Busfahrerstreik im Saarland beendet

Mit einem Tarifvertrag, der den Busfahrern auf vier Jahre hinaus die Hände bindet, hat Verdi am Dienstagabend den Busfahrerstreik im Saarland abgewürgt.

Vor drei Wochen hatten rund tausend Busfahrer und andere Beschäftigte der Kommunalen Verkehrsbetriebe in Saarbrücken, Neunkirchen, Völklingen und Saarlouis praktisch einstimmig einen unbefristeten Streik gegen schlechte Löhne und Arbeitsstress beschlossen. Ebenso lang versucht die DGB-Gewerkschaft Verdi nun schon, den Streik zu isolieren und zu beenden. Noch vor Beginn der Urabstimmung am Mittwoch gab die Gewerkschaft grünes Licht dafür, dass am heutigen Donnerstag die Busse wieder fahren.

Am späten Dienstagabend unterzeichnete Verdi-Verhandlungsführer Christian Umlauf den Tarifvertrag, der bis am 30. Mai 2023 laufen soll. Im Gespräch mit der Saarbrücker Zeitung entschuldigte er sich bei den Bus-Kunden dafür, dass die Streikaktion so lange gedauert habe. „Eine solche grundsätzliche Auseinandersetzung, wie sie jetzt an der Saar stattgefunden habe, komme nur alle 20 bis 30Jahre vor“, zitiert ihn die Zeitung.

Der neue Vertrag sei ein „großer Erfolg für die Busfahrer“, so Umlauf. Doch diese Aussage ist weit von der Wirklichkeit entfernt. Der Vertrag beinhaltet lediglich kleinere finanzielle Verbesserungen: Für Juni, Juli, August und September 2019 soll im Ganzen eine Einmalzahlung von 500 Euro erfolgen. Ab Oktober 2019 ist eine Tariferhöhung von 127 Euro brutto monatlich vorgesehen, die sich jährlich um weitere hundert Euro erhöht, bis der Lohnzuwachs in vier Jahren 430 Euro brutto beträgt. Das Einstiegsgehalt soll rückwirkend ab dem 1. Juni 2019 bei 2500 Euro brutto liegen. Auch die Auszubildenden erhalten eine Einmalzahlung von 200 Euro, ihre Vergütung steigt im ersten Jahr um hundert, in den Folgejahren um je weitere 70 Euro monatlich an.

Die sofortige Einmalzahlung von 500 Euro war vermutlich als Zuckerchen gedacht, um die notwendige Zustimmung von 25 Prozent der Verdi-Mitglieder zu erreichen. Tatsächlich steht dieses Geld den Busfahrern schon seit Monaten zu. Es kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Einstiegslohn, den viele erhalten, auch in Zukunft netto deutlich unter 2000 Euro liegen wird. Das war definitiv nicht das Ergebnis, für das die Fahrerinnen und Fahrer vor drei Wochen zu fast hundert Prozent für einen unbefristeten Streik gestimmt hatten.

Viele saarländische Busfahrer gingen davon aus, dass sie bei diesem Streik eine wirkliche Änderung ihrer Bedingungen erkämpfen würden. Warum ein Nettolohn von weniger als 2000 Euro zum Leben einfach nicht ausreicht, besonders wenn man Familie und mehrere Kinder hat, erklärte vor kurzem ein hessischer Busfahrer der World Socialist Web Site.

Er rechnete vor, dass zur Monatsmiete noch Strom-, Heiz- und weitere Nebenkosten hinzukommen. Dazu müssen „Telefon, Kindergartengeld und bestimmt tausend Euro im Jahr für Autosteuern und -Versicherung, das Benzin nicht einberechnet“, veranschlagt werden. Einen PKW brauche praktisch jeder Fahrer, da sie frühmorgens als erste zum Depot kommen und alle andern fahren müssen.

Am Streikposten in Saarbrücken sagten Streikende, sie seien einfach nicht mehr bereit, für das sprichwörtliche „Appel und Ei“-Gehalt zu arbeiten, weil sie das als unfair empfänden angesichts der enormen Belastung, der langen Arbeits- und unbezahlten Wendezeiten, ganz zu schweigen von den Herausforderungen, die sie täglich im Berufsverkehr meistern müssen. Ein saarländischer Busfahrer sagte der WSWS: „Jetzt halten wir durch, und wenn es bis Weihnachten dauert, und auch wenn wir dann Plätzchen backen.“

Aber das war nicht im Sinne der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. „Man kriegt nicht immer, was man will“, so Verhandlungsführer Umlauf schon letzte Woche zu den Streikenden; man dürfe den Streik nicht „ewig in die Länge ziehen“. Die Sorge der Funktionäre in der Gewerkschaftszentrale ging vor allem dahin, eine Ausweitung des Streiks auf andere Teile der Arbeiterklasse zu verhindern. So weigerte sich Verdi von Anfang an, den Streik auszuweiten, obwohl offensichtlich immer größere Teile der Arbeiterklasse kampfbereit sind.

In der gleichen Woche, als der Busstreik begann, demonstrierten mehrere tausend Stahlarbeiter, die wie die Gießereiarbeiter der ehemaligen Neue Halberg Guss akut von Massenentlassungen bedroht sind. Stahlarbeiter von Saarstahl-Völklingen und Dillinger Hütte nahmen sogar an den Demonstrationen der Busfahrer teil. Gleichzeitig streikten auch jenseits der französischen Grenze Eisenbahner gegen die Angriffe der Macron-Regierung. Weltweit ist ein Wiederaufleben von Arbeiterkämpfen zu beobachten. In den USA streiken 48.000 General Motors-Arbeiter seit einem Monat, und auch amerikanische Grubenarbeiter und Lehrer haben Arbeitskämpfe aufgenommen.

Verdi verhinderte auch ein Übergreifen auf andere Beschäftigte der vieltausendköpfigen kommunalen Betriebe im Saarland. Die Gewerkschaft trennte die Busfahrer der kommunalen Verkehrsbetriebe von denjenigen der privaten Omnibusunternehmer, die in vielen Fällen sogar als Subunternehmer für die gleichen Verkehrsbetriebe fahren. Dies führte zwangsläufig zu einer Situation, wo die Busfahrer der privaten Unternehmer als Streikbrecher missbraucht wurden. Obwohl die Streikenden dies verhindern wollten, indem sie einen Bus quer vor die Ausfahrt des Busdepots stellten, sabotierte die Streikleitung diese Aktion und sorgte dafür, dass die Streikbrecherbusse den Hof verlassen konnten.

Diese Politik der Gewerkschaftsführung führte zweifellos zu Frustration. Laut Verdi-Zentrale sollen am gestrigen Mittwoch 50,1 Prozent ihrer Mitglieder unter den Busfahrern dem Verhandlungsergebnis zugestimmt haben. Frustration und Wut werden noch steigen, wenn wahr wird, was die Verhandlungsführerin der Arbeitgeber, Barbara Beckmann-Roh, im Gespräch mit der Saarbrücker Zeitung androhte: Die kommunalen Busbetriebe könnten die Mehrkosten auf die Fahrpreise umwälzen.

Die World Socialist Web Site und die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP), die der Vierten Internationale angehört, kämpfen seit langem dafür, dass nicht nur die Busfahrer, sondern alle Arbeiter sich unabhängig von den Gewerkschaften organisieren. Wie der jüngste Ausverkauf im Saarland zeigt, ist ein ernsthafter Kampf gegen schlechte Löhne, Arbeitshetze und miserable Arbeitsbedingungen nicht mit, sondern nur gegen Verdi möglich. Die Busfahrer müssen die Konsequenzen daraus ziehen und von der Gewerkschaft unabhängige Aktionskomitees gründen.

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