Perspektive

Trump stoppt Zahlungen an Weltgesundheitsorganisation: Ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“

Am vergangenen Dienstag hat US-Präsident Donald Trump angekündigt, dass die Vereinigten Staaten die Zahlung von Beiträgen an die Weltgesundheitsorganisation (WHO) einstellen werden. Die WHO ist die wichtigste globale Institution im Kampf gegen Covid-19 sowie weitere Infektionskrankheiten.

Trumps Entschluss ist der durchschaubare Versuch, das Versagen seiner Regierung bei der Eindämmung der Pandemie zu verschleiern. Stattdessen beschuldigt er seine Feinde: China sowie die WHO als Sonderorganisation für Gesundheit der Vereinten Nationen. Unterdessen haben sich weltweit mehr als zwei Millionen Menschen mit dem Coronavirus infiziert, die Zahl der Todesfälle beläuft sich auf mehr als 145.000. Allein in den USA gibt es rund 680.000 Infizierte und 35.000 Tote.

Während Trumps Entscheidung auf einem kruden und rückständigen politischen Kalkül beruht, werden die realen Auswirkungen verheerend sein. Die Covid-19-Pandemie breitet sich nach wie vor auf der ganzen Welt aus. Der Zahlungsstopp wird den Tod unzähliger Menschen in Entwicklungsländern zur Folge haben, deren Gesundheitssysteme durch das Equipment, das Personal und das Fachwissen der WHO unterstützt werden.

„Die Entscheidung von Präsident Trump, die Beitragszahlungen an die WHO einzustellen, ist schlicht und ergreifend ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, erklärte Richard Horton, Chefredakteur der medizinischen Fachzeitschrift The Lancet. „Jeder Wissenschaftler, jeder Mitarbeiter im Gesundheitswesen und jeder Bürger muss Widerstand leisten und sich gegen diesen schrecklichen Verrat an der globalen Solidarität auflehnen.“

Ein Großteil der Mittel der WHO fließt nach Afrika und in den Nahen Osten. Dort gab es bisher 910 bzw. 6.815 Todesfälle durch Covid-19. Allerdings steigen auch hier die Zahlen kontinuierlich an.

Sowohl Afrika als auch der Nahe Osten werden seit über einem Jahrhundert von den imperialistischen Mächten ausgebeutet und zählen zu den verwundbarsten Regionen der Welt. In Ländern wie Irak, Syrien, Libyen, Palästina und Jemen wurden Krankenhäuser und die medizinische Infrastruktur in den letzten 30 Jahren durch Bomben der USA und ihrer Verbündeten komplett verwüstet. Es wurde wiederholt gewarnt, dass dort selbst eine geringe Zunahme an Corona-Infizierten den Zusammenbruch der größtenteils nicht existenten Gesundheitssysteme verursachen würde. Ein rapider Anstieg der Todesfälle wäre die Folge.

Die WHO steht indessen nicht nur im Kampf gegen das Coronavirus an vorderster Front, sondern auch bei Krankheitserregern, die in den Vereinigten Staaten und Westeuropa weitestgehend ausgerottet sind. Dazu zählen „Polio, Masern, Malaria, Ebola, HIV, Tuberkulose (…) und viele andere Krankheiten“, wie der Generaldirektor der WHO, Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus, am Mittwoch auf einer Pressekonferenz feststellte. Über Jahrzehnte hat die Weltgesundheitsorganisation millionenfach Impfungen zur Bekämpfung dieser Epidemien zur Verfügung gestellt. Die Finanzierung dieser Programme steht nun vor dem Aus.

Die WHO hat die Reaktionen der westlichen Regierungen auf die Covid-19-Pandemie scharf kritisiert und dringende Maßnahmen zu deren Eindämmung gefordert. Am 11. März warnte Dr. Ghebreyesus ausdrücklich vor einem „alarmierenden Ausmaß an Untätigkeit“ der Regierungen.

Das Vorgehen, große Teile einer Bevölkerung mit dem Coronavirus zu infizieren, um eine „Herdenimmunität“ zu erzeugen, bezeichnete Dr. Ghebreyesus als „moralischen Verfall“. Im Fall Großbritanniens wird diese Politik erklärtermaßen verfolgt. Andere westliche Regierungen wenden sie inoffiziell an.

„Ein Ausdruck dieses moralischen Verfalls besteht darin, den Tod älterer Mitbürger nicht als ernstes Problem anzusehen. Jedes Individuum, unabhängig von seinem Alter, jedes menschliche Wesen ist von Bedeutung“, sagte Dr. Ghebreyesus.

Trump hingegen hat auf die Pandemie weitgehend mit einer Strategie der Leugnung reagiert, obwohl die chinesische Regierung eine Warnung vor dem Coronavirus ausgesprochen hatte. Auch die nach China entsandte Mission der WHO erklärte bereits am 24. Februar nachdrücklich, dass bereits betroffene Länder „alle Fälle umgehend und vollständig ausfindig machen [müssen]. Es muss an erster Stelle stehen, Kontakte sorgfältig nachzuverfolgen, unmittelbar auf das Virus zu testen und zu isolieren. Enge Kontakte müssen unter strenge Quarantäne gestellt werden.“ Dennoch führte die Regierung Trump bis Mitte März keine Massentests ein. Das Virus hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits zwei Monate unkontrolliert ausgebreitet.

Als Resultat haben sich in den USA siebenmal so viele Menschen mit dem Coronavirus infiziert wie in China, die Anzahl der Todesfälle liegt neunmal so hoch. Indessen erklärte Trump am Mittwoch erneut: „Es ist klar, dass unsere aggressive Strategie funktioniert“ – ohne die Rekordzahlen von 2.407 Todesfällen am Dienstag bzw. 2482 am Mittwoch zu erwähnen.

Statt ernsthafte Maßnahmen gegen dessen Ausbreitung zu ergreifen, stellte Trump das Virus als ausländischen Eindringling dar. Wiederholt bezeichnete er das neuartige Coronavirus als „chinesisches Virus“ und „fremdes Virus“ und verteidigte einen Beamten des Weißen Haus, der die Pandemie „Kung Flu“ (flu, engl. für „Grippe“) nannte.

Als der Präsident die Mittelkürzungen ankündigte, behauptete er, „die WHO hat es versäumt, Informationen rechtzeitig und transparent zu beschaffen, zu prüfen und weiterzugeben.“ Er fügte hinzu: „Die WHO hat sich auf die Mitteilungen Chinas verlassen, was wahrscheinlich zu einem 20-fachen Anstieg der weltweiten Fälle geführt hat. (…) So viele Todesfälle wurden durch ihre Fehler verursacht.“

Diese Behauptungen können ohne Zweifel als Lügen enttarnt werden, wenn man die ersten Nachrichtenberichte zum Ausbruch des Coronavirus in den USA heranzieht. Erst danach folgte deren Einfärbung durch antichinesische Propaganda.

Am 6. Januar warnte die chinesische Regierung die WHO und den Rest der Welt vor einer neuartigen Krankheit, die einer Lungenentzündung ähnelt. Bis zum 11. Januar hatte die WHO Warnungen zum Umgang mit einem neuen Typ von Atemwegsinfektionen veröffentlicht. Einen Tag später veröffentlichte die chinesische Regierung die genetische Sequenz des Virus. Die amerikanischen Zentren für Seuchenkontrolle und -prävention erhöhten daraufhin ihre Alarmstufe für den Fall, dass das Virus in weiteren Ländern entdeckt wird.

Die WHO hat zügig ein internationales Team nach China entsandt, darunter auch amerikanische Delegierte. Sie erklärten geschlossen, dass ihre Bewegungsfreiheit in keiner Weise eingeschränkt worden sei.

Während Trump bereits 5 Billionen Dollar in Form von Rettungspaketen für die Wall Street und Großunternehmen geschnürt und noch weitere ankündigt hat, hält er eine halbe Milliarde Dollar im Kampf gegen die gefährlichste Pandemie seit einem Jahrhundert zurück. Der amerikanischen Finanzoligarchie versprach er Steuererleichterungen, die den Milliardären 73,8 Milliarden Dollar einbringen werden. Die Summe, um die die WHO zur Bekämpfung des Coronavirus gebeten hat, ist hundertmal kleiner.

In der Satzung der Weltgesundheitsorganisation, auf die Dr. Ghebreyesus am Mittwoch verwies, heißt es: „Es ist eines der Grundrechte jedes Menschen ohne Unterschied der Rasse, der Religion, der politischen Überzeugung, der wirtschaftlichen oder sozialen Lage, sich einer möglichst guten Gesundheit zu erfreuen.“

Ärzte, Epidemiologen und Wissenschaftler auf der ganzen Welt vertreten in ihrem Kampf gegen Covid-19 diese hohen Ideale, die für Wissenschaftlichkeit, Rationalität und Solidarität stehen. Die Arbeiterklasse muss sich jedoch darüber im Klaren sein, dass ein Appell an die herrschende Klasse zur Einhaltung dieser Ideale kein Gehör finden wird. Dies gilt sowohl für Trump, als auch für seine Amtskollegen in Großbritannien, Frankreich, Deutschland und anderen Ländern.

Die einzige gesellschaftliche Kraft, die diese Prinzipien verteidigen wird, ist die internationale Arbeiterklasse. Um Leben zu retten, müssen Tests massiv ausgeweitet, die medizinische Versorgung verstärkt und die Produktion von Schutzausrüstung erhöht werden. Arbeiter müssen erkennen, dass das nur durch eine Planung und globale Zusammenarbeit möglich ist, zu der der Kapitalismus nicht in der Lage ist. Es müssen Lehren gezogen werden, besonders, dass er Kampf gegen die Pandemie untrennbar mit dem Kampf für den Sozialismus verbunden ist.

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