Der G7-Gipfel, der am Wochenende in Frankreich stattfand, markiert ein neues Stadium im Zusammenbruch der kapitalistischen Nachkriegsordnung. Die imperialistischen Großmächte werden in eine Reihe von Konflikten verwickelt, die denjenigen ähneln, die vor 80 Jahren zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs führten.
Die G7 wurde 1975 gegründet, um angesichts der bis dahin schwersten Rezession der kapitalistischen Weltwirtschaft seit der Großen Depression der 1930er eine internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit und Koordination aufzubauen.
Heute ist die Lage viel ernster. Die Weltwirtschaft wird von einem ausufernden Handelskrieg und wachsenden Anzeichen einer Rezession zerrüttet, während sich die Sorgen wegen der Instabilität des internationalen Finanzsystems mehren. Doch bereits an der Diskussion über diese Themen entzünden sich Konflikte.
Noch bevor das Treffen begonnen hatte, kritisierten Vertreter der Trump-Regierung die Tagesordnung, die der französische Präsident Emmanuel Macron als Gastgeber des diesjährigen Treffens entworfen hatte. Sie erklärten, das Treffen sei schwerpunktmäßig auf „Nischenthemen“ wie den Klimawandel und die Entwicklungen in Afrika ausgelegt, um „die G7 zu spalten“, die USA zu isolieren und an Macrons Wähler zu appellieren.
Der Direktor des Nationalen Wirtschaftsrats des Weißen Hauses, Larry Kudlow, erklärte in einer Kolumne im Wall Street Journal, eine formelle Sitzung über Wirtschaft und Handel sei erst in letzter Minute auf Antrag der USA auf die Tagesordnung gesetzt worden. Macrons Tagesordnung sei darauf ausgelegt gewesen, „politisch korrekte Plattitüden“ zu produzieren.
Die Verhältnisse sind so angespannt, dass Macron im Vorfeld des Gipfels erklärte, die Diskussionen würden dieses Jahr nicht, wie bisher üblich, in einer formellen Erklärung zusammengefasst werden. Er erklärte, niemand würde diese Erklärungen beachten und sie nur lesen, um die unterschiedlichen Standpunkte zu identifizieren.
Während Trump seine Abreise zum Gipfel vorbereitete, verschärfte er diese Spannungen mit der Ankündigung, seine Regierung werde die Zölle gegen China erhöhen. Er befahl außerdem den „großen amerikanischen Konzernen, sofort nach einer Alternative zu China zu suchen“.
Dieser „Befehl“ wurde weitgehend als ein Beispiel für die Selbstüberschätzung des Präsidenten abgetan und von den US-Medien sowie dem politischen Establishment lächerlich gemacht. Sie behaupteten, er habe nicht die Befugnis, eine solche Richtlinie durchzusetzen, da diese nur in Kriegszeiten erlassen werden könne.
Darauf antwortete Trump, er besitze diese Befugnis.
Er twitterte: „An alle Fake-News-Reporter, die keine Ahnung haben, wie das Gesetz in Bezug auf die präsidialen Vollmachten aussieht, China etc.: Sehen Sie sich den [International] Economic Powers Act [IEEPA] von 1977 an. Basta.“
US-Finanzminister Steven Mnuchin erklärte in der Sendung „Fox News Sunday“, Trump habe durch den IEEPA die Befugnis, amerikanische Unternehmen zum Rückzug aus China zu zwingen, wenn er den Notstand ausruft. Dieser Position schloss sich Kudlow in einem Interview in der CNN-Sendung „State of the Union“ an, erklärte aber, „momentan sagen die Karten nicht“, dass er dies vorhat.
Allerdings wurde die Anwendung des IEEPA, das als die „nukleare Option“ bezeichnet wird, bereits in Erwägung gezogen. Trump hatte damit im Mai gedroht, als seine Regierung erklärte, sie werde Zölle gegen Mexiko verhängen, wenn das Land nichts unternimmt, um den Strom von Immigranten und Flüchtlingen in die USA aufzuhalten.
Am Sonntagmorgen behauptete Trump, er sei dabei, in Bezug auf die Verhängung von Zöllen gegen China „seine Meinung zu ändern“. Diese Äußerung wurde so ausgelegt, dass er die Eskalation von letzter Woche bereut. Ein Sprecher des Weißen Hauses zerstörte diese Hoffnung jedoch rasch wieder und erklärte, die Antwort des Präsidenten auf eine Frage sei „erheblich fehlinterpretiert“ worden.
Der Sprecher erklärte: „Präsident Trump hat die Frage bejaht, weil er es bereut, dass er die Zölle nicht noch stärker angehoben hat.“
China ist nicht das einzige Ziel der US-Handelskriegsmaßnahmen. Trump warnte Frankreich, wenn es die geplante Steuer auf US-Technologiekonzerne einführt, würden die USA Steuern auf französischen Wein erheben, „wie es sie noch nie zuvor gegeben hat“. EU-Ratspräsident Donald Tusk, der an den G7-Verhandungen teilnimmt, kündigte an, die EU würde „in gleicher Weise“ reagieren, sollte Trump seine Drohung wahr machen.
Zudem besteht weiterhin die Gefahr, dass die USA unter dem Vorwand der „nationalen Sicherheit“ Zölle auf europäische Autoexporte einführen, wenn die EU keine Zugeständnisse bei US-Agrarexporten macht. Dieses Thema steht zwar zurzeit nicht auf der Tagesordnung, könnte aber bald in den Fokus rücken, da die USA den Druck auf die EU erhöhen. Im Vorfeld des Gipfels hatten die USA ein Teil-Handelsabkommen mit Japan abgeschlossen, dem auf gleiche Weise gedroht worden war.
In den Konflikten stehen sich nicht nur die USA und andere G7-Staaten gegenüber. Der britische Premierminister Boris Johnson versucht, Großbritannien auf die USA auszurichten, während sich der Konflikt mit der EU um die Bedingungen des Brexit verschärft. Johnson hat angedroht, Großbritannien werde einen Großteil der 39 Milliarden Pfund, die es der EU aufgrund des Austritts schuldet, nicht bezahlen.
Auch innerhalb der Europäischen Union bestehen Spaltungen. Diese traten zutage, nachdem Macron gedroht hatte, Frankreich werde die Unterschrift unter ein Handelsabkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten (Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay) verweigern. Als Grund nannte er die angebliche Weigerung des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro, etwas gegen die Waldbrände am Amazonas zu unternehmen. Macron warf Bolsonaro war, er würde in der Frage lügen.
Doch Frankreichs Entscheidung stieß auf Widerstand aus Deutschland, dessen Autokonzerne sich von dem Abkommen Profite versprechen. Es muss jedoch zunächst noch von den Parlamenten der EU ratifiziert werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte, das Handelsabkommen nicht abzuschließen sei keine angemessene Antwort auf die gegenwärtigen Ereignisse in Brasilien.
Tusk erklärte über den Zustand der internationalen Beziehungen auf dem gerade beginnenden Gipfel, es werde „ein schwieriger Test der Einheit und Solidarität der freien Welt und ihrer Führer.“
„Die letzten Jahre haben gezeigt, dass es für uns alle immer schwieriger wird, eine gemeinsame Sprache zu finden, genau dann, wenn die Welt unsere Zusammenarbeit mehr und nicht weniger braucht. Dies könnte die letzte Chance sein, unsere politische Gemeinschaft wiederherzustellen.“
Das gesamte Gipfeltreffen deutet darauf hin, dass dieser „Test“ gescheitert ist. Trump spielt zwar die Hauptrolle, aber er ist nur die wahnsinnigste Personifizierung der internationalen Kräfte, die, wie schon in den 1930ern, den Ausbruch von Konflikten von jedem gegen jeden und die Entstehung von rivalisierenden Lagern der Großmächte befeuern.
Am Mittwochabend wies Macron während einer zweieinhalbstündigen Pressekonferenz auf die zunehmende Krisenstimmung hin, unter der der Gipfel abgehalten wurde: „Wir erleben eine absolut historische Periode unserer internationalen Ordnung.“ Es gebe eine „tiefe Krise der repräsentativen Demokratie“ und eine „Krise der Ungleichheit, die die Krise des modernen Kapitalismus ist“.
Doch der französische Präsident konnte keine Lösungen anbieten. Stattdessen konzentrierte er sich auf die Notwendigkeit, die Stärke Europas und Frankreichs geltend zu machen. Er erklärte, die globale Ordnung sei im Wandel und der Welt drohe eine „Bipolarisierung zwischen den USA und China“, bei der den anderen der „Verlust der Souveränität“ und die Entwicklung zu „Vasallen“ einer der beiden Mächte drohe. Weiter erklärte er: „Das will ich weder für Europa noch für Frankreich.“
Seine Äußerungen und die Ereignisse auf dem Gipfeltreffen zeigen, wie weit und wie schnell sich die globalen Spannungen und Rivalitäten auf den Ausbruch eines neuen Flächenbrands zubewegt haben; einem Flächenbrand, der sogar noch den in den Schatten stellen könnte, der vor 80 Jahren ausbrach.