Der Mord an Qassim Soleimani war ein gezielter Versuch, Teherans Bemühungen um ein Abkommen mit Washingtons Verbündeten im Nahen und Mittleren Osten zu torpedieren. Der Generalmajor, einer der hochrangigsten Vertreter des Iran, fiel am 3. Januar einem von der US-Regierung angeordneten Attentat zum Opfer.
Es gibt keine andere Schlussfolgerung aus dem Bericht, den die New York Times am Donnerstag vergangener Woche veröffentlichte. Er beruht auf Aussagen von anonymen hohen Regierungsvertretern der USA, des Irans und anderer Staaten des Nahen Ostens.
Demnach flogen letzten September mehrere hochrangige Vertreter der iranischen Regierung nach Abu Dhabi, der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate, um über ein bilaterales Friedensabkommen zwischen den beiden Staaten zu verhandeln.
Diese Reise stand in Zusammenhang mit der Verschärfung der Spannungen zwischen den USA und dem Iran nach Trumps Rücktritt vom Atomabkommen mit dem Iran im Jahr 2018. Die USA führten zugleich harte Sanktionen ein, die einem Belagerungszustand gleichkommen. Im Jahr danach weiteten sie ihre Militärpräsenz deutlich aus. Im Mai letzten Jahres verlegten die USA einen Flugzeugträgerverband und eine Einheit von B-52-Bombern in die Region.
Ebenfalls im Mai 2019 wurden in der Straße von Hormus – einer strategisch wichtigen Meerenge, durch die 20 Prozent des weltweit gehandelten Öls transportiert werden – vier Öltanker durch Haftminen beschädigt.
Im Juni 2019 schoss das iranische Militär im gleichen Gebiet eine Aufklärungsdrohne der US-Marine ab. Als Vergeltung ordnete das Weiße Haus Luftschläge an, die es jedoch wieder abbrach. Im September wurden saudische Ölraffinerien Opfer von Drohnen und Marschflugkörpern angegriffen.
Washington machte den Iran sowohl für die Anschläge auf die Tanker als auch für den Angriff auf die saudischen Ölraffinerien verantwortlich, obwohl die Huthi-Rebellen im Jemen die Verantwortung für Letzteren übernahmen. Teheran wies die Vorwürfe zurück.
Bereits letzten August wurde über Befürchtungen Washingtons berichtet, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) könnten aus der Front gegen den Iran ausscheren, die die USA aus Israel und den Ölscheichtümern am Golf zusammenstellen wollten. Die Küstenwache der Emirate hatte ein maritimes Sicherheitsabkommen mit der iranischen Revolutionsgarde abgeschlossen, und zwischen Saudi-Arabien und den VAE kam es zu offenen Zusammenstößen wegen der Kontrolle über die südjemenitische Hafenstadt Aden. Damals warnte die Washington Post, die VAE „brechen aus dem Bündnis mit Washington aus, sodass fraglich wird, wie zuverlässig sie als Verbündete im Falle eines Kriegs zwischen den USA und dem Iran wären“.
Laut dem Bericht der Times hat das Treffen mit der iranischen Delegation in Abu Dhabi, das vor Washington verheimlicht wurde, „im Weißen Haus für Unruhe gesorgt... Die Einheitsfront gegen den Iran, die die Trump-Regierung innerhalb von mehr als zwei Jahren sorgfältig aufgebaut hat, schien zusammenzubrechen.“
In den Monarchien der VAE und Saudi-Arabiens wächst das Misstrauen gegenüber der Iran-Politik Washingtons. Sie befürchten, direkt in eine Konfrontation mit dem Iran hineingezogen zu werden, ohne sicher sein zu können, dass die USA sie verteidigen.
Auch Saudi-Arabien hat heimlich diplomatische Annäherungsversuche an Teheran unternommen, wobei die irakische und die pakistanische Regierung als Mittelsmänner fungieren. Soleimani war laut der Times der Hauptorganisator der Verhandlungen mit den beiden Golf-Monarchien.
Laut dem Bericht flog US-Außenminister Mike Pompeo im Oktober 2019 nach Tel Aviv, um den Mossad-Chef Yossi Cohen davor zu warnen, dass „der Iran sein wichtigstes Ziel erreicht: die Zerschlagung des anti-iranischen Bündnisses“.
Nach der Ermordung von General Soleimani erklärte die Trump-Regierung zunächst, es habe sich um einen Präventivschlag gehandelt, um „unmittelbar bevorstehende“ Anschläge auf Militärpersonal oder Interessen der USA im Nahen Osten zu verhindern. Dieser Vorwand stellte sich jedoch schnell als unhaltbar heraus. Daraufhin rechtfertigten Trump und seine Berater die völkerrechtswidrige Ermordung eines hohen Regierungsvertreters als Vergeltungsaktion. Soleimani, hieß es, habe die schiitischen Milizen unterstützt, die vor 15 Jahren Widerstand gegen die amerikanische Besetzung des Irak geleistet hatten. Außerdem sei er für einen Raketenangriff verantwortlich, bei dem im Dezember 2019 ein US-Söldner getötet wurde.
Dieser Raketenangriff richtete sich gegen eine Militärbasis in der nordirakischen Provinz Kirkuk, in der US-Truppen stationiert waren. Vertreter der irakischen Sicherheitskräfte haben seither der Darstellung der USA widersprochen, der Angriff sei von schiitischen Milizen durchgeführt worden, die vom Iran unterstützt werden. Sie erklärten, dass die Raketen aus einem überwiegend sunnitischen Gebiet abgefeuert wurden, in dem der Islamische Staat (IS) aktiv ist. Zudem soll der irakische Geheimdienst die US-Truppen schon im November und Dezember davor gewarnt haben, dass der IS einen Angriff auf die Basis plant.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Auf den Raketenangriff auf den Stützpunkt im Irak reagierten die USA mit einem Angriff auf Stellungen der schiitischen Milizen an der syrisch-irakischen Grenze, bei dem 25 Mitglieder der Miliz Kataib Hisbollah getötet wurden. Dieser Angriff wiederum löste wütende Demonstrationen im Irak aus, bei denen am 31. Dezember die amerikanische Botschaft in Bagdad belagert wurde.
Zwei Tage später feuerte eine amerikanische Reaper-Drohne Raketen auf einen Konvoi am internationalen Flughafen von Bagdad ab. Dabei wurden Soleimani, Abu Mahdi al-Muhandis und acht weitere Personen getötet. Al-Muhandis war der wichtigste Führer der irakischen Volksmobilmachungseinheiten, einer Koalition aus Milizen, die offizieller Bestandteil der irakischen Sicherheitskräfte ist.
Nach Soleimanis Ermordung erklärte US-Außenminister Pompeo sarkastisch vor der Presse: „Ist in der Vergangenheit irgendetwas passiert, was darauf hindeuten würde, dass es auch nur ansatzweise möglich war, dass dieser nette Herr, dieser großartige Diplomat – Qassim Soleimani – in einer Friedensmission nach Bagdad gereist ist? Wir wissen, dass dem nicht so war.“
Der Bericht der Times macht deutlich, dass Soleimani in Tat genau zu diesem Zweck in Bagdad war, dass die USA dies wussten und dass sie ihn deshalb ermordeten. Der irakische Ministerpräsident Adel Abdul-Mahdi erklärte damals, General Soleimani sei in einer Passagiermaschine mit seinem Diplomatenpass eingereist. Sein erklärtes Ziel habe darin bestanden, eine Antwort des Irans auf eine Nachricht Saudi-Arabiens im Rahmen von Verhandlungen zur Entschärfung der Spannungen zu übermitteln.
Je mehr über Soleimanis Ermordung ans Tageslicht kommt, desto klarer wird, um was für ein elendes Verbrechen es sich handelt. Das Attentat war weder ein brutaler Racheakt noch der Versuch, irgendwelche ominösen Angriffe zu verhindern. Vielmehr war es ein geplanter imperialistischer Terroranschlag mit dem Ziel, Verhandlungen zur Entschärfung der Spannungen am Persischen Golf zu torpedieren und die schwankenden Golf-Monarchien davon zu überzeugen, dass Washington zum Krieg gegen den Iran bereit ist.
Diese Politik vertritt nicht nur die Trump-Regierung. Einer der bemerkenswertesten Momente in Trumps Rede zur Lage der Nation Anfang des Monats war, dass die Abgeordneten der Demokraten ihm stehend applaudierten, als er sich der Ermordung Soleimanis – und damit eines Kriegsverbrechens – rühmte.
Dass die USA zu solchen kriminellen Mitteln greifen, verdeutlicht die extreme Krise des kapitalistischen Systems, das die ganze Menschheit in einen neuen Weltkrieg zu stürzen droht.