nicht um Hilfe zu bitten“.

Laut den Quellen, die mit der Presse sprachen, war die einzige Bedingung für das Darlehen, dass Renault dieses Jahr keine Dividenden zahlt. Allerdings kann der Konzern seine Rückzahlungsbedingungen in den nächsten Jahren selbst bestimmen, darunter auch die Verteilung der Profite, die er mit den im Jahr 2020 erhaltenen Steuergeldern macht. Renault hat aufgrund der Darlehensbedingungen keine rechtliche Verpflichtung, Entlassungen oder Werksschließungen zu vermeiden.

Die riesigen Rettungsaktionen in Zusammenhang mit Covid-19 zielen nicht darauf ab, die dringenden Bedürfnisse in Folge der Pandemie zu befriedigen, sondern dienen der Finanzierung bereits geplanter Umstrukturierungsmaßnahmen angesichts des globalen Übergangs zur Elektromobilität und eines globalen Wirtschaftsabschwungs, der bereits vor der Pandemie begann. Renault-Vorstandschefin Clotilde Delbos kündigte am 14. Februar einen Kostensenkungsplan von zwei Milliarden Euro an, nachdem sie zuvor für 2019 den ersten Nettoverlust seit 2009 in Höhe von 141 Millionen Euro verkündet hatte. Vor allem der Rückgang der Wirtschaftstätigkeit in China und dem Iran aufgrund der US-Handelskriegsmaßnahmen haben dem Autobauer geschadet.

Nissan, dessen Geldreserven 1,14 Billionen Yen (neun Milliarden Euro) betragen, beantragte im April Darlehen in Höhe von 500 Milliarden Yen bei staatlichen und privaten Banken in Japan. Nissan-Sprecherin Azusa Momose dazu: „Wir haben genug Liquidität für die laufenden Geschäfte, aber wir untersuchen verschiedene Möglichkeiten, falls in der Zukunft eine Krise auftritt.“ Nissan rechnet für 2020 mit der Produktion von nur 4,6 Millionen Fahrzeugen, die Produktionskapazität liegt jedoch bei sieben Millionen.

Die beiden Konzerne sind durch gegenseitige Kapitalbeteiligungen miteinander verbunden: Nissan kontrolliert 15 Prozent der Aktien von Renault, während Renault 43 Prozent der Nissan-Aktien besitzt.

Bisher hat die französische Regierung versucht, die Arbeiter ruhig zu halten. Sie behauptet, es gehe Macron um Umweltschutz und die Verteidigung der französischen Industrie.

Ein nicht näher bezeichneter Regierungsvertreter erklärte gegenüber AFP, Macron bereite einen Gesamtplan zur Unterstützung der Autobauer vor: „Dieser Plan hat mehrere Komponenten: industrielle Souveränität, den Übergang zu sauberen Fahrzeugen und die Gewährleistung der industriellen Wettbewerbsfähigkeit.“ Er erklärte außerdem, Macron sorge sich darum, „was für die Industrie auf dem Spiel steht, wie viele Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen und wie die Industrie auf saubere Fahrzeuge umgestellt“.

Tatsächlich deuten sogar Macrons Minister an, dass sie überall massiven Stellenabbau akzeptieren werden, auch in Frankreich. Premierminister Édouard Philippe erklärte: „Wir werden viel fordern. Frankreich muss für Renault das globale Zentrum für Ingenieurswesen, Forschung, Innovation und Entwicklung bleiben. Wir werden der Qualität des sozialen Dialogs und der Politik große Aufmerksamkeit schenken.“

Wirtschaftsminister Bruno Le Maire erklärte, es gehe um das „Überleben“ von Renault. Er deutete an, er lehne die Schließung des Werks in Flins ab, über die drei anderen Werke schwieg er sich jedoch aus.

Der Kampf gegen diese reaktionären Rettungsmaßnahmen, welche die Arbeiter und die Öffentlichkeit dazu zwingen, ihre eigene Verelendung zu finanzieren, erfordert den Aufbau einer internationalen Bewegung unter den Arbeitern. Gegen transnationale Konzerne, die ihre Produktion von einem Land ins andere verlagern, um ihre Profite zu maximieren, kann der Widerstand der Autoarbeiter, einschließlich Streiks und anderer Kämpfe, nur effektiv sein, wenn er über alle nationalen Grenzen hinweg geführt wird. Dies erfordert den Aufbau von Aktionskomitees, die unabhängig von den nationalistischen und prokapitalistischen Gewerkschaften agieren.

Die französischen Gewerkschaften organisieren nicht einmal symbolische Proteste. Stattdessen nahmen Gewerkschaftsvertreter seit April an Gesprächen mit Vertretern der Regierung und der Unternehmensleitung von Renault teil und schweigen vollständig zu den geplanten Maßnahmen. Der Chef der stalinistischen Gewerkschaft CGT Philippe Martinez reagierte auf den Bericht von Canard enchaîné nur mit kraftloser und nationalistischer Rhetorik: „Wir sind sehr empört. Renault muss Autos in Frankreich bauen und französische Arbeitsplätze schaffen.“

Die Arbeitsplätze müssen jedoch nicht nur in einem Land geschützt werden, sondern auf der ganzen Welt. Renaults massiver Kostensenkungsplan verdeutlicht auch den Bankrott von Martinez' spanischem Kollegen Unai Sordo, dem Chef der stalinistischen Gewerkschaft CCOO. Er hat den Streik in Montcada isoliert und die spanische Regierung aus Sozialdemokraten und Podemos gebeten, Renault um Entschädigung anzubetteln.

Die Pandemie und die gefährliche verfrühte Rückkehr an die Arbeit, welche die nationalen Regierungen und Gewerkschaften durchsetzen, verdeutlichen den Bankrott der bestehenden Gesellschaftsordnung. Nur ein politisch unabhängiger und internationaler Kampf der Arbeiterklasse für den Sozialismus und gegen das Diktat der Banken über die globale Industrie kann Menschenleben und Arbeitsplätze schützen. Statt die Konzerne zu retten, sollten sie in öffentliches Eigentum unter der Kontrolle der Arbeiter umgewandelt und als Teil einer sozialistischen Weltwirtschaft betrieben werden – um den gesellschaftlichen Bedürfnissen zu dienen, nicht dem privatem Profitstreben.

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