Die folgende Erklärung erschien ursprünglich am 8. Juni 1989, nur vier Tage nach dem brutalen Militäreinsatz der chinesischen Regierung gegen Studenten und Arbeiter auf dem Tiananmen-Platz.
1. Das Internationale Komitee der Vierten Internationale und die Workers League erklären ihre unerschütterliche Solidarität mit den Arbeitern und Studenten in China, die zu einem Kampf auf Leben und Tod gegen das Mörderregime der Pekinger Stalinisten angetreten sind. Das blutige Massaker auf dem Tiananmen hat – wie diejenigen in Berlin 1953, Budapest 1956 und Gdansk 1970 – aufs Neue die konterrevolutionäre Niedertracht des Stalinismus gezeigt, des hinterhältigsten und übelsten Feindes des Sozialismus und der Arbeiterklasse.
Eine Terrorherrschaft ist über Peking verhängt worden. Soldaten und Geheimpolizisten durchkämmen die Stadt auf der Suche nach Arbeitern und Studenten, die sich an den Massenprotesten der letzten zwei Monate beteiligt haben. Berichte sprechen von neugeschaffenen Masseninternierungslagern und geplanten Massenhinrichtungen des Regimes. Aber trotz dieses ungehemmten Terrors ist das stalinistische Regime nicht in der Lage gewesen, die das Land überflutende Massenbewegung niederzuschlagen. Noch am Donnerstag, den 8. Juni, wurden aus dutzenden Städten Demonstrationen und andere Formen des Massenprotestes gemeldet. Schanghai wurde von den größten Demonstrationen seit vierzig Jahren erschüttert. Die Industrieproduktion ist lahmgelegt, und laut Angaben der Behörden befindet sich die Wirtschaft der Stadt kurz vor dem Zusammenbruch. An über 100 Straßenkreuzungen wurden Barrikaden errichtet. In Nanking am Yangtse demonstrieren Studenten und Arbeiter und blockieren die wichtigsten Verkehrssysteme.
Aus Chengdu, der Hauptstadt der Provinz Szechuan, kommen Berichte über Zusammenstöße zwischen der aufgebrachten Menge und der Polizei. Laut Meldungen der Nachrichtenagentur Agence France-Presse ist das Kriegsrecht verhängt und sind mehr als 300 Menschen von der Armee ermordet worden. Kanton im Süden ist völlig lahmgelegt. In Wuhan wird die wichtigste Eisenbahnlinie zwischen Chinas Norden und Süden von über 10.000 Arbeitern und Studenten blockiert. Die Zugänge zur Stadt Xian, die in der nordwestlich gelegenen Provinz Shaanxi liegt, sind von mehr als 100 000 Arbeitern und Studenten versperrt. Die Industrie ist Berichten zufolge durch Streiks gelähmt. Auch aus den Städten Harbin, Changchun, Dalian, Qingdao, Loyang, Tianjin und anderen werden Massenproteste gemeldet.
2. Deng Xiaoping, Li Peng und Konsorten in der Bürokratie beschimpfen, während ihre Hände von Blut triefen, ihre Opfer als „Konterrevolutionäre“. Was für eine nichtswürdige und schreiende Lüge! Der Stalinismus bezeichnet jeden so, der sich den Privilegien der Bürokratie und ihrem Verrat an der chinesischen Revolution und der Sache des internationalen Sozialismus entgegenstellt.
Die Massenmorde der vergangenen Woche sind in Wirklichkeit der politische Höhepunkt der systematischen Versuche der Pekinger Stalinisten in den letzten zehn Jahren, den Kapitalismus in China zu restaurieren und seine Wirtschaft wieder in die Struktur des Weltimperialismus zu integrieren. Der Hauptzweck des Terrors, den das Regime in Peking entfesselt hat, besteht darin, die chinesischen Massen einzuschüchtern und jede Opposition gegen die bewusste Zerstörung der sozialen Errungenschaften der chinesischen Revolution niederzuschlagen.
Das ist der Grund, weshalb der amerikanische Präsident George Bush zwar einige Krokodilstränen für die Opfer auf dem Tiananmen vergoss, jedoch seinen Pekinger Verbündeten unmissverständlich zusicherte, dass der amerikanische Imperialismus entschlossen sei, seine „strategische“ Beziehung zu China aufrechtzuerhalten. Seit Mao Zedong und Zhou Enlai im Jahr 1972 – auf dem Höhepunkt der Bombardierung Nordvietnams – Präsident Richard Nixon in Peking empfingen, ist China unter den größten Handelspartnern der USA an die dreizehnte Stelle aufgerückt (1988 mit 14,3 Milliarden Dollar, 37 % mehr als 1987). Es ist eine wichtige Quelle billiger Arbeitskräfte für amerikanische und andere ausländische multinationale Konzerne. Momentan betreiben 450 amerikanische Unternehmen – darunter die Bechtel-Gruppe, IBM, McDonnell Douglas, General Electric, Chrysler und AT&T in verschiedenen Formen Technologietransfer, Gemeinschaftsunternehmen oder Gemeinschaftsproduktionen in China. Allein im Jahr 1988 haben Investoren aus den USA Verträge über 269 Projekte im Gesamtwert von 370 Millionen Dollar unterzeichnet.
Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen dem europäischen und japanischen Imperialismus und China sind nicht weniger eng. Japan ist Chinas wichtigste private und staatliche Kreditquelle und sein zweitgrößter Handelspartner nach Hongkong. Was Europa betrifft, so ist das Gesamthandelsvolumen zwischen China und der Europäischen Gemeinschaft von 3 Milliarden Dollar im Jahr 1978 auf 12 Milliarden im vergangenen Jahr angewachsen. Ein hoher Vertreter der Westdeutschen Landesbank prahlte vor kurzem, China löse jetzt Südkorea und Taiwan als Bezugsquelle billiger Importwaren für Deutschland ab. Dies sind die Interessen, für die das Weiße Haus sprach, als es erklärte: „Die Welt hat ein Interesse an Chinas wirtschaftlichem Fortschritt, nationaler Sicherheit und politischen Reformen, die zweifellos die Verwirklichung dieser Ziele fördern werden.“
3. Seit den blutigen letzten Tagen des Regimes von Chiang Kai-shek ist keine solche Brutalität mehr gegen die chinesischen Massen entfesselt worden. Das Blutbad auf dem Tiananmen und der darauffolgende weiße Terror werden in ihrem kollektiven Bewusstsein weiterleben, noch lange nachdem die Verbrechen der letzten Woche gerächt sein werden. Wir wollen einige Berichte zitieren, die in der Presse erschienen sind:
* „Vor diesem letzten Angriff hatten die Soldaten eine Kette um den Tiananmen gebildet. Ihre Gesichter waren von dem Platz abgewendet. Die Studenten und andere Einwohner bildeten ebenfalls eine Kette, und zwar etwa 270 Meter östlich davon auf dem Changan-Boulevard. Sie waren den Soldaten zugewandt.
Die Soldaten sangen Armeelieder. Die Studenten sangen die Nationalhymne und die Internationale. Zwischen den Liedern verhöhnten sie einander mit Parolen und Beschimpfungen...
Später schilderte ein chinesischer Militärarzt einen Teil der Ereignisse:
Ein junger Mann wurde erschossen. Seine Freundin wandte sich den Soldaten zu und schrie: ‚Warum?‘ Sie wurde in den Kopf geschossen.
,Die Soldaten hatten nicht erwartet, dass die Studenten so tapfer sein würden‘, sagte der Arzt. ,Und die Studenten hatten nicht erwartet, dass die Soldaten so brutal sein würden.‘
Der Arzt berichtet, dass Panzer unaufhörlich die Zelte und Menschen niedergewalzt hätten. Ihnen seien Straßenkehrmaschinen und Müllwagen gefolgt. Schließlich, so der Arzt, wurde die Masse zerquetschter Körper mit Benzin übergossen und angezündet.“ (Detroit Free Press, 5. Juni 1989)
* Nach dem Massaker berichtete ein Zeuge aus dem Fu-Xing-Krankenhaus, dass „das Blut in den Gängen steht. Das jüngste Todesopfer ist sieben Jahre alt. Der jüngste Verwundete ist drei Jahre alt. Die Mörder sind die 27. Armee. Während sie auf die Menschen schossen, lachten sie und schrien ihnen zu: .Pekinger, zeigt, was in euch steckt!‘“ (Windsor Star, 6. Juni 1989)
* „Noch nach Tagesanbruch am Sonntag, berichteten Zeugen, hätten die Soldaten Studenten und Arbeiter geschlagen und mit Bajonetten misshandelt. Für gewöhnlich ging eine Provokation voraus, aber manchmal geschah es auch völlig willkürlich.
,Ich sah, wie eine junge Frau den Soldaten erklärte, sie seien die Volksarmee und dürften das Volk nicht verletzen‘, sagte ein junger Arzt, als er von einem solchen Zusammenstoß am Sonntag zurückkehrte. ,Da schossen die Soldaten auf sie, rannten auf sie zu und stachen mit den Bajonetten auf sie ein. Ich rannte weg und konnte nicht feststellen, ob sie überlebte oder starb.‘“ (New York Times, 5. Juni 1989).
* „Ein Konvoi aus fünf Panzern und 22 gepanzerten, mit Soldaten besetzten Armeefahrzeugen ist heute am frühen Morgen die zentrale Changai-Straße entlang gedonnert. Beide Straßenseiten wurden mit Kugeln übersät. Ein Fahrzeug richtete sein Gewehr auf das Peking-Hotel der Stadt und gab eine Salve Schüsse ab. Ein ausländischer Zeuge sah mindestens 50 Tote auf dem Gehweg liegen...
Protestierende zeigten grässliche Beweise für das Blutvergießen, darunter enthauptete Leichen...
Ein Lehrer des Pekinger Fremdspracheninstituts berichtete: ,Ein Mädchen in der Menge hörte, dass ihr jüngerer Bruder getötet worden war, verlor die Fassung und rannte auf die Soldaten zu. Wir versuchten sie aufzuhalten, aber die Truppen eröffneten das Feuer. Sie schossen sieben Mal auf sie, selbst als sie nur noch kroch‘...
,Die Leute sind in den Kopf, die Brust, den Magen, die Beine, selbst in die Augen geschossen worden', sagte eine Krankenschwester, die einem 27-jährigen Studenten, dessen Wade zerschmettert war, eine Spritze gab.
,Die Regierung ist so bankrott‘, sagte der Student, dessen Hemd mit dem Blut eines anderen Jugendlichen getränkt war, der neben ihm in den Kopf geschossen worden war. ,Es ist ihr egal, wie viele Menschen gestorben sind...‘
Ein Arzt sagte, er habe den Körper eines Mannes Mitte zwanzig eingeliefert bekommen, der mit den Metallketten erwürgt worden war, die die Soldaten zur Bändigung der Massen in ihren Helmen versteckt hatten. ,Es ist einfach widerwärtig, wie weit sie gegangen sind‘, sagte er.“ (Detroit News, 5. Juni 1989)
* „Wieder und wieder, berichten die Bewohner Pekings – und ausländische Zeugen bestätigen dies – feuerten die Maschinengewehre einfach los, wenn von den Panzern aus irgendwo eine Menschenansammlung sichtbar wurde. Und es geschah nicht selten, wie mindestens ein japanischer Zeuge berichtet, dass die Kolonnen anhielten, Benzin über die Leichen gossen, sie anzündeten und weiterzogen, nachdem sie jeden Beweis für ihr Verbrechen vernichtet hatten.“ (New York Times, 6. Juni 1989)
* „Li Tiengo, ein Veteran der Volksbefreiungsarmee, berichtete, wie er in der Nähe des Platzes Soldaten sah, die ein 12-jähriges Mädchen in die Brust traten und ihr das Herz zerquetschten.
,Sie haben einfach immer weiter auf sie eingetreten, und sie starb auf der mir gegenüberliegenden Straßenseite. Wir wollten ihren Körper wegschleifen, aber sie schossen auf uns‘, sagte er.“ (Wall Street Journal, 6. Juni 1989)
4. Unabhängig von dem unmittelbaren Ausgang des gegenwärtigen Stadiums der Krise hat das Massaker auf dem Tiananmen die politische Revolution in China nicht beendet. Die Revolution, die jetzt ihre Bluttaufe erfahren hat, wird in eine neue und politisch bewusstere Entwicklungsstufe eintreten. Die naiven Illusionen, das stalinistische Regime könne unter dem Druck des Massenprotestes reformiert werden, sind zerschlagen worden. Die tragischen Ereignisse der vergangenen Woche haben mit großem Nachdruck bestätigt, worauf die Vierte Internationale stets beharrt hat: die Notwendigkeit des revolutionären Sturzes der stalinistischen Bürokratie durch die Arbeiterklasse.
Leo Trotzki, der Gründer der Vierten Internationale, schrieb dazu vor mehr als fünfzig Jahren: „Alles deutet darauf hin, dass es im weiteren Verlauf der Entwicklung unvermeidlich zum Zusammenstoß der kulturell gewachsenen Kräfte des Volkes mit der bürokratischen Oligarchie kommen muss. Einen friedlichen Ausweg aus der Krise gibt es nicht. Kein Teufel hat jemals freiwillig seine Krallen beschnitten. Die Sowjetbürokratie wird ihre Positionen nicht freiwillig aufgeben. Die Entwicklung führt eindeutig auf den Weg der Revolution.“ (Verratene Revolution, Dortmund 1979, S. 279)
5. Als diese Worte geschrieben wurden, galten sie dem stalinistischen Regime in der UdSSR. Aber sie gelten heute nicht weniger für die stalinistischen Regimes in China, Südostasien und Osteuropa. Niemals zuvor hat die Perspektive der politischen Revolution eine solche Dringlichkeit gewonnen wie heute. In den letzten Stadien ihrer Todesagonie haben sämtliche stalinistischen Regimes die Restauration des Kapitalismus ins Auge gefasst. Seit Jahrzehnten haben die parasitären Bürokratien, deren Hauptsorge der Verteidigung ihrer Privilegien gilt, den Aufbau einer wirklichen, wissenschaftlichen sozialistischen Planung verhindert – die sich ohnehin nur auf der Grundlage eines internationalen revolutionären Programms entwickeln kann. Heute, wo sie mit dem Zusammenbruch ihrer reaktionären, nationalen wirtschaftlichen Machenschaften und einer erwachten Arbeiterklasse konfrontiert sind, versuchen die Stalinisten ihre eigenen Interessen auf der Grundlage von kapitalistischem Eigentum und durch engste Verbindungen mit dem Weltimperialismus zu lösen. Sie zerstören rücksichtslos die staatseigene Industrie und Landwirtschaft, ändern die Gesetze zu Gunsten der Zulassung von Privateigentum an den Produktionsmitteln, fördern das Zustandekommen direkter Verbindungen zwischen privaten „Kooperativen“ und imperialistischen Unternehmen und stellen in Form der Sonderwirtschaftszonen den imperialistischen multinationalen Konzernen ganze Regionen zur ungehinderten Ausbeutung zur Verfügung.
Die Imperialisten verstehen die Bedeutung der Politik, die jetzt von den Stalinisten eingeführt wird, sehr gut. Die Londoner Financial Times äußerte folgende Einschätzung über das Programm der polnischen Stalinisten: „Die letzte Aufgabe, die sich die Polnische Vereinigte Arbeiterpartei gestellt hat, ist die Sicherstellung des Kapitalismus in Polen gegen die von der Führung des Landes befürchteten gewalttätigen Einwände seiner Bewohner... Herr Wladislaw Baka, das für Wirtschaftsfragen zuständige Politbüromitglied, klagt, dass die gelenkte Wirtschaft zwar weitgehend aufgegeben worden sei, ,die Marktmechanismen aber auch noch nicht vollständig funktionieren. Die Frage ist, ob wir dieses Problem lösen oder zurückfallen. Der politische Wille der Partei ist von großer Wichtigkeit, um diese Umwandlung zur Marktwirtschaft herbeizuführen.‘“
6. Dieser Hinweis auf die „gewalttätigen Einwände“ der polnischen Bevölkerung zeigt das klare Bewusstsein der Imperialisten und ihrer stalinistischen Agenten, dass die Restauration des Kapitalismus nicht möglich ist ohne die gewaltsame konterrevolutionäre Niederschlagung der Arbeiterklasse. Das steht hinter der nur mit dem Faschismus zu vergleichenden Brutalität der Pekinger Bürokraten gegen die unbewaffnete Bevölkerung. Die Folge einer entscheidenden Niederlage des chinesischen Proletariats gegen das stalinistische Regime– die bei Weitem noch nicht stattgefunden hat– wäre die völlige Liquidierung aller verbliebenen sozialen Errungenschaften der chinesischen Revolution und die ungehemmte Reorganisierung der Wirtschaft auf neuen kapitalistischen Grundlagen. Das Regime, unter dem eine solche konterrevolutionäre Umwandlung stattfinden würde, müsste notwendigerweise einen faschistischen Charakter tragen. Die Merkmale eines solchen Regimes sind in ihrer Keimform in dem heutigen Militärterror über Peking bereits sichtbar.
Ein akkurater bürgerlicher Kommentator berichtete aus Peking, die alternden stalinistischen Führer hätten ihm von ihren Plänen für China berichtet: „In letzter Zeit haben sie viel über das ,Modell Südkorea‘ gesprochen, über eine unnachgiebige Diktatur, effiziente, profitable Niedriglöhne, nach oben hin offen – ein Ort der Hochtechnologie und hohen Produktion. Hier liegt, so sagen einige, der Weg für China... Und sie haben bereits eine Ideologie für das südkoreanische Modell gebastelt. Sie nennen es Autoritarismus.“ (New York Times, 6. Juni 1989)
7. Die Propagandisten der Bourgeoisie nennen die Verbrechen des Pekinger Regimes ein Werk des „Kommunismus“. Sie folgen damit ihrer jahrzehntelang geübten Praxis, den Stalinismus gleichzusetzen mit seinem unversöhnlichsten Gegner, dem revolutionären Marxismus. Aber nie zuvor war diese Gleichsetzung von Stalinismus mit Marxismus, Sozialismus und Kommunismus durchsichtiger zynisch, heuchlerisch und unaufrichtig. Die wirtschaftlichen, politischen und militärischen Beziehungen zwischen dem Pekinger Regime und dem amerikanischen Imperialismus sind so eng, dass sie einfach nicht vertuscht werden können.
Und tatsächlich haben die militärischen Architekten des Terrors in Peking eng mit ihren imperialistischen Kollegen zusammengearbeitet. Die New York Times berichtete: „Sämtliche hohen Offiziere Chinas haben ausgiebigen Kontakt zum amerikanischen Militär gehabt, und die vielversprechendsten seiner Obersten haben Kurse auf amerikanischen Militärschulen besucht. Das neue militärische Denken in China gründet sich auf das amerikanische Modell, und Chinas Modernisierungsprogramm stützt sich weitgehend auf amerikanische Technologie und Ausrüstung.“ (6. Juni 1989)
8. Zudem ist die soziale Katastrophe in China ein direktes Ergebnis der Restaurationspolitik der Bürokratie. Nach der Zurückweisung der zentralen Planung ist die chinesische Wirtschaft den anarchischen Kräften des Weltmarkts ausgeliefert. Die Schaffung zahlloser privater Verbindungen zwischen provinziellen Unternehmen und ausländischen Kapitalisten hat das untergraben, was als die größte Errungenschaft der Revolution von 1949 angesehen worden war – die Einigung Chinas. Während die aufkommenden kapitalistischen Unternehmer in den Provinzbürokratien ihre eigenen Geschäfte mit imperialistischen Multis machen, hat die Zentralregierung die Kontrolle über die Zahlungsbilanz des Landes praktisch verloren. Die Auslandsverschuldung hat sich in den letzten vier Jahren verdoppelt und beträgt jetzt beinahe 40 Milliarden Dollar. Die Inflation ist außer Kontrolle. Im vergangenen Jahr stiegen die Lebenshaltungskosten um durchschnittlich 18,5%. Diesen Januar waren es aufs Jahr umgerechnet 27,4%, und im Februar 28,4%. Die verzweifelten Versuche der Bürokratie, die Inflation mit neuen Kürzungen in Griff zu bekommen, haben die gesellschaftlichen Lebensbedingungen der Arbeiterklasse weiter verschlechtert. Selbst in den vielgepriesenen Sonderwirtschaftszonen leben die arbeitenden Massen unter unbeschreiblichen Bedingungen. Wir zitieren aus dem offiziellen „China Trade Report“ vom April 1989:
„In Guangdong herrscht Chaos. Die Infrastruktur und Nahrungsmittelversorgung reichen nicht mehr aus für die hereinströmenden Menschen, die nun seit mehreren Jahren in den aufblühenden weiterverarbeitenden Fabriken beschäftigt werden, Bauarbeiten durchführen, die von den Einheimischen als unter ihrer Würde liegend betrachtet werden, und kleinen illegalen Nebenjobs nachgehen...
Mit dem Beginn des jetzigen Kürzungsprogramms wurde dieses Problem besonders scharf. Das Einfrieren der Kredite und der Mangel an Rohmaterialien hat bedeutet, dass viele Fabriken nur drei Tage die Woche arbeiten konnten. Die 50%ige Produktionskürzung hat auch den Arbeitskräftebedarf der Provinz eingeschränkt. Viele, die auf der Suche nach Reichtum gekommen waren, enden als Bettler, Hausierer oder sogar Prostituierte und leben in Slums außerhalb der Städte, besonders in Kanton.“
9. Während die Wirtschaftspolitik der Bürokratie verheerende Auswirkungen auf die Lebensbedingungen der Arbeiterklasse, der Studenten und Millionen armer Bauern hatte, führte sie direkt zur Bereicherung einer breiten Schicht der Bürokratie. Die Korruption, die von den Arbeitern und Studenten so heftig verurteilt worden ist, ist ein äußeres Anzeichen des gesellschaftlichen Prozesses, mit dem sich Bürokraten und ihre Familienmitglieder in kapitalistische Unternehmer und Mittelsmänner verwandeln. Deng Pufang, der Sohn Deng Xiaopings, der die „Entwicklungsgesellschaft Kanghua“ besitzt, ist nur der klarste Vertreter dieser Tendenz.
Schätzungen zufolge verfügen 10.000 Unternehmen über, wie die in London erscheinende Zeitung The Economist es nennt, „privilegierte Verbindungen zu Parteibürokraten. 134 von ihnen rühmen sich, dass hochrangige Offizielle – Minister oder ähnliches – auf ihrer Gehaltsliste stehen.“ Sie dienen diesen Unternehmen – die sich häufig im Besitz ihrer Verwandten befinden –, indem sie ihnen Waren zu den staatlich subventionierten niedrigen Preisen beschaffen, die dann auf dem Weltmarkt mit enormem Profit verkauft werden. Solche „illegalen“ Verkäufe von Düngemitteln haben diesen sozialen Parasiten allein im letzten Jahr umgerechnet rund 12 Millionen Dollar eingebracht. Das Ergebnis war eine Düngemittelknappheit mit verheerenden Folgen für die armen Bauern. Berichten zufolge haben Bauern zu Gewalt gegriffen, um Düngemittel für ihre Felder zu bekommen. Wie die alten Feudalherren des vorrevolutionären Chinas hat das Regime diese „plündernden“ Bauern niederschießen lassen.
Die Politik der Bürokratie hat zur Entstehung einer starken sozialen Schichtung und Ungleichheit zwischen verschiedenen Regionen geführt. In den Regionen Changjiang, Zhujiang und dem Minnan-Tal hat sie ebenso wie auf den Halbinseln Liagong und Shandong zu einer immer stärkeren Integration der Produktion in den imperialistischen Weltmarkt geführt. Das Ergebnis war, dass diese schon immer wohlhabenderen Küstenregionen von dem weniger produktiven Binnenland abgeschnitten wurden und enorme Einkommensunterschiede entstanden sind. Zum Beispiel erreichte das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen auf dem Lande in der Provinz Zhujiang im Jahr 1986 609 Yuan (290,70 Dollar), d. h. 38 % mehr als in der typischen Binnenlandprovinz Hunan und 126 % mehr als in der armen Binnenlandprovinz Gansu. Nur sechs Jahre früher waren die Einkommen in Zhujiang und Hunan identisch gewesen und hatten in Gansu nur 30% weniger betragen.
Innerhalb der Regionen und Städte sind die Unterschiede noch größer, besonders zwischen den Einkommen der Arbeiter in den staatlichen Betrieben und der wachsenden Schicht von Privateigentümern. Eine kürzlich erstellte Studie über Privatunternehmen in Peking nennt für 1987 ein durchschnittliches Nettoeinkommen von 4908 Yuan, wobei private Transportunternehmer auf durchschnittlich 9348 Yuan kamen. Das wirkliche Einkommen der Privatunternehmer wird auf mindestens das Doppelte geschätzt, weil sie stets weniger angeben, um Steuern zu umgehen.
Der Durchschnittslohn der Arbeiter in den Staatsbetrieben betrug dagegen nur 2678 Yuan.
Eine dünne Schicht der chinesischen Bevölkerung hat sich durch die Restaurationspolitik der Bürokratie bereichert, während die Mehrheit der armen Bauern, der Landarbeiter und der städtischen Arbeiterklasse erleben musste, wie ihr Reallohn ständig sank und die gesellschaftlichen Verhältnisse immer schlechter wurden. Die stalinistische Führung hat versucht, sich eine soziale Basis zu verschaffen, indem sie die Interessen dieser sozialen Schicht von Kapitalisten, privaten Geschäftsleuten und der Landbourgeoisie – mit denen des ausländischen Kapitals – gegen die Massen verteidigte.
10. In Form des Pekinger Regimes ist die chinesische Arbeiterklasse mit einer skrupellosen Agentur des Weltimperialismus konfrontiert. Nur der revolutionäre Sturz dieses Regimes durch die Arbeiterklasse kann die Restauration des Kapitalismus aufhalten und die erneute völlige Versklavung Chinas durch den Imperialismus verhindern.
Aber die Vorbereitung dieser politischen Revolution erfordert den Aufbau einer chinesischen Sektion der Vierten Internationale, die sich auf alle strategischen Lehren stützt, die die trotzkistische Bewegung – heute vertreten vom Internationalen Komitee – im Verlauf der langen Entwicklung der chinesischen Revolution gezogen hat.
11. Die Entwicklung des Pekinger Regimes ist ein vernichtendes Urteil der Geschichte über all die kleinbürgerlichen Tendenzen, die im Laufe der letzten vierzig Jahre behauptet haben, der Maoismus sei nicht nur eine progressive Variante des Stalinismus, sondern sogar eine wirkliche revolutionäre Ideologie, die den altmodischen „orthodoxen“ Marxismus von Trotzki und der Vierten Internationale überholt habe. Laut den Pablisten, den hartnäckigsten Verfechtern dieser Ansicht, hatte der Maoismus gezeigt, dass die Erringung des Sozialismus nicht vom Aufbau einer internationalen proletarischen Partei mit der Perspektive der sozialistischen Weltrevolution abhinge. Vielmehr könnten Parteien, die sich vorwiegend auf die Bauernschaft oder andere nichtproletarische Kräfte stützen, die Macht übernehmen und dann im Rahmen einer nationalen Wirtschaft die sozialistische Umwandlung der Gesellschaft vornehmen. Dieser Vorgang erfordere nicht – ja, schlösse sogar aus – die unabhängige politische Mobilisierung der Arbeiterklasse und die Schaffung ihrer eigenen Machtorgane.
12. Diese revisionistische Konzeption wurde in ihrer ausgefeiltesten Form von dem politischen Taufpaten des pablistischen Revisionismus, Isaak Deutscher vertreten. Schon 1963 schrieb er: „Erneut muss betont werden, dass Trotzkis Stärken ebenso wie seine Schwächen bis zum Schluss im klassischen Marxismus verwurzelt waren. Seine Niederlagen waren ein knapper Ausdruck des grundlegenden Schicksals, das dem Marxismus als Lehre und Bewegung eigen war – die Diskrepanz und Trennung zwischen der marxistischen Vision der revolutionären Entwicklung und dem tatsächlichen Gang des Klassenkampfs und der Revolution.“
Der Sieg Mao Zedongs, argumentierte Deutscher, setze die „klassische“, von der Vierten Internationale vertretene Auffassung über die entscheidende welthistorische Rolle des Proletariats in der sozialistischen Revolution außer Kraft. „Das Industrieproletariat war nicht die treibende Kraft des Aufstands. Maos Bauernarmeen ‚ersetzten‘ die städtischen Arbeiter und trugen die Revolution vom Land in die Stadt.“
Dieses Argument war in Wirklichkeit nichts weiter als eine raffinierte Rechtfertigung des Stalinismus im Allgemeinen und der Politik Mao Zedongs im Besonderen. Es rechtfertigte, dass die Stalinisten nach der Enthauptung der Kommunistischen Partei durch Chiang Kai-shek 1927 das chinesische Proletariat aufgaben. Aus dieser Niederlage, die das Produkt von Stalins Kollaborationspolitik mit der chinesischen Bourgeoisie war, zog Mao die „Lehre“, dass es fruchtlos wäre, die Entwicklung der revolutionären Partei auf das städtische Proletariat zu gründen. Die Kommunistische Partei sollte sich stattdessen auf eine andere gesellschaftliche Kraft stützen, nämlich auf die Bauernschaft.
13. In den folgenden Jahren orientierte sich Mao auf die Bauern hin und war gleichzeitig eifrig darauf bedacht, die von Stalin geforderte Klassenzusammenarbeit aufrechtzuerhalten. Diese beiden Elemente von Maos Politik hingen in Wirklichkeit organisch zusammen. Das von Mao vertretene Programm war nicht sozialistisch, sondern beschränkte sich auf Forderungen bürgerlich-demokratischen Charakters. Weil er bemüht war, entsprechend der stalinistischen Theorie des „Blocks der vier Klassen“ ein Bündnis mit Teilen der chinesischen Bourgeoisie aufrechtzuerhalten, schwor Mao allen wesentlich sozialistischen Zielen ab. Das war keine politische List, sondern ein getreues Abbild der kleinbürgerlichen sozialen Basis der maoistischen Partei. Noch 1945 sicherte das Programm, das Mao für eine Koalitionsregierung vorschlug, zu, dass „ordentliche Profite des Staats und privater und kooperativer Unternehmen unter vernünftiger Leitung sichergestellt werden. In dieser Weise werden Arbeit und Kapital gemeinsam für die Entwicklung der Industrieproduktion wirken.“
Erst im Oktober 1947 rief Mao endlich zum Sturz der Kuomintang-Diktatur auf und errang zwei Jahre später, als das Regime Chiang Kai-sheks unter dem Gewicht der eigenen Korruption und des Hasses der Volksmassen zerfiel, den Sieg.
Die Niederlage Chiang Kai-sheks und die Gründung der Volksrepublik waren ein enormer Schlag gegen den Weltimperialismus. Nachdem er China ein Jahrhundert lang ausgeplündert hatte, war nun ein Viertel der Menschheit seiner Ausbeutung entzogen.
Die Befreiung Chinas von direkter imperialistischer Unterdrückung und die folgende Verstaatlichung der Produktionsmittel schufen die Grundlage für ein rasches Wachstum der Produktion und für eine Kampagne zur Überwindung der Rückständigkeit, die China zu einem der ärmsten Länder der Welt gemacht hatte.
14. Aber der Staat, der aus der Revolution von 1949 hervorging, kann in keiner Weise mit dem verglichen werden, der durch die russische Revolution von 1917 geschaffen worden war. Während Mao und die Führung der KPCh behaupteten, die Arbeiterklasse zu vertreten, waren sie nicht durch eine proletarische Revolution an die Macht gekommen, sondern an der Spitze der Volksbefreiungsarmee, die überwiegend aus Bauern bestand.
Um die folgenden Kämpfe in China und besonders den heutigen machtvollen Aufstand des Proletariats gegen die Bürokratie zu verstehen, muss man den Charakter des Regimes richtig einschätzen, das aus der Revolution von 1949 hervorging.
In einem Brief an die chinesische Linke Opposition hatte Trotzki 1932 zutreffend vor den möglichen Folgen des Sieges einer solchen Bauernarmee gewarnt:
„Die kommandierende Schicht der chinesischen ,Roten Armee‘ hat sich ohne Zweifel erfolgreich die Gewohnheit zu kommandieren eingeprägt. Das Fehlen einer starken revolutionären Partei und von Massenorganisationen des Proletariats machen eine Kontrolle über die kommandierende Schicht eigentlich unmöglich. Die Kommandanten und Kommissare erscheinen als absolute Herren der Situation und werden, wenn sie Städte besetzen, eher geneigt sein, von oben auf die Arbeiter herunterzuschauen. Die Forderungen der Arbeiter werden ihnen oft ungelegen oder unvernünftig erscheinen.“ („Writings of Leon Trotsky“ 1932, S. 197)
Die Machtübernahme der maoistischen Führung hat diese Analyse vollkommen bestätigt. Die fertig vorgegebene Bürokratie, die die Volksbefreiungsarmee befehligte, konzentrierte die gesamte Macht in ihren Händen. Von Anbeginn der Revolution an war die Arbeiterklasse politisch entrechtet und wurde von einer privilegierten Bürokratie unterdrückt, die sich auf die Armee und Bauernschaft stützte und ihre eigene Macht und ihre eigenen Interessen verteidigte.
In der Periode vor Tschiangs Niederlage hatte Mao niemals zu einem revolutionären Aufstand des Proletariats aufgerufen, obwohl die Arbeiter in den Städten in Kämpfe gingen. Stattdessen hielt er seine Strategie „vom Land in die Städte“ aufrecht, d. h., dass die Bauernarmee die Arbeiterklasse befreien sollte. Dies hing unmittelbar mit der stalinistischen Perspektive der „Zwei-Stadien-Revolution“ und des „Blocks der vier Klassen“ zusammen. Mao wollte keinen Arbeiteraufstand, denn er plante eine „neue Demokratie“, einen bürgerlichen Staat im Bündnis mit Teilen des Kleinbürgertums und der nationalen Bourgeoisie. Sobald eine Stadt einmal von der Volksbefreiungsarmee erobert war, wurden Streiks und andere unabhängige Kämpfe der Arbeiter regelmäßig unterdrückt.
Maos erste Regierung, eine Koalition mit bürgerlichen und kleinbürgerlichen Elementen, entsprach der stalinistischen Konzeption eines „demokratischen Stadiums“, das mehrere Jahrzehnte lang bestehen sollte. Die Regierung verpflichtete sich zur Verteidigung des Privateigentums und sogar imperialistischer Interessen und schob eine durchgreifende Landreform hinaus.
15. Die chinesischen Trotzkisten, die dieser Politik entgegentraten und für die unabhängige Mobilisierung der Arbeiterklasse kämpften, wurden von den Maoisten zu Hunderten ermordet oder ins Gefängnis geworfen, um nie wieder zurückzukehren. Einer der wenigen Überlebenden dieser antitrotzkistischen Säuberungen hat eine Schilderung über die Arbeit der wirklichen revolutionären Führer der chinesischen Arbeiterklasse hinterlassen:
„In den dreieinhalb Jahren zwischen der kommunistischen Eroberung Schanghais im Mai 1949 und den landesweiten Verhaftungen der Trotzkisten im Dezember 1952 arbeiteten unsere Genossen in vielen verschiedenen Bereichen. Die jüngeren Mitglieder der Internationalistischen Arbeiterpartei veröffentlichten eine Zeitschrift mit dem Titel ‚Marxistische Jugend‘ und scheuten sich nie, das neue Regime wann immer nötig zu kritisieren. Viele unserer Genossen nahmen aktiv an der Landreformbewegung teil, und nicht wenige traten der Volksbefreiungsarmee bei, um bei ihren Kampagnen zur Befreiung des Rests des Landes mitzukämpfen. Diejenigen, die in der Industrie waren, führten zahlreiche Streiks gegen kapitalistische Unternehmer und forderten so die Politik der neuen Regierung heraus, die auf Zusammenarbeit zwischen den Arbeitern und den Kapitalisten ausgerichtet war. In vielen Gebieten wurden sie zu den Führern der Massen, nicht nur, weil sie unnachgiebig die Interessen der Arbeiter verteidigten, sondern auch, weil die von ihnen beeinflussten Arbeiter in dieser Periode, wo der Marxismus sehr in Mode war, tief beeindruckt waren von ihrer Beherrschung revolutionärer marxistischer Politik... Unsere Zahl und unser Einfluss wuchsen ständig in diesen dreieinhalb Jahren. Das ist der Hauptgrund, weshalb die Geheimpolizei der KPCh im Dezember 1952 schließlich die Trotzkisten im ganzen Land überfallen ließ.“ (Wang Fan-hsi, „Chinese Revolutionary“, Oxford University Press, S. 252-253)
16. In der internationalen Arena waren die Maoisten nicht daran interessiert, dem Beispiel der Oktoberrevolution von 1917 zu folgen. Im Gegensatz zu Lenin strebten sie nicht den Aufbau einer internationalen revolutionären Partei an, sondern stellten sich auf den stalinistischen Standpunkt des „Sozialismus in einem Land.“
Unter dem kombinierten Druck der wirtschaftlichen Erschütterungen nach dem Zweiten Weltkrieg, Chinas historischer Rückständigkeit, des Koreakrieges und der wirtschaftlichen Blockade des US-Imperialismus war das maoistische Regime in den frühen fünfziger Jahren gezwungen, schneller als ursprünglich geplant zur Enteignung der Kapitalisten und zur Ausweitung des verstaatlichen Wirtschaftssektors überzugehen. Die chinesische Wirtschaft entwickelte enge Verbindungen zum sowjetischen Block. Trotzdem schlugen weder Stalin noch Mao jemals die Vereinigung der beiden Staaten zu einer gemeinsamen Union Sowjetischer Sozialistischer Republiken vor. Keiner von ihnen richtete sein Handeln nach den internationalistischen Interessen des Proletariats, sondern sie folgten stets den engen nationalen Interessen der privilegierten Bürokratien, die sie vertraten.
Das ist der wirkliche Inhalt der Charakterisierung Chinas als deformierter Arbeiterstaat, mit der Betonung auf „deformiert“. Die Vierte Internationale verteidigte bedingungslos die in China geschaffenen Eigentumsverhältnisse. Gleichzeitig erkannte sie, dass die bürokratisch-deformierten Ursprünge des maoistischen Regimes das bestimmende Merkmal Chinas waren, und dass daher dessen Sturz durch die politische Revolution der einzige Weg vorwärts zum Aufbau des Sozialismus war. Dies ist untrennbar mit der Notwendigkeit verbunden, die sozialistische Weltrevolution auszudehnen. Die Politik des maoistischen Regimes war in jedem Punkt gegen sie gerichtet.
17. Chinas wirtschaftliche und politische Entwicklung ist von dem Zickzackkurs eines bonapartistischen Regimes – eines Regimes, das zwischen entgegengesetzten Klasseninteressen in China zu balancieren versuchte – bestimmt worden, das unaufhörlich von inneren Kämpfen zerrissen wurde.
Angesichts der wirtschaftlichen und kulturellen Rückständigkeit Chinas und den unlösbaren Widersprüchen, die das utopische Schema des „Sozialismus in einem Land“ mit sich brachte, versuchte die maoistische Führung, diese Probleme durch bürokratische Abenteuer zu überwinden. Das erste dieser Abenteuer war der sogenannte „Große Sprung nach vorn“, der im Jahr 1958 eingeleitet wurde. Die Wirtschaftsplanung wurde aufgegeben. Dafür wurde die Bevölkerung angetrieben, mehr zu produzieren, und in Bauernkommunen wurde die Arbeit militärisch organisiert. Ohne einen bewussten, zentralisierten Plan trieben diese Bemühungen die Wirtschaft an den Rand des Zusammenbruchs. In einer Reihe von Gebieten drohten Hungersnöte. Verschlimmert wurde die Lage durch den Abzug sowjetischer Hilfe und Techniker nach dem Bruch zwischen Peking und Moskau.
Angesichts dieses wirtschaftlichen Fiaskos war Mao in der Parteiführung zunehmenden Angriffen ausgesetzt. Von 1961 bis 1965 vollzog die Bürokratie in ihrer Wirtschaftspolitik einen Rechtsruck. Sie stützte sich in großem Maße auf wirtschaftliche Anreize, um die Produktion zu steigern, und förderte damit besonders auf dem Lande die soziale Differenzierung. Als der „Große Sprung nach vorn“ fehlgeschlagen war, musste Mao innerhalb der Bürokratie seine Macht teilen und seine Position als Staatsoberhaupt Liu Shao-chi übertragen.
Nach einer Periode scheinbarer friedlicher Koexistenz innerhalb der Bürokratie leitete Mao die fehlbenannte „Große Proletarische Kulturrevolution“ von 1966-1967 ein. Für Zwecke seines eigenen internen Kampfs mit bürokratischen Rivalen und letztendlich zur Stärkung der Bürokratie selbst versuchte Mao Unterstützung außerhalb der Partei zu mobilisieren, zuerst unter Studentenjugendlichen und später unter dem Lumpenproletariat und den armen Bauern, die in den sogenannten Roten Garden organisiert wurden. Der reaktionäre Charakter dieser Bewegung drückte sich am klarsten darin aus, dass damit offen der Individualismus der Bauern gefördert wurde: Die wirtschaftliche Planung wurde zurückgewiesen und die für die Städte vorgesehenen Güter wurden verteilt und verkauft. Praktisch die gesamte Kultur und Wissenschaft wurden als „bürgerlich“ verteufelt. Wissenschaftler, Künstler und Intellektuelle wurden brutal unterdrückt, während die politischen Knittelverse aus Maos „Kleinem Roten Buch“ zur offiziellen Staatsreligion erhoben wurden.
Das Proletariat für seinen Teil behielt gegenüber den Aktivitäten der Roten Garden eine feindselige Haltung bei und organisierte Streiks, um zu verhindern, dass sie Fabriken oder die Kontrolle über Städte übernahmen.
Trotzdem kam es in dieser Periode zu einer unabhängigen Bewegung der Arbeiterklasse, die mit ihren eigenen Forderungen in den Kampf trat und die Bürokratie als Ganze angriff. Zum ersten Mal seit der Revolution von 1949 gab es wieder Massenstreiks. Ende 1966 und Anfang 1967 begannen die Dockarbeiter in Schanghai einen Arbeitskampf, der sich rasch auf die anderen wichtigen Häfen ausbreitete und dem sich auch die chinesischen Eisenbahnarbeiter anschlossen. Radikalisierte Arbeiter in Schanghai bildeten spontan unabhängige Fabrikkomitees, die sich den staatlich kontrollierten Gewerkschaften entgegenstellten. Sie schlossen sich auf Stadtebene zu einer Organisation namens „Hauptsitz des revolutionären Aufstands der Arbeiter von Schanghai“ zusammen.
Die Reaktion der maoistischen Führung auf den Ausbruch der Arbeiterkämpfe entlarvte ihr Gerede vom „proletarischen“ Charakter der Kulturrevolution als Lug und Trug. Die Bürokraten beschuldigten die streikenden Arbeiter des „Ökonomismus“, und der Chef der Kulturrevolutionsgruppe, Maos wichtigstes Sprachrohr während dieser Periode, warnte das Proletariat von Schanghai drohend: „Als Arbeiter besteht Ihre Hauptaufgabe darin zu arbeiten. Die Beteiligung an der Revolution kommt erst an zweiter Stelle. Sie müssen deshalb die Arbeit wieder aufnehmen.“
Angesichts dieser Bewegung des Proletariats wandte sich Mao sofort der Armee zu, auf deren Unterstützung seine Herrschaft stets beruht hatte. Zunächst behauptete er, die Volksbefreiungsarmee sei gleichbedeutend mit „Arbeitern und Bauern in Uniform“ und solle daher die führende Kraft der Kulturrevolution sein. Unter diesem Vorwand wurden Truppen in die Fabriken und Betriebe geschickt, um Streiks zu unterdrücken und die Produktivität zu steigern. Schließlich wurde die Armee gegen die Roten Garden eingesetzt, um eben die Bewegung zu unterdrücken, die Mao selbst hervorgerufen hatte. Sobald Mao sein Ziel, nämlich die Vertreibung der Fraktion von Liu Shao-chi aus der Bürokratie erreicht hatte, wurde die Bewegung eilig zum Stillstand gebracht.
Nach der Kulturrevolution, mitten in dem durch sie geschaffenen wirtschaftlichen Chaos, stolperte die maoistische Führung weiter nach rechts. Auf internationalem Gebiet bedeutete dies die Annäherung an den US-Imperialismus. Nixon wurde während der Bombardierung Vietnams durch die USA nach Peking geholt, und das maoistische Regime schloss Freundschaft mit reaktionären Diktaturen wie derjenigen Pinochets in Chile.
18. Innenpolitisch initiierte Mao eine ähnliche Versöhnung mit prokapitalistischen Elementen. Er leitete eine Marschroute ein, die seit seinem Tod 1976 immer schneller verfolgt wurde, und deren Parole von der Deng-Xiaoping-Führung übernommen wurde: „Es ist ehrenvoll, sich zu bereichern.“ Heute hat dies ein Ausmaß erreicht, wo praktisch das gesamte Land, das nach 1949 kollektiviert worden war, wieder in den Händen von Privatbesitzern ist. Die Beschränkungen für Privateigentum an den Produktionsmitteln sind weitgehend aufgehoben, und in den Sonderwirtschaftszonen wurde das massive Eindringen ausländischen Kapitals gefördert. All dies hat zu einem Ausmaß an sozialer Ungleichheit und Elend geführt, wie man es seit dem Sturz der Kuomintang-Diktatur nicht mehr gekannt hatte.
In dem Abkommen, wonach die britische Kolonie Hongkong 1997 an China zurückgegeben wird, hat sich die stalinistische Bürokratie unter der Formel „ein Land, zwei Systeme“ darüber hinaus verpflichtet, die kapitalistischen Eigentumsformen dort aufrechtzuerhalten. Mit anderen Worten, der von den chinesischen Stalinisten kontrollierte Staatsapparat wird die Kapitalisten von Hongkong vor der Arbeiterklasse schützen.
Welche taktischen Fragen die Bürokratie heute auch entzweien mögen, sie ist sich einig über das Programm der kapitalistischen Restauration, und viele ihrer Mitglieder ziehen persönliche Vorteile aus dieser Politik, indem sie sich durch kapitalistische Unternehmen bereichern.
Die Entwicklungsgeschichte des von Mao begründeten Regimes hat den explosiven Charakter der revolutionären Bewegung bestimmt, die jetzt in der Arbeiterklasse begonnen hat. Diese Bewegung beinhaltet ein gesellschaftliches Bewusstsein über die Errungenschaften der chinesischen Revolution. Sie ist entschlossen, die Versuche der Bürokratie zurückzuschlagen, diese Errungenschaften durch ein restauratives Programm und eine immer weitgehendere Anpassung an den Imperialismus zu zerschlagen.
19. Im Lichte dieser gesamten historischen Erfahrung kann man heute die erstaunliche Weitsichtigkeit von Trotzkis Analyse ermessen. Auf der Grundlage der Theorie der permanenten Revolution hatte Trotzki darauf beharrt, dass die Befreiung Chinas aus dem Zugriff des Imperialismus, die Überwindung des feudalen Erbes von Armut und Rückständigkeit und die Reorganisierung der Gesellschaft auf sozialistischer Grundlage nur durch die revolutionäre Mobilisierung der Bauernschaft unter der Führung des sozialistischen Proletariats möglich war. Außerdem, hatte er erklärt, konnte die Entwicklung Chinas hin zum Sozialismus nur durch den Sieg des Proletariats über die imperialistische Bourgeoisie in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern gesichert werden.
Trotzki beharrte darauf, dass Maos Bauernarmeen kein Ersatz für die unabhängige revolutionäre Mobilisierung der Arbeiterklasse sein konnten, und wenn ihre Erfolge noch so beeindruckend waren. Er warnte, dass ohne die Wiederbelebung der revolutionären Bewegung des chinesischen Proletariats „der Bauernkrieg, selbst wenn er auf der ganzen Linie siegreich ist, unweigerlich in eine Sackgasse geraten wird“. („Leon Trotsky on China“, S. 527)
In den Tagen nach dem brutalen Massaker gab es zahllose Berichte über Streitigkeiten und sogar Spaltungen innerhalb der Bürokratie und des Militärs. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, können die chinesischen Arbeiter ihren Kampf nicht auf die Spaltungen und Manöver innerhalb der herrschenden Kaste, sondern nur auf ihre eigene unabhängige Stärke begründen. Sie müssen diese Spaltungen für ihr eigenes unabhängiges Programm der politischen Revolution ausnutzen. Das erfordert den Aufbau einer neuen revolutionären Partei des chinesischen Proletariats.
Die politische Revolution ist nicht die Ersetzung eines bürokratischen Führers durch einen anderen, sie ist nicht einfach die Summe immer weitergehender demokratischer Reformen. In China hat diese Revolution unter den Parolen für demokratische Rechte und ein Ende der Korruption begonnen, aber auch diese Forderungen können nicht durchgesetzt werden, wenn nicht die Arbeiterklasse die gesamte Bürokratie in einer gewaltsamen Revolution stürzt und zum ersten Mal in der Geschichte Chinas echte, unabhängige Organe der Arbeitermacht, Sowjets, und auf ihrer Grundlage eine wirkliche Arbeiterregierung schafft.
21. Die heutigen Ereignisse in China sind eine eindrucksvolle Bestätigung der Perspektive der politischen Revolution, die Trotzki erstmals in seinem Werk „Verratene Revolution“ ausgearbeitet hat, seiner monumentalen Analyse der Degeneration des ersten Arbeiterstaats in der Sowjetunion. Er charakterisierte die Sowjetunion als eine „Übergangsgesellschaft“, eine von Natur aus unstabile Gesellschaft, deren weiterer Entwicklung zwei Wege offenstanden. Entweder würde die Bürokratie einer kapitalistischen Restauration den Weg ebnen, das Land der imperialistischen Durchdringung öffnen und vorwiegend aus ihren eigenen Reihen eine neue kapitalistische Ausbeuterklasse hervorbringen, oder die Arbeiterklasse würde die Errungenschaften der Oktoberrevolution durch den revolutionären Sturz der stalinistischen Bürokratie und die Wiedererrichtung der Arbeiterdemokratie verteidigen und damit ihre Kämpfe mit denen der internationalen Arbeiterklasse in den kapitalistischen Ländern im Kampf für den Sturz des Weltimperialismus vereinen.
Trotzki nannte diese Revolution politisch und nicht sozial, weil sie nicht gezwungen wäre, die verstaatlichten Eigentumsverhältnisse und die Planwirtschaft zu stürzen, die durch die Revolution von 1917 geschaffen worden waren. Ihre Aufgabe wäre vielmehr die Absetzung der Bürokratie und die Einführung durchgreifender wirtschaftlicher Reformen zu Gunsten der Arbeiterklasse.
Diese Perspektive behält heute in Bezug auf China ihre volle Gültigkeit. Die chinesische stalinistische Bürokratie hat schon ein gutes Stück des Weges der kapitalistischen Restauration zurückgelegt, und daher wird die politische Revolution in China heute weitgehende soziale Implikationen haben. Vor allem muss die Arbeiterklasse und ihre revolutionäre Partei die von der Bürokratie geforderte Kapitalistenklasse und die ausländischen multinationalen Konzerne, denen wieder die Ausbeutung chinesischer Arbeitskraft erlaubt wurde, enteignen.
Die in China noch bestehende Planwirtschaft muss von oben bis unten umorganisiert werden, damit sie nicht mehr im Dienste der privilegierten Bürokraten und Kapitalisten, sondern der Massen steht. Die Produktion muss der Kontrolle von Fabrikkomitees unterstellt werden, die von den Arbeitern frei gewählt werden. Die Qualitätsüberwachung und die Festlegung der Warenpreise sollte in die Hände einer demokratisch gewählten Verbraucherkooperative gelegt werden.
Im Verlauf der letzten zehn Jahre hat der prokapitalistische Kurs der Bürokratie viele soziale Errungenschaften der Revolution von 1949 außer Kraft gesetzt. Auf dem Lande hat er zu einer zunehmenden Verelendung der armen Bauern und der Landarbeiter zu Gunsten einer aufkeimenden Landbourgeoisie geführt, die eng mit der herrschenden Schicht verbunden ist. In der politischen Revolution gegen die Bürokratie muss das revolutionäre Proletariat die große Mehrheit der armen Bauern und Landarbeiter auf seine Seite gewinnen, indem es gegen die Unterdrückung und soziale Differenzierung kämpft, die auf dem Lande durch die Restaurationspolitik der Bürokratie geschürt worden ist.
Eine solche politische Revolution des chinesischen Proletariats würde enorme Schockwellen der sozialen Revolution in ganz Asien und international auslösen. Wenn die chinesischen Arbeiter aus der stalinistischen Zwangsjacke des „Sozialismus in einem Land“ ausbrechen und ihre Kräfte mit denjenigen der Arbeiter Asiens und weltweit im gemeinsamen Kampf für das Ende des Imperialismus vereinen, können sie wirkliche Grundlagen für den Aufbau des Sozialismus in China als Teil der Entwicklung des Weltsozialismus schaffen.
22. Diese Perspektive der politischen Revolution, die von Trotzki im Kampf gegen den Stalinismus entwickelt wurde, ist ausschließlich vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale aufrechterhalten und verteidigt worden. Das Internationale Komitee, das 1953 im Kampf gegen den Opportunismus innerhalb der Vierten Internationale gegründet wurde, hat einen unablässigen Kampf gegen die Theorien des pablistischen Revisionismus geführt, der die politische Revolution zurückwies und behauptete, die stalinistischen Bürokratien könnten sich reformieren und sogar eine revolutionäre Rolle in der Weltarena spielen.
Auf der Grundlage dieser Perspektive beschimpften die pablistischen Revisionisten die chinesischen Trotzkisten als „Flüchtlinge vor der Revolution“, als sie von Mao, den die Pablisten als großen revolutionären Führer feierten, brutal unterdrückt wurden. Noch 1969 verkündete der Pablistenführer Tariq Ali, dass „Maos Format als einer der größten revolutionären Führer dieses Jahrhunderts außer Frage steht“. Heute zeigt sich, dass das Programm, für das die chinesischen Trotzkisten gekämpft haben, das einzige ist, mit dem ein sozialistisches China erreicht werden kann, während die Politik des Maoismus nur zu kapitalistischer Restauration und Kollaboration mit dem Imperialismus geführt hat.
Die Ereignisse in China und der Sowjetunion, die offene Hinwendung der Bürokratien zur kapitalistischen Restauration und der Aufstand der Arbeitermassen, die den Weg der politischen Revolution einschlagen, haben die rückwärtsgewandten Theorien des Pablismus diskreditiert und den langen Kampf des IKVI gegen diesen opportunistischen Revisionismus bestätigt.
Die chinesischen Ereignisse haben außerdem all den opportunistischen Scharlatanen die Maske vom Gesicht gerissen, die behaupten wollten, Gorbatschow und seine prokapitalistische Politik von Perestroika und Glasnost seien ein Fortschritt für die politische Revolution. Als er mit der Entwicklung einer wirklichen politischen Revolution während seines Gipfels mit Deng Xiaoping in Peking konfrontiert war, konnte Gorbatschow seine organische Feindschaft gegenüber dem revolutionären Kampf der Arbeiterklasse gegen die Bürokratie nicht verbergen und verurteilte die Demonstranten als „Hitzköpfe“.
Das Gorbatschow-Regime hat sich ohne Zögern mit den Schlächtern des Tiananmen solidarisch erklärt. In einer von Gorbatschows Politbüro entworfenen und von dem schwindlerischen „Sowjetkongress der Volksdeputierten“ einstimmig verabschiedeten Erklärung werden die Morde nicht verurteilt, sondern gesagt: „Jetzt ist nicht die Zeit für unüberlegte, hastige Schlussfolgerungen und Erklärungen... Selbstverständlich sind die Ereignisse in China eine innere Angelegenheit des Landes.“
Gorbatschow weiß sehr genau, dass ähnliche Aufstände in der Sowjetunion auf der Tagesordnung stehen; und er ist nicht weniger als Deng Xiaoping und Li Peng zu Gräueltaten bereit, wenn die Zeit dafür reif ist.
Der von der Bürokratie unter Deng Xiaoping entfesselte Terror hat den Kampf des chinesischen Proletariats nicht besiegt. Im Gegenteil, die Morde und Verhaftungen bezeugen nur den politischen Bankrott der totalitären Bürokratie in ihren Versuchen, ihre Privilegien und die Interessen des Weltimperialismus gegen die Bewegung der Massen zu verteidigen.
Der machtvolle Aufstand der Arbeiter, der die jüngsten Ereignisse in China beherrschte, ist untrennbar mit der Bewegung der Arbeiterklasse in ganz Asien und international verbunden. Die chinesischen Arbeiter werden auf den Weg der politischen Revolution gegen die Pekinger Bürokratie getrieben, während gleichzeitig im benachbarten Südkorea die Arbeitermassen enorme Kämpfe gegen das ausländische und einheimische Kapital führen und sich im Proletariat auf der ganzen Welt eine tiefgreifende Radikalisierung vollzieht, die ihren Ausdruck vor allem in einer Rebellion gegen seine traditionelle Führung der Stalinisten, Sozialdemokraten und Gewerkschaftsbürokraten findet.
Diese Ereignisse zeigen die unaufschiebbare Notwendigkeit, eine revolutionäre Partei des chinesischen, russischen und osteuropäischen Proletariats aufzubauen, um die parasitären stalinistischen Bürokratien durch eine politische Revolution, die ein entscheidender Bestandteil der Weltrevolution ist, zu stürzen. Dies ist die große historische Aufgabe, die jetzt vor dem Internationalen Komitee der Vierten Internationale steht.
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Aus Anlass des 30. Jahrestags des Tiananmen-Massakers veröffentlicht die World Socialist Web Site eine Reihe von Artikeln und Erklärungen aus jener Zeit. Als Erstes erschien am 8. Juni die Erklärung des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI), die ursprünglich am 8. Juni 1989, also nur vier Tage nach der Niederschlagung der Proteste, unter dem Titel „Für den Sieg der politischen Revolution in China!“ herausgegeben wurde. Als Zweites veröffentlichten wir am 11. Juni erneut den Aufruf „Stoppt den stalinistischen Terror gegen die chinesischen Arbeiter!“ vom 22. Juni 1989. Außerdem erschien auf der WSWS eine Einführung zu den historischen Erklärungen.
Im Folgenden geben wir das Editorial der Zeitschrift Vierte Internationale vom Januar–Juni 1989 wieder. Darin verurteilt das IKVI die Rolle des Pablismus, einer opportunistischen Strömung, die nach dem Zweiten Weltkrieg innerhalb der Vierten Internationale entstand. Der Pablismus wies Trotzkis Analyse des Stalinismus als konterrevolutionäre Agentur des Imperialismus zurück.
Das IKVI wurde 1953 gegründet, um den orthodoxen Trotzkismus gegen die opportunistischen Revisionen von Michel Pablo and Ernest Mandel zu verteidigen. Dabei bezog es auch Stellung auf Seiten der chinesischen Trotzkisten, die 1952 verhaftet und von der stalinistischen Regierung jahrzehntelang eingesperrt wurden, weil die KP Chinas ihren Einfluss auf die Arbeiterklasse fürchtete. Pablo hingegen würdigte die chinesischen Trotzkisten herab und blockierte die Veröffentlichung eines Aufrufs zu ihrer Verteidigung.
Außerdem grenzte sich das IKVI von den Renegaten der Workers Revolutionary Party (WRP) – Gerry Healy, Cliff Slaughter and Michael Banda – ab, die 1985–1986 vom IKVI gespalten hatten. Sie hatten sich dem gleichen politischen Druck gebeugt wie die Pablisten, die sie zuvor noch auf einer prinzipiellen Grundlage bekämpft hatten. Nun solidarisierten sie sich in der einen oder anderen Form mit dem Stalinismus.
Entsprechend heißt es in diesem Editorial: „Das Massaker auf dem Tiananmen hat ein für allemal den Mythos zerstört, dass der Maoismus einen neuen Weg im Kampf für den Sozialismus und gegen den Imperialismus darstelle. Über und über mit Blut besudelt steht er vor aller Augen da, entlarvt als konterrevolutionärer Feind der Arbeiterklasse.“
Die anschließende Restauration des Kapitalismus in China, Osteuropa und den ehemaligen Republiken der Sowjetunion hat die stalinistischen Bürokratien endgültig als konterrevolutionäre Agenturen des Imperialismus und die Pablisten als deren Helfershelfer entlarvt.
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Diese Ausgabe der Vierten Internationale geht zu einer Zeit in Druck, in der aus China von Massenverhaftungen berichtet wird und die stalinistische Bürokratie unter Deng Xiaoping im ganzen Land eine Menschenjagd auf Arbeiter und Studenten veranstaltet, die an den revolutionären Aufständen der vergangenen Wochen beteiligt waren.
Während Polizei in Zivil zu Hausdurchsuchungen ausschwärmte, hielten riesige Mengen von Kampfeinheiten und Panzerkolonnen Peking weiterhin im Belagerungszustand.
In Schanghai übertrugen die stalinistischen Behörden die Todesurteile gegen drei Arbeiter im Fernsehen, die wegen der Beteiligung an einem Brandanschlag auf einen Zug angeklagt waren. Dieser Zug hatte eine Gruppe von Demonstranten überrollt und getötet. Mittlerweile waren Arbeiter, die sich an Streiks beteiligt hatten, Polizeiverfolgungen ausgesetzt. Die Welle der Unterdrückung, die von der Pekinger Bürokratie in Gang gesetzt worden ist, hat sich immer klarer als die Herrschaft des konterrevolutionären Terrors gegen das chinesische Proletariat entpuppt.
Doch wenn auch Deng die Truppen, die unbewaffnete Arbeiter und Jugendliche niedermetzelten, als seine „hohe Mauer aus Eisen und Stahl“ anpreist, so hat die augenblickliche Unterdrückungswelle die politische Revolution der Arbeiterklasse gegen die stalinistische Bürokratie doch in keiner Weise beendet. Wie aus der Erklärung des Internationalen Komitees der Vierten Internationale, „Für den Sieg der politischen Revolution in China!“, die in dieser Ausgabe veröffentlicht wird, hervorgeht, ist diese Revolution tief verwurzelt in der Opposition der Arbeiterklasse gegen die bewussten Versuche der Bürokratie, die Errungenschaften der chinesischen Revolution zu vernichten und kapitalistische Eigentumsverhältnisse wiederherzustellen. Dieselbe Bewegung zur politischen Revolution entwickelt sich unaufhaltsam in Osteuropa und der Sowjetunion selbst.
Diese Entwicklungen haben auf ganz grundsätzliche Art und Weise Trotzkis grundlegende Einschätzung der künftigen Entwicklung der bürokratischen Arbeiterstaaten bestätigt, die er vor mehr als 50 Jahren in dem Gründungsdokument der Vierten Internationale dargelegt hat:
„Entweder stößt die Bürokratie, die immer mehr zum Werkzeug der Weltbourgeoisie im Arbeiterstaat wird, die neuen Eigentumsformen um und wirft das Land in den Kapitalismus zurück; oder die Arbeiterklasse beseitigt die Bürokratie und öffnet den Weg zum Sozialismus.“ Genau das sind die Kampflinien, die in den Straßen von Peking und fast jeder anderen chinesischen Stadt in jüngster Zeit gezogen wurden.
Darüber hinaus hat das Internationale Komitee selbst die Unruhen in China als Teil der beginnenden revolutionären Kämpfe der internationalen Arbeiterklasse vorausgesehen. In seiner Perspektivresolution „Die kapitalistische Weltkrise und die Aufgaben der Vierten Internationale“, die im August 1988 verabschiedet wurde, schrieb das Internationale Komitee:
„In ganz Osteuropa und China, Vietnam und Laos arbeiten die Bürokratien mit noch größerem Tempo als in der UdSSR auf die Integration ihrer nationalen Wirtschaften in die Struktur des Weltkapitalismus hin. Am weitesten gediehen ist dieser Prozess in China. Maos einbalsamierte Leiche wird vielleicht noch zur Schau gestellt, aber sein Vermächtnis befindet sich bereits in einem fortgeschrittenen Stadium der Verwesung. Seine Nachfolger haben sich darangemacht, was immer an Planwirtschaft vorhanden war zu demontieren. Praktisch der gesamte Boden, der nach 1949 kollektiviert worden war, ist wieder in Privatbesitz zurückgegeben worden, und unter dem offiziellen Banner der Regierungsparole ,Es ist ehrenvoll, sich zu bereichern‘ blühen auf dem Lande kapitalistische Beziehungen. In den städtischen Zentren sind praktisch alle Beschränkungen für kapitalistische Unternehmen aufgehoben worden, und große Teile der ehemals einheimischen Industrie werden an ausländische und einheimische Kapitalisten verhökert...
Die Politik der chinesischen Stalinisten, deren rasende Wiedereinführung des Kapitalismus das Land in eine wirtschaftliche Katastrophe treibt, muss zu Massenaufständen des Proletariats führen. Im nächsten revolutionären Aufschwung wird die chinesische Arbeiterklasse die Führung der verarmten Bauern übernehmen und einen titanenhaften Kampf führen, um das Land von den Bürokraten und der gierigen Kapitalistenklasse zu reinigen, die der Stalinismus ausgebrütet hat.“ (Essen 1988, S. 17)
Die Ereignisse in China haben nicht nur Trotzkis Perspektive im Kampf gegen den Stalinismus in Bezug auf das Schicksal der chinesischen Revolution bestätigt. Wie die Erklärung des IKVI aufzeigt, bringen sie auch den langwierigen Kampf zur Entscheidung, den das Internationale Komitee gegen den opportunistischen Revisionismus innerhalb der Vierten Internationale geführt hat.
Der Kampf von Massen von Arbeitern gegen die Bürokratie und ihre offene Politik der kapitalistischen Restauration hat die konterrevolutionäre Rolle sämtlicher revisionistischer Tendenzen entlarvt, die vor dem Stalinismus und Maoismus kapituliert haben.
Das Internationale Komitee wurde 1953 gegründet, um die opportunistische Tendenz unter der Führung von Michel Pablo zu bekämpfen, welche die Vierte Internationale zu zerstören drohte.
Pablos Liquidatorentum entsprang einer impressionistischen Anpassung an die imperialistischen Nachkriegsregelungen, die einerseits zur Restabilisierung des Imperialismus und andererseits zur scheinbaren Stärkung der Macht der stalinistischen Bürokratie geführt hatten.
Die Antwort der Pablisten auf diese Entwicklungen entpuppte sich als die Ausarbeitung einer völlig anderen Klassenposition, die sowohl die revolutionäre Rolle des Proletariats als auch die vorrangige Aufgabe der Partei, den Kampf für sozialistisches Bewusstsein in der Arbeiterklasse zurückwies.
Die Pablisten stützten ihre revisionistischen Theorien insbesondere auf die Bedingungen in Osteuropa nach dem Zweiten Weltkrieg, wo die Abschaffung des Privateigentums nicht durch die unabhängige Mobilisierung der Arbeiterklasse stattgefunden hatte, sondern ein Ergebnis der Besetzung durch die Rote Armee war.
Die Trotzkisten definierten diese neuen, von der Bürokratie errichteten Regime als deformierte Arbeiterstaaten. Die grundlegende Einstellung der Vierten Internationale gegenüber diesen Staaten bestand darin, die vergesellschafteten Eigentumsverhältnisse gegen den Imperialismus zu verteidigen und gleichzeitig für den Aufbau revolutionärer Parteien zu kämpfen, um die Arbeiterklasse für die politische Revolution gegen die stalinistische Bürokratie und für die Errichtung wirklicher Organe der Arbeitermacht zu mobilisieren.
Darüber hinaus erkannten diejenigen, die den Trotzkismus verteidigten, dass die mit der Vergesellschaftung des Eigentums in Osteuropa vorübergehend erzielten Einbrüche in den Kapitalismus bei weitem dadurch aufgewogen wurden, dass der Stalinismus auf Weltebene die sozialistische Revolution verriet und mit dem Imperialismus zusammenarbeitete.
Diese grundlegende Perspektive war bereits von Trotzki in seinem Kampf gegen die kleinbürgerliche Opposition in der Socialist Workers Party von 1939-1940 vorweggenommen worden. In seiner Analyse der Bedeutung der gesellschaftlichen Maßnahmen, die die Bürokratie in Polen nach der Invasion dieses Landes durch die Rote Armee 1939 durchgeführt hatte, schrieb Trotzki:
„Das politische Hauptkriterium für uns ist nicht die Umwandlung der Eigentumsverhältnisse in diesem oder jenem Gebiet, wie wichtig sie in sich auch sein mögen, sondern vielmehr die Veränderung im Bewusstsein und in der Organisation des Weltproletariats, das Wachsen seiner Fähigkeit, frühere Errungenschaften zu verteidigen und neue zu erreichen. Nur von diesem Standpunkt aus, und das ist der einzig entscheidende, bleibt die Politik Moskaus als Ganzes genommen völlig reaktionär und ist weiterhin das Haupthindernis auf dem Weg zur Weltrevolution.“
Und weiter erklärte Trotzki: „Die Verstaatlichung der Produktionsmittel ist, wie wir schon sagten, eine fortschrittliche Maßnahme. Aber ihre Fortschrittlichkeit ist relativ; ihr spezifisches Gewicht hängt von der Gesamtsumme aller anderen Faktoren ab. Daher müssen wir zu allererst feststellen, dass die Ausdehnung des Gebietes, das von der bürokratischen Autokratie und vom bürokratischen Parasitentum beherrscht wird, und zwar mit sozialistischen Maßnahmen bemäntelt, das Ansehen des Kremls vergrößern und Illusionen darüber hervorrufen kann, dass man die proletarische Revolution durch bürokratische Manöver ersetzen kann. Dieses Übel überwiegt den fortschrittlichen Inhalt der stalinistischen Reformen in Polen bei weitem.“ (Trotzki, Verteidigung des Marxismus, Berlin 1973, S. 27–28)
Genau dieses „Übel“ war in der Entwicklung des pablistischen Revisionismus in der Vierten Internationale verkörpert.
Pablo machte die Eigentumsformen, die von der Bürokratie in Osteuropa errichtet worden waren, zum Ausgangspunkt einer völlig neuen historischen Perspektive. Er vertrat die Auffassung, dass der Kapitalismus nicht, wie die Marxisten traditionell erklärt hatten, durch die proletarische Revolution abgeschafft würde, sondern durch bürokratisch-militärische Mittel. Nach dieser Anschauung würde sich die stalinistische Bürokratie bei einem militärischen Konflikt mit dem Imperialismus gezwungen sehen, die verstaatlichten Eigentumsverhältnisse auf immer neue Gebiete auszudehnen, und zwar sowohl durch militärische Maßnahmen als auch dadurch, dass sie die stalinistischen Parteien in den kapitalistischen Ländern anwiese, revolutionäre Kämpfe zu führen.
Folgte man dieser Prognose – die das gesamte theoretische Erbe des Marxismus zurückwies – so war der Kampf, durch den Aufbau unabhängiger revolutionärer Parteien marxistisches Bewusstsein in der Arbeiterklasse zu entwickeln, völlig überflüssig geworden: Der Sozialismus, obgleich in deformierter Form, würde mit Hilfe der Bürokratie und anderer nichtproletarischer Kräfte durchgesetzt, die unbewusst unter dem Druck der Ereignisse als politischer Ersatz für die Arbeiterklasse handelten. Die praktische Schlussfolgerung, zu der diese Perspektive unausweichlich führte, war die Liquidierung der Vierten Internationale.
Im Wesentlichen war der pablistische Revisionismus eine kleinbürgerliche Rebellion gegen die gesamte marxistische Perspektive der proletarischen Revolution. Seine Reaktion auf den maoistischen Sieg von 1949 war nur eine Variation derselben grundlegenden Auffassung.
In China wurde das bürgerliche Kuomintang-Regime 1949 von einer Bauernarmee unter der Führung der stalinistischen Kommunistischen Partei gestürzt. Die Pablisten schoben die langfristigen historischen Probleme, die sich daraus für die Entwicklung der sozialistischen Revolution in China ergaben, beiseite und sahen in Maos Sieg nur einen weiteren Beweis dafür, dass der Stalinismus international eine revolutionäre Rolle spielen könne.
Die Pablisten griffen den marxistischen Grundsatz an, dass die Befreiung der Arbeiterklasse die Aufgabe der Arbeiter selbst ist und die Entwicklung von marxistischen Kadern in der Führung des Proletariats erfordert. Die chinesische Revolution, so behaupteten sie, habe bewiesen, dass die sozialistische Revolution nicht nur ohne den Vorteil einer bewussten trotzkistischen Führung, sondern sogar ohne das Eingreifen der Arbeiterklasse selbst möglich sei. Stalinistisch geführte Bauernarmeen seien völlig ausreichend.
Die tödlichen Folgen des pablistischen Revisionismus fanden ihren vollendeten Ausdruck in Pablos Verachtung für die chinesischen Trotzkisten. Das maoistische Regime verhaftete diese Kämpfer, schickte sie ins Exil und ließ sie hinrichten, um ihren Kampf für die unabhängigen Interessen und die Mobilisierung der chinesischen Arbeiterklasse zu verhindern.
In einem Brief an James P. Cannon, den damaligen Führer der Socialist Workers Party der Vereinigten Staaten, beschrieb S. T. Peng, ein chinesischer Trotzkist, wie Pablo systematisch jede Diskussion über die blutige Verfolgung der trotzkistischen Bewegung durch das maoistische Regime in China unterdrückte.
Erst im November 1952 wurde Peng erlaubt, dem Internationalen Sekretariat die Lage der chinesischen Sektion zu schildern. Wie er in seinem Brief an Cannon berichtet, ging Pablo über seine Ausführungen hinweg und erklärte, dass „das Massaker an Trotzkisten durch das Regime Maos keine bewusste Aktion sei, sondern ein Fehler, d. h. die Trotzkisten seien irrtümlicherweise für Kuomintang-Agenten gehalten worden, und dass, selbst wenn Mao tatsächlich Trotzkisten verfolge, dies nur als Ausnahme angesehen werden könne“.
Peng antwortete, das Massaker sei kein Fehler gewesen, sondern rühre „von einer tiefverwurzelten stalinistischen Tradition der Feindschaft gegenüber Trotzkisten her. Es war ein systematischer und bewusster Versuch, die Trotzkisten auszurotten.“ Es sei genauso wenig eine Ausnahme wie das Abschlachten der vietnamesischen Trotzkisten durch Ho Chi Minh oder die Ermordung von Trotzkisten durch die GPU während des spanischen Bürgerkriegs.
Auf einem späteren erweiterten Treffen des IS im Februar 1953 wandte sich Pablo gegen den Versuch Pengs, über die Massenverhaftungen von chinesischen Trotzkisten in den vorangegangenen zwei Monaten zu berichten. „Verglichen mit den Errungenschaften von Mao Zedong ist die Verhaftung von einigen Hundert Trotzkisten unbedeutend“, erklärte Pablo.
Pengs darauffolgende Versuche, einen „Aufruf zur Unterstützung der chinesischen Trotzkisten“ zu verteilen, wurden von Pablo systematisch verhindert. „Indem er dieses Dokument unterdrückte“, schrieb Peng, „hat Pablo nicht nur mich und die chinesischen Trotzkisten bewusst betrogen, sondern auch zwei unentschuldbare Verbrechen begangen: (1) Objektiv hat er der chinesischen KP geholfen, vor den Massen die konkreten und grausamen Tatsachen über ihre Verfolgung der chinesischen Trotzkisten zu verheimlichen. (2) Er hat es den Genossen aus verschiedenen Ländern, die dabei sind, die ,entristische Taktik‘ anzuwenden, unmöglich gemacht, die Lehren aus der brutalen Verfolgung der chinesischen Genossen zu ziehen.“
Die jüngsten Ereignisse in China unterstreichen, wie kriminell die Lobhudelei des pablistischen Revisionismus für den Maoismus und seine hinterhältige Missachtung der chinesischen Trotzkisten war. Die von Pablo als bedeutungslos heruntergespielte Liquidierung von „ein paar Hundert Trotzkisten“ raubte dem chinesischen Proletariat die bewusste revolutionäre Vorhut, die es dringend braucht, um die Bürokratie zu stürzen, die den Kapitalismus wieder einführen will.
Die chinesischen Trotzkisten hatten unter den schwierigsten Bedingungen sowohl des Terrors der Kuomintang und der Stalinisten als auch der japanischen Besatzung gekämpft. Anders als Mao und die anderen stalinistischen Führer, die aus der Niederlage der Revolution von 1927 die Schlussfolgerung zogen, der Aufbau der Kommunistischen Partei müsse sich fortan auf die Bauernschaft gründen, weigerten sich die Trotzkisten – ursprünglich angeführt von dem heroischen Chen Tu-hsiu – den Kampf für die Ausbildung marxistischer Kader im Proletariat aufzugeben. Sie mögen vielleicht taktische Fehler gemacht haben, aber ihre grundlegende Perspektive war richtig und hat heute eine enorme historische Bedeutung. Pablos Verachtung für diese revolutionären Kämpfer war der klarste Ausdruck seiner kleinbürgerlichen Feindschaft gegenüber der proletarischen Revolution.
Ebenso spielte der Pablismus eine entscheidende Rolle, die Verwirrung in der internationalen Arbeiterklasse, die durch den Maoismus geschaffen wurde, zu schüren. Mit der chinesisch-sowjetischen Kontroverse wurden die Kommunistischen Parteien auf der ganzen Welt gespalten und insbesondere in den unterdrückten Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas maoistische Gruppen gebildet. In diesen Ländern trat der Maoismus fälschlicherweise als revolutionäre Alternative zu dem „friedlichen Weg zum Sozialismus“ auf, der von den moskauhörigen Parteien vertreten wurde. Die Parteien, die der Führung Pekings folgten, spielten dadurch, dass sie sich auf eine eklektische Mischung aus bürgerlichem Nationalismus, bäuerlichem Radikalismus und Stalinismus stützten, eine entscheidende Rolle dabei, den Aufbau wirklich proletarischer revolutionärer Parteien zu blockieren.
Die Maoisten führten die Arbeiter in einem Land nach dem anderen in katastrophale Niederlagen. Besonders herausragend war die Katastrophe, die die indonesische Arbeiterklasse 1965 erlitt. Dort ordnete die größte Peking-orientierte KP der Welt auf der Grundlage der maoistischen Ideologie des „Blocks der vier Klassen“ die Arbeiterklasse dem bürgerlich-nationalistischen Regime Sukarnos unter. Dies führte zur politischen Entwaffnung des indonesischen Proletariats angesichts eines Militärputsches, der zur Vernichtung von schätzungsweise einer Million Arbeitern und Bauern führte.
Ein paar Jahre später endete die Naxaliten-Bewegung, die von Mao in Indien angeregt worden war, in einer blutigen Niederlage. Und in Lateinamerika, wo die Theorie des bäuerlichen Guerillatums, „vom Land aus in die Stadt“ zu gehen, bereitwillig vom Kleinbürgertum aufgenommen wurde, trug der Maoismus wesentlich zu der Welle von Niederlagen bei, die die Arbeiterklasse zwischen den 1960er und den frühen 1970er Jahren erlitt.
Die pablistische Führung war weit davon entfernt, in der Arbeiterklasse Klarheit über den Maoismus zu schaffen. Im Gegenteil, sie passte sich völlig an ihn an. Mandel pries die Maoisten, sie seien „nahe an die Theorie der permanenten Revolution herangekommen“. In Lateinamerika unterstützten die Pablisten dieselben unglückseligen Methoden des Guerillatums und liquidierten ganze Parteien. So trugen sie dazu bei, Tausende von Jugendlichen in den Tod zu schicken.
Dabei wiesen die Revisionisten jegliche Klassenanalyse zurück und bespien das gesamte theoretische Erbe des Marxismus. Wie die Erklärung des Internationalen Komitees zu China nachweist, war der Maoismus keine neue revolutionäre Strömung, die mit dem Stalinismus gebrochen hatte. Im Gegenteil, er basierte auf der ausdrücklichen Zurückweisung der permanenten Revolution und der Verteidigung der menschewistischen „Zwei-Stufen-Revolution“ und ihrer logischen Schlussfolgerung, dem „Block der vier Klassen“. Mao hat niemals die stalinistische Politik der Klassenzusammenarbeit kritisiert, die 1927 zur blutigen Niederlage der chinesischen Arbeiterklasse geführt hatte. Statt dessen kehrte er dem Proletariat den Rücken zu, verwandelte die chinesische Kommunistische Partei praktisch in eine Bauernorganisation und vergeudete viele Jahre und Hunderttausende von Leben auf der Suche nach einem Bündnis mit „antiimperialistischen“ Teilen der nationalen Bourgeoisie.
Lenin hatte einen theoretischen Kampf gegen die Auffassungen der Narodniki geführt, Arbeiter und Bauern seien gleichermaßen „Unterdrückte“ und hätten daher beide ein gleiches Interesse am Sozialismus. Er hatte unnachgiebig für die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse sowohl von der nationalen Bourgeoisie als auch von der Bauernschaft gekämpft und war für die Hegemonie des Proletariats in der russischen Revolution eingetreten.
Trotzki wies in seiner Theorie der permanenten Revolution nach, dass die Aufgaben der bürgerlich-demokratischen Revolution einschließlich der Lösung der Agrarfrage nur von der Arbeiterklasse gelöst werden könnten. Die Arbeiterklasse müsse die Bauernschaft hinter sich führen, in einer sozialistischen Revolution die Macht erobern und die Diktatur des Proletariats errichten. Die Errichtung dieser Diktatur werde unweigerlich nicht nur demokratische, sondern auch sozialistische Aufgaben mit sich bringen, die nur durch die Ausweitung der Revolution auf die fortgeschrittenen kapitalistischen Länder verwirklicht werden könnten. Dies wurde die Richtung weisende Perspektive der Bolschewistischen Partei in der Oktoberrevolution von 1917 und die Leitlinie des revolutionären Programms der Kommunistischen Internationale vor ihrer stalinistischen Degeneration. Gestützt auf dieses theoretische Erbe hatte Trotzki die Wende der Kommunistischen Partei Chinas zur Bauernschaft nach dem Massaker von Schanghai im Jahr 1927 einer tiefgehenden Kritik unterzogen. Aber in ihren hektischen Versuchen, die „Isolation“ des Trotzkismus zu überwinden, verwarfen die Pablisten diese Errungenschaften des Marxismus, um sich besser dem Stalinismus und Maoismus unterordnen zu können.
Obwohl das Internationale Komitee aufgebaut wurde, um dem pablistischen Revisionismus den Krieg anzusagen, war es wiederholt gezwungen, gegen das Auftauchen derselben opportunistischen und liquidatorischen Tendenzen innerhalb der eigenen Reihen zu kämpfen.
So brach die Socialist Workers Party der USA zehn Jahre, nachdem sie die Gründung des IK initiiert hatte, mit dem Trotzkismus, um sich mit den Pablisten wiederzuvereinigen. Sie behauptete, die kubanische Revolution von 1959 habe bewiesen, dass die sozialistische Revolution „mit stumpfen Instrumenten“, d. h. mit kleinbürgerlichen Guerillabewegungen, ohne die Beteiligung der Arbeiterklasse und ohne die Führung durch eine bewusste marxistische Partei der Vorhut durchgeführt werden könne.
Und die britische Sektion, die Workers Revolutionary Party, die lange Jahre hindurch führend am Kampf gegen den Pablismus beteiligt gewesen war, durchlief eine langwierige national-opportunistische Degeneration, die ihren Höhepunkt in der Spaltung vom Internationalen Komitee 1985–1986 fand. Mitte der 1980er Jahre hatte sich die Führung von Healy, Banda und Slaughter dem Druck des Imperialismus ergeben und versuchte nun, das IKVI selbst in einen Komplizen der Verrätereien des Stalinismus, der Sozialdemokratie und des bürgerlichen Nationalismus zu verwandeln.
Die opportunistische Politik der WRP-Führung wurde jedoch von der Mehrheit der Sektionen des IKVI bekämpft, die sich auf die feste Grundlage von mehr als drei Jahrzehnten Kampf zur Verteidigung und Entwicklung des Trotzkismus gegen den pablistischen Revisionismus stützten.
Die zwei Tendenzen, die sich bei der Spaltung von 1985–1986 gegenüberstanden, finden sich in den chinesischen Ereignissen auf den entgegengesetzten Seiten der Barrikaden wieder. Die proletarische internationalistische Tendenz, vertreten durch das Internationale Komitee, verteidigt den Kampf der chinesischen Arbeiter und Studenten im Namen des internationalen Sozialismus und der politischen Revolution. Die kleinbürgerlich nationalistische Tendenz, vertreten durch die Renegatenführung der WRP, besonders Healy, Banda und Slaughter, solidarisiert sich in der einen oder anderen Form mit den Stalinisten.
Das ist kein Zufall. Die Degeneration der britischen Sektion hatte ihren Ursprung in einer Anpassung an Maoismus, Stalinismus und kleinbürgerlichen Radikalismus. Über Jahre hinweg blockierte die rechte Clique von Healy, Banda und Slaughter jede prinzipielle Diskussion über die Frage von China innerhalb des IK. Der Grund dafür lag darin, dass die Führung der britischen Sektion selbst nicht vollständig vom Pablismus gebrochen hatte.
Obendrein existierte innerhalb der Führung ein fauler Kompromiss mit Michael Banda, der zum nationalen Sekretär der WRP wurde. Bandas Ansichten über den Maoismus stimmten in allen wesentlichen Punkten mit denen der Pablisten überein. Healy und Slaughter befürchteten, dass eine Diskussion über diese Fragen im Internationalen Komitee eine politische Krise in ihrer eigenen Sektion hervorrufen könnte, die die praktische Arbeit in Großbritannien stören würde.
So schrieb Banda in den 1960er Jahren Erklärungen, die Mao und die Bewegung der Roten Garden priesen und ihnen sogar die Aufgabe der Vierten Internationale übertrugen. 1967 erklärte er z. B.: „Die Dialektik der Geschichte verwandelt die Kulturrevolution unausweichlich in eine politische Revolution.“ Diese revisionistischen Positionen entwaffneten die britische Bewegung ideologisch und machten sie anfällig gegenüber den mächtigen Klassenkräften, die in dieser Zeit auf sie einzuwirken begannen.
In der Woge der Radikalisierung des Kleinbürgertums, die in den 1960er Jahren Europa durchflutete und mit der studentischen Protestbewegung in Frankreich ihren Höhepunkt erreichte, übte der Maoismus einen beträchtlichen Einfluss aus. Diese sozialen Schichten neigten einer Ideologie, die sich auf Bauernkommunen und den „Volkskrieg“ stützte, gerade wegen ihres im wesentlichen antiproletarischen Inhalts zu.
Diese radikalisierten Elemente des Kleinbürgertums hatten zwar nicht gerade vor, Maos Langen Marsch in Europa nachzumachen, aber der Maoismus lieferte ihnen das beruhigende Bewusstsein, dass sie sich nicht dem Proletariat unterzuordnen brauchten, der einzig konsequent revolutionären Klasse in der kapitalistischen Gesellschaft. Dadurch bot der Maoismus dem radikalisierten Kleinbürgertum in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern die ideologische Rechtfertigung für seinen Versuch, die unabhängige revolutionäre Bewegung der Arbeiterklasse zu beherrschen und zu ersticken.
Die Tatsache, dass die Äußerungen von Revisionismus und von Anpassung an diese sozialen Schichten in der eigenen Führung nicht ausgefochten wurden, sollte für die britische Bewegung tödliche Konsequenzen haben. Anfang der 1970er Jahre schlug die Partei schnell eine zentristische Richtung ein. Zu Bandas Anpassung an den Maoismus gesellten sich in der WRP bald eine ganze Reihe von Positionen, die eine Kapitulation vor dem bürgerlichen Nationalismus, der Sozialdemokratie und der Gewerkschaftsbürokratie ausdrückten.
Zur Zeit der Spaltung 1985–1986 schloss sich Banda mit Cliff Slaughter zusammen – der heute der Chef einer Fraktion ist, die sich noch WRP nennt –, forderte die Zerstörung des Internationalen Komitees und verleumdete die gesamte Geschichte des Trotzkismus. Banda war der Autor des Hauptdokuments, mit dem die Spaltung gerechtfertigt wurde, den „27 Gründen, warum das Internationale Komitee begraben werden sollte“.
Nach der Spaltung brach Banda offen mit dem Trotzkismus, den er „eine ideologische Waffe des Weltimperialismus gegen die UdSSR“ nannte. Er pries Mao als den größten revolutionären Führer und erklärte seine bedingungslose Bewunderung für Stalin und die Moskauer Bürokratie.
Banda wies Trotzkis Definition zurück, dass der degenerierte Arbeiterstaat UdSSR eine Übergangsgesellschaft sei, der zwei Wege offenstanden: entweder die Restauration des Kapitalismus durch die Bürokratie oder der Sturz dieser Bürokratie durch die Arbeiterklasse und die Weiterentwicklung zum Sozialismus. Stattdessen erklärte er die Errungenschaften der Oktoberrevolution und auch der chinesischen Revolution von 1949 für „unumkehrbar“.
„Wenn Trotzkis Prognose richtig wäre, dann wäre es gerechtfertigt, zur politischen Revolution unter der Führung einer neuen Partei – der Vierten Internationale – aufzurufen, um eine kapitalistische Restauration zu verhindern“, schrieb Banda. „Aber dahin geht der Trend in der UdSSR, in China, Jugoslawien oder Indochina mit Sicherheit nicht.“
Banda hielt es niemals für nötig, sich mit den massiven Beweisen für das Gegenteil auseinanderzusetzen. Er ignorierte die Welle von Joint Ventures, die direkten imperialistischen Investitionen und die Restauration des Privateigentums in großem Umfang, die in China schon stattgefunden hat und in der UdSSR schnell zunimmt. Weil er den revolutionären Marxismus widerrufen und die revolutionären Fähigkeiten des internationalen Proletariats abgeschrieben hat, glaubt Banda weiterhin an die Unbesiegbarkeit der Stalinisten, so sehr sie auch durch die objektiven Ereignisse widerlegt wird. Diese grundlegende Ansicht teilt Banda mit allen Renegaten, die mit dem IKVI gebrochen haben.
Gerry Healy seinerseits fand nach fünfzig Jahren in der trotzkistischen Bewegung den direkten Weg nach Moskau als offizieller Gast der Gorbatschow-Bürokratie und des KGB bei den Feierlichkeiten zum siebzigsten Jahrestag der Oktoberrevolution. Seitdem hat er mit seiner Hostesse Vanessa Redgrave mehrere Reisen in die sowjetische Hauptstadt unternommen, wo sie sich dadurch bei Gorbatschow beliebt gemacht haben, dass sie ihm einen „trotzkistischen“ Deckmantel für seine politischen Manöver liefern.
Die zentrale These von Healys fehlbenannter „Marxist Party“ ist, dass Gorbatschow die „politische Revolution“ in der UdSSR anführe und deshalb bedingungslose Unterstützung verdiene. Es besteht kein Zweifel, dass dieses jämmerliche Schoßhündchen der Bürokratie auch Gorbatschows Unterstützung für die blutige Unterdrückung der Massen durch das Regime in Peking teilen wird. Ebenso wie in der UdSSR stellt auch in China die Opposition der Arbeiterklasse gegen diese „politische Revolution“, die von oben durch die Politik der kapitalistischen Restauration durchgeführt wird, in den Augen Healys und seines neuen Gönners Gorbatschow die „Konterrevolution“ dar.
Bleibt noch Cliff Slaughter, dessen WRP-Splittergruppe wiederholt die Analyse des IKVI über die Politik der stalinistischen Regime sowohl in Peking wie auch in Moskau verurteilt hat und darauf besteht, dass eine kapitalistische Restauration unmöglich sei. Slaughter und seine Anhänger sind zu unkritischen Unterstützern der Perestroika geworden.
Nirgendwo werden in den Erklärungen zu den chinesischen Ereignissen, die in der „Workers Press“ der Slaughter-Gruppe veröffentlicht worden sind, die Gefahr einer kapitalistischen Restauration oder die soziale Ungleichheit und die Unterdrückung, die von der prokapitalistischen Politik der Bürokratie ausgehen und das chinesische Proletariat in den Kampf treiben, auch nur erwähnt.
In der Ausgabe der Workers Press vom 20. Mai hieß es in einer „Lang lebe die chinesische Revolution“ betitelten Erklärung: „Die Bürokratie ist tief darüber gespalten, wie sie mit dieser Situation umgehen soll, die sie noch nie erlebt hat. Im Unterschied zur kapitalistischen Klasse hat sie kein unabhängiges Interesse an den Produktionsmitteln, mit dem sie ihre Interessen zementieren könnte.“
Das ist nichts weiter als eine feige Entschuldigung für die Pekinger Bürokratie. Ganz sicherlich hat sie „ein unabhängiges Interesse an den Produktionsmitteln“. Durch die Korruption und den Schutz ihrer ausgedehnten Privilegien hat die Bürokratie die Produktionsmittel immer für ihre eigenen Zwecke und gegen die Interessen der Wirtschaft und der Arbeiterklasse manipuliert.
Heute haben die prokapitalistischen Wirtschafts-„Reformen“, welche die Deng-Xiaoping-Führung in den letzten zehn Jahren durchsetzte, den Bürokraten und ihren Familien nicht nur ein „unabhängiges Interesse“ gegeben, sondern auch direktes oder indirektes Eigentum an wachsenden Teilen der Wirtschaft. Hohe Bürokraten benutzen ihre Positionen, um diese privaten Unternehmen mit Materialien und mit Aufträgen zu versorgen und dadurch die Privatbesitzer auf Kosten des verstaatlichten Sektors zu bereichern. Diese Praktiken, die eine ernste Bedrohung der Errungenschaften der chinesischen Revolution darstellen, haben Millionen Arbeiter in einen Kampf auf Leben und Tod gegen die Bürokratie geworfen. Genau dies deckt Slaughter sorgfältig ab.
Cyril Smith, Professor an der Londoner School of Economics, fungiert als die Speerspitze der WRP bei dieser revisionistischen Attacke gegen den Trotzkismus. In einem Artikel in der Workers Press vom 13. Mai 1989 schrieb Smith, während die Ereignisse in China in vollem Gange waren:
„Sie [das IKVI] sehen in Gorbatschows Glasnost und Perestroika nur eine beabsichtigte und bewusste Politik, den Kapitalismus wiederherzustellen.
Sie verurteilen jede Einschätzung dieser Veränderungen als Versuch eines Flügels der Bürokratie, sich gegen die Bewegung der sowjetischen Arbeiterklasse zu verteidigen.“
Indem die Slaughter-Gruppe also die kapitalistische Restauration und den Versuch der Bürokratie, sich gegen die Arbeiterklasse zu verteidigen, als einander ausschließende Gegensätze darstellt, drückt sie nur ihre Feindschaft gegenüber dem Trotzkismus aus. Gerade weil die Bürokratie sich gegen die Arbeiterklasse zu verteidigen versucht, will sie sich in eine wirkliche herrschende Klasse verwandeln.
Trotzki schrieb dazu in „Verratene Revolution“: „Keinesfalls kann man damit rechnen, dass die Bürokratie friedlich und freiwillig zum Besten der sozialistischen Gleichheit ihrer selbst entsage ... Sie wird sich auf einer weiteren Stufe unvermeidlich nach Stützen in den Besitzverhältnissen umsehen müssen ... Es genügt nicht, Direktor eines Trusts zu sein, man muss Teilhaber sein. Ein Sieg der Bürokratie auf diesem entscheidenden Gebiet würde bedeuten, dass sie sich in eine neue besitzende Klasse verwandelt hat.“ (Verratene Revolution, S.247)
In einem früheren Artikel hatte die Slaughter-Gruppe erklärt, gegen Gorbatschows Restaurationspolitik zu sein bedeute, die Ligatschow-Fraktion in der Bürokratie zu verteidigen.
Die Slaughter-Fraktion hat also im Wesentlichen die gleiche Theorie der „Unumkehrbarkeit“ angenommen, die auch von Banda vertreten wird, und unterstützt wie Healy, wenn auch in etwas vorsichtigerer Form, Gorbatschows prokapitalistisches Programm. Sie erklärt, dass die trotzkistische Bewegung nicht für eine unabhängige Linie in der Arbeiterklasse kämpfen, sondern nur zwischen der einen oder der anderen Fraktion der Bürokratie wählen könne.
Diese beiden Auffassungen sind in der Politik aller drei WRP-Renegaten untrennbar miteinander verbunden, genau wie bei allen revisionistischen Gruppen, die sich nicht auf den proletarischen Marxismus, sondern auf kleinbürgerlichen Opportunismus gründen. Indem sie die kapitalistische Restauration für unmöglich erklären und leugnen, dass die Bürokratie in den Arbeiterstaaten eine konterrevolutionäre Rolle spielt, weisen sie entweder – wie Banda – offen die politische Revolution zurück, oder verwandeln sie in ein Kennwort für ausdrückliche oder stillschweigende Unterstützung dieses oder jenes Teils der Bürokratie gegen die Arbeiterklasse – wie Healy und Slaughter.
Vor dem vierten Jahrestag der Spaltung im Internationalen Komitee ist jetzt klar, dass es keine prinzipiellen und programmatischen Fragen sind, die diese drei ehemaligen Führer der WRP trennen. Sie stehen vereint gegen das IKVI und die grundlegenden Prinzipien des Trotzkismus.
Unter Bedingungen, in denen die Versuche der Pekinger Bürokratie, den Kapitalismus wiederherzustellen, einen revolutionären Massenaufstand der chinesischen Arbeiter hervorgerufen haben, werden sie, wie alle pablistischen Tendenzen, zu direkten Agenten und Apologeten der Bürokratie.
Die dramatischen Ereignisse in China haben unterstrichen, dass wir in einer Periode leben, die vom Zusammenbruch der Vereinbarungen und Institutionen gekennzeichnet ist, auf denen die Beziehungen in der kapitalistischen Welt während der letzten vier Jahrzehnte beruht haben. Diese historische Krise entlarvt sehr schnell den Bankrott aller Agenturen des Imperialismus in der Arbeiterbewegung.
Das Massaker auf dem Tiananmen hat ein für allemal den Mythos zerstört, dass der Maoismus einen neuen Weg im Kampf für den Sozialismus und gegen den Imperialismus darstelle. Über und über mit Blut besudelt steht er vor aller Augen da, entlarvt als konterrevolutionärer Feind der Arbeiterklasse. Diese Entwicklung folgte unmittelbar auf die ausdrückliche Zurückweisung der sozialistischen Revolution durch die Gorbatschow-Bürokratie und die Kapitulation einer bürgerlich-nationalen Führung nach der anderen vor dem Imperialismus.
Die Entwicklungen in China kennzeichnen ein neues Stadium der politischen Revolution gegen die stalinistischen Bürokratien als integralen Bestandteil der sozialistischen Weltrevolution. Sie haben außerdem gezeigt, welche enorme historische Bedeutung dem langen Kampf der Vierten Internationale zukommt, die Perspektive der proletarischen Revolution gegen den Stalinismus und seine kleinbürgerlichen revisionistischen Rechtfertiger zu verteidigen.