US-Justizminister spricht Assange verfassungsmäßige Grundrechte ab

In London stehen die Termine für die Auslieferungsanhörung jetzt fest

Bezirksrichterin Vanessa Baraitser will die Verhandlungen über die Auslieferung des inhaftierten WikiLeaks-Verlegers Julian Assange aufteilen. Demnach soll die erste Verhandlungswoche am 24. Februar beginnen, und die letzten drei Wochen am 18. Mai.

WikiLeaks-Gründer Julian Assange am Freitag, 20. Dezember 2019, in einem Gefängniswagen auf dem Weg zum Amtsgericht Westminster, London [AP Photo/Frank Augstein]

Während die Anhörung am Donnerstag, 23. Januar, vor dem Westminster Magistrates' Court noch lief, wurde bekannt, dass die amerikanische Regierung offenbar damit argumentieren will, dass Julian Assange keinen Anspruch auf den Schutz der Redefreiheit durch den Ersten Verfassungszusatz habe.

Vor dem Gerichtsgebäude erklärte der WikiLeaks-Chefredakteur Kristinn Hrafnsson den anwesenden Reportern: „Wir haben nun aus den von den USA vorgelegten Eingaben und eidesstattlichen Erklärungen erfahren, dass sie nicht der Ansicht sind, dass ausländische Staatsangehörige den Schutz des Ersten Verfassungszusatzes genießen.“

Laut WikiLeaks haben US-Ankläger dem Gericht am Samstag Argumente vorgelegt, aus denen klar hervorgeht, dass Assange keinen Schutz nach dem Ersten Verfassungszusatz genieße, weil er kein US-Bürger sei. Demnach sei die Meinungsfreiheit außerhalb der Vereinigten Staaten angeblich nicht durch die amerikanische Verfassung geschützt.

Dieses jüngste Beweismittel, das im Namen des Justizministeriums (DoJ) vorgelegt wurde, unterstreicht, dass es bei der jahrzehntelangen Verfolgung und Hexenjagd gegen Assange und WikiLeaks um grundlegende demokratische Fragen geht.

Assange erschien bei der Anhörung am Donnerstag per Videolink aus dem Belmarsh-Gefängnis. Mit einem gewissen Zögern gab er seinen Namen und sein Geburtsdatum an. Er wurde aus größerer Distanz gefilmt, so dass die Journalisten und Besucher, die der Verhandlung beiwohnten, sein Gesicht nicht klar erkennen und seine Reaktionen auf das Verfahren nicht wirklich beurteilen konnten.

Zu Beginn der zweistündigen Anhörung gab Baraitser bekannt, dass das US-Justizministerium beim Gericht einen schriftlichen Antrag auf eine „gegabelte“, also zweiteilige Anhörung gestellt habe, wobei der zweite Teil um fast drei Monate verschoben werden soll. Anwälte der US-Regierung argumentierten, dass eine Verzögerung notwendig sei, um auf die große Menge von Beweismitteln zu reagieren, die die Verteidigung seit dem 19. Dezember vorgelegt habe. Darunter sind auch neue Beweise, die am vergangenen Freitag, dem 17. Januar, vorgelegt wurden.

Die Anwältin Claire Dobbin, die für das US-Justizministerium (DoJ) tätig ist, sagte, dass der leitende Staatsanwalt, James Lewis, im März wegen eines anderen Falles nicht verfügbar sei, wies aber auch darauf hin, dass mehr Zeit erforderlich sei, um „unsere eigenen medizinischen Experten“ zu instruieren, die auf die von der Verteidigung vorgelegten medizinischen Erkenntnisse antworten sollen.

Assanges Anwälte-Team unterstützt den Antrag auf eine Verschiebung. Rechtsanwalt Edward Fitzgerald von der Anwaltskanzlei Doughty Street Chambers sagte der Richterin Baraitser: „Wir brauchen mehr Zeit.“ Er betonte vor dem Gericht erneut die Schwierigkeiten der Anwälte, die im Belmarsh-Gefängnis kaum Zugang zu ihrem Mandanten haben, und sagte, so fortzufahren, „wäre Herrn Assange gegenüber nicht fair“.

Zwischen dem 19. Dezember und dem 13. Januar hatten die Anwälte beispielsweise nur zwei Stunden Zeit gehabt, Assange über alles zu informieren und das Vorgehen mit ihm abzusprechen. Am 13. Januar, als Assange zum letzten Mal vor Gericht erschien, wurde ihnen gerade mal eine weitere Stunde gewährt, um sich zu beraten.

Fitzgerald wies darauf hin, dass Assange aufgrund seines schlechten Gesundheitszustands nicht in der Lage sei, die gesamte Beweislage zu überprüfen: „Es ist nicht leicht, ihn in die Lage zu versetzen, alles, was vor sich geht, zu verfolgen.“

Baraitser sprach sich zunächst gegen jede Verzögerung des Verfahrens aus. Sie forderte von der Verteidigung Aufklärung über den vorgeschlagenen Zeitplan für die Beweisaufnahme und verlangte zu wissen, warum dem anonymen Zeugen „GJ“ und den Computerexperten Patrick Eller und Mark Felstein so viel Zeit eingeräumt worden sei. Fitzgerald betonte die Bedeutung „detaillierter technischer Fragen“ bei der Beantwortung der Anklagepunkte und bestand darauf, dass diese Fragen vor Gericht sorgfältig erklärt werden müssen. „Recht und Gerechtigkeit muss doch in der Öffentlichkeit stattfinden.“

„In meinem Gericht werden [schriftliche] Berichte angenommen und zusätzliche Fragen gestellt“, antwortete Baraitser, womit sie deutlich machte, dass sie entschlossen sei, auch weiterhin das vollständige Offenlegen der Beweise zu blockieren, die die Verteidigung vorgelegt hat.

Zu den anonymen Zeugen, die die Verteidigung angemeldet hatte, gehören die Zeugen 1 und 2 – beides ehemalige Mitarbeiter der spanischen Sicherheitsfirma UC Global. Diese Security Firma hat Assange und sein Anwaltsteam im Auftrag der US-Geheimdienste illegal ausspioniert und in der ecuadorianischen Botschaft vertrauliche Gespräche aufgezeichnet.

Dobbin sagte Baraitser im Namen des DoJ: „Die Anklage wird gegen anonyme Zeugen Einspruch erheben“, und das US-Justizministerium werde die Zulässigkeit ihrer Beweise anfechten. Im Gerichtssaal 3 saßen nicht weniger als sechs Vertreter des Rechtsteams des US-Justizministeriums (DoJ), darunter zwei Anwälte der Staatsanwaltschaft und John McNeil, ein Attaché des DoJ an der US-Botschaft in London.

Die Anhörung vom 23. Januar hat bestätigt, dass im Februar, in der ersten Woche der Anhörung, vorbereitende Angelegenheiten verhandelt werden sollen. Dazu gehört auch die Frage, ob sich die Anklagen auf politische Straftaten beziehen, die eine Auslieferung nach den derzeitigen Auslieferungsverträgen zwischen den USA und Großbritannien ausschließen würden. Dazu gehören auch Argumente der Verteidigung über den Missbrauch eines ordnungsgemäßen Rechtsverfahrens durch die USA.

Baraitser ordnete erst eine Unterbrechung der Verhandlung an, damit sich beide Parteien beraten konnten, und nahm dann ihren gemeinsamen Antrag auf eine geteilte Anhörung an. Die eigentliche Auslieferungsanhörung wird am 24. Februar vor dem Amtsgericht Belmarsh eröffnet. Die nächste verfahrensrechtliche Anhörung ist für den 19. Februar, wieder vor dem Amtsgericht Westminster, angesetzt.

Auf der öffentlichen Tribüne anwesend waren dieses Mal auch der unabhängige medizinische Beobachter, Dr. Derek Summerfield von Doctors4Assange und die Psychiaterin und ehrenamtliche Senior-Dozentin am Kings College in London, Dr. Felicity De Zulueta, die auch emeritierte Beraterin für Psychotherapie in Südlondon und für den britischen Gesundheitsdienst NHS ist.

Dr. Summerfield, der leitende Psychiater einer Hilfsorganisation für Folteropfer, gab vor der Anhörung eine Erklärung ab und sagte: „Der UN-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer, stellte fest, dass Assange das Opfer von lang anhaltender psychologischer Folter ist, und dass seine Gesundheit im Belmarsh-Gefängnis in eine 'Abwärtsspirale' geraten ist.

Professor Melzer hat grundlegende medizinisch-ethische Fragen aufgeworfen. Diese müssen dringend beantwortet werden. Herr Assange muss unverzüglich aus dem Belmarsh-Gefängnis verlegt werden und eine fachkundige medizinische Beurteilung und Betreuung erhalten.“

Kurz vor der Anhörung hatte die Bolsonaro-Regierung in Brasilien den amerikanischen Journalisten Glenn Greenwald wegen Verschwörung angeklagt.

Dazu sagte WikiLeaks-Redakteur Kristinn Hrafnsson der WSWS: „Es ist ganz offensichtlich, dass diese Klage die Anklage gegen Julian Assange kopiert. Die Sorge ist sehr groß, dass Bolsonaro die Hinweise der Trump-Administration, von Pompeo, Barr und Pence aufgreift und sagt, wenn die das tun können, können wir das auch tun. Der schwerwiegende Präzedenzfall, vor dem wir in Bezug auf Julian Assange und seinem Fall immer gewarnt haben, ist sicherlich in dem Angriff auf Glenn Greenwald deutlich geworden.“

Hrafnsson erklärte, er habe gemischte Gefühle über die Änderung der Anhörungstermine: „Jeder Tag, den Julian Assange im Gefängnis von Belmarsh verbringen muss, ist ein Tag zu viel. Die Tatsache, dass er wegen der Verzögerung im zweiten Teil des Verfahrens noch drei Monate länger bleiben muss, gibt Anlass zu großer Sorge. Andererseits ist es ein so großer Fall, dass auch die Anwälte zusätzliche Zeit benötigen. Denken Sie daran, dass sie nur begrenzten Zugang zu Julian in Belmarsh haben, was an sich schon unerhört ist.

Ich habe also gemischte Gefühle. Hoffen wir, dass dies so schnell wie möglich beendet wird. In der Zwischenzeit weiß ich, dass die Anwälte darauf drängen werden, die Situation zu ändern. Hoffentlich können sie ihn aus dem Hochsicherheitsgefängnis herausholen, denn das ist kein Ort für eine so friedfertige Person, die völlig unschuldig ist und nur in Untersuchungshaft auf einen Prozess warten soll.“

WikiLeaks-Botschafter Joseph Farrell fügte hinzu, dass die Aufhebung des Schutzes der Meinungsfreiheit für Assange gemäß der US-Verfassung „bedeutet, dass kein ausländischer Journalist mehr durch den Ersten Verfassungszusatz geschützt ist. Dies steht in engem Zusammenhang mit dem, was wir bereits in der Vergangenheit gesagt haben Das ist ihr extraterritorialer Arm. Sie greifen bis nach Großbritannien, um einen australischen Journalisten zu fangen, der in Europa und Großbritannien gearbeitet hat, während er einige der berüchtigtsten Verbrechen Amerikas veröffentlichte. Jetzt setzen sie noch eins drauf und erklären, er genieße keinen Schutz nach dem Ersten Verfassungszusatz.

Wir haben schon früher gesagt, dass dies ein Präzedenzfall ist, und die Auswirkungen sind jetzt bei der Anklage gegen Glenn Greenwald zu sehen.“

Loading