WikiLeaks warnt: US-Justizministerium bereitet weitere Anklagepunkte gegen Assange vor

Wie WikiLeaks am Donnerstag warnte, bereitet das US-Justizministerium weitere Anklagepunkte gegen den Journalisten und Herausgeber Julian Assange vor.

Laut WikiLeaks basieren die Anklagepunkte auf den Aussagen von Sigurdur Thordarson, einem FBI-Informanten, der bereits wegen Betrugs verurteilt wurde. Er war vor Kurzem in die USA gereist, um sich einer Befragung zu stellen, die der Vorbereitung einer neuen Anklage diente.

Die Meldung wurde am gleichen Tag veröffentlicht wie die neuen Warnungen über Assanges Gesundheitszustand, der sich weiter verschlechtert hat. Assanges Vater, John Shipton, wollte seinen Sohn im Gefängnis Belmarsh besuchen, wurde aber mit der Erklärung abgewiesen, dieser werde gerade von einem Arzt besucht. Es handelte sich offenbar um eine dringende Behandlung.

Shipton erklärte gegenüber der australischen Zeitung Herald Sun: „Mein Besuchstermin war doppelt besetzt, er wurde abgesagt. ... [Der Arztbesuch] muss kurzfristig erfolgt sein, wenn es zu einer Terminüberschneidung kam.“

Anfang der Woche hatte der UN-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer, gewarnt, Julian Assange könnte im Gefängnis sterben, wenn seine Verfolgung nicht sofort eingestellt wird.

Der ABC-Reporter Philip Williams fragte Melzer: „Befürchten Sie, dass er wirklich im Gefängnis sterben könnte, wenn Ihre Mahnungen ignoriert werden?“ Darauf antwortete er: „Absolut, ja. Diese Befürchtung halte ich für sehr real.“

Die Trump-Regierung muss Großbritannien bis zum 14. Juni ihren vollständigen Antrag auf Assanges Auslieferung vorlegen. Die derzeitige Anklage umfasst 18 Punkte, bei denen es um Assanges Rolle bei der Enthüllung von US-Kriegsverbrechen und diplomatischen Verschwörungen geht. Die Höchststrafe für die bisherigen Anklagepunkte liegt bei 175 Jahren.

In der Pressemitteilung von WikiLeaks hieß es jedoch, die USA würden vermutlich eine Nachfolgeklage vorbereiten. Neben den bisher bekannten Anklagepunkten würden noch weitere Vorwürfe gegen Assange erhoben werden.

WikiLeaks schrieb: „Laut dem niederländischen Sender NOS wurde Sigurdur Thordarson letzte Woche in die USA geflogen und einem ,umfassenden Verhör‘ unterzogen. Dieses Verhör sollte der Vorbereitung einer Nachfolgeklage gegen Assange dienen, die bis Ende nächster Woche vorgelegt werden soll.“

Weiter hieß es in der WikiLeaks-Veröffentlichung: „Wie NOS berichtete, ist FBI Special Agent Megan Brown, die Leiterin der FBI-Untersuchung gegen Assange, am 6. Mai dieses Jahres zusammen mit Staatsanwalt Kellen Dwyer vom Bezirksgericht der Vereinigten Staaten für den Eastern District of Virginia nach Island gereist, um mit Unterstützung durch die isländische Polizei den FBI-Informanten Thordarson erneut zu verhören.“

Die Zusammenarbeit zwischen dem Justizministerium und Thordarson ist eine weiterer Beleg dafür, dass die Versuche der USA, Assange auszuliefern und anzuklagen, ein politisches Komplott sind und gegen grundlegende Rechtsnormen verstoßen.

Der FBI-Informant ist unglaubwürdig. Er ist bereits seit langer Zeit an illegalen Spionagetätigkeiten und staatlichen Provokationen beteiligt, außerdem wurde er in der Vergangenheit u.a. wegen Unterschlagung, Betrug und Sexualstraftaten gegen Minderjährige verurteilt. In einem ordnungsgemäßen rechtsstaatlichen Verfahren könnte Thordarson nicht als zuverlässiger oder ehrlicher Zeuge gelten.

Thordarson, ein gebürtiger Isländer, hat im Jahr 2010, im Alter von 17 Jahren, versucht sich WikiLeaks anzubiedern, indem er sich als freiwilliger Unterstützer für die Organisation gemeldet hat.

Innerhalb eines Jahres nach Beginn seiner Tätigkeit geriet Thordarson in Verdacht, WikiLeaks zu bestehlen. Im Jahr 2014 wurde er in Island in 18 Anklagepunkten im Zusammenhang mit Diebstahl schuldig gesprochen, u.a. hatte er Spenden für WikiLeaks auf sein privates Bankkonto umgeleitet. Die Medienorganisation erklärte, Thordarson habe bis zu 50.000 Dollar gestohlen.

Thordarson behauptet, er habe im August 2011 die amerikanische Botschaft in Reykjavik kontaktiert und ihr seine Unterstützung bei dem „derzeitigen Ermittlungsverfahren in den USA“ gegen Assange angeboten. Kurze Zeit später wurde er vom FBI als Informant rekrutiert.

Wie Thordarson selbst zugibt, hat er sich zwischen 2011 und 2012 in Reykjavik mehrfach mit FBI-Agenten getroffen. In dieser Zeit flogen die amerikanischen Behörden ihn dreimal nach Dänemark und einmal in die USA zu geheimen Gesprächen über WikiLeaks.

Er übergab dem FBI acht Festplatten mit Material, das angeblich von WikiLeaks stammt. Dafür erhielt er von der US-Regierung vierstellige Beträge.

Der FBI-Informant war an einer Verschwörung der amerikanischen Behörden beteiligt, Assange wegen krimineller Hackertätigkeiten anzuklagen. Er behauptete, er sei Anfang 2011 an die Hackergruppe Lulzsec herangetreten und habe sie gebeten, ihm beim Eindringen in die Computersysteme isländischer Regierungsbehörden und Unternehmen zu helfen.

Als Thordarson Lulzsec kontaktierte, hatte sich der Anführer der Gruppe, Hector Xavier Monsegur (auch bekannt als „Sabu“), bereits zur Zusammenarbeit mit dem FBI bereit erklärt, um einer Anklage zu entgehen.

Die Unterhaltungen zwischen Thordarson und Lulzsec fanden also faktisch zwischen einer von den US-Regierung geleiteten und kontrollierten Hackerorganisation und einem dubiosen isländischen Jugendlichen statt, der bereits im Verdacht stand, WikiLeaks bestohlen zu haben. Assange und WikiLeaks erklärten, sie wüssten nichts von Thordarsons Kontakten zu Lulzsec.

Im Juni 2011 warnten amerikanische Behörden Island vor einem drohenden Cyberangriff. Im August trafen acht oder neun FBI-Agenten per Flugzeug in Reykjavik ein. Sie kamen aus dem östlichen Distrikt von Virginia, wo ein Jahr zuvor eine geheime Grand Jury gegen WikiLeaks zusammengestellt wurde. Der damalige isländische Innenminister, Ögmundur Jonasson, forderte sie auf, das Land zu verlassen.

Jonasson enthüllte 2013 in einem Interview mit Katoikos, dass die Agenten den Auftrag hatten, „sich um unsere Kooperation bei einer Operation zu bemühen, bei der es, soweit ich es verstand, darum ging, Julian Assange und WikiLeaks etwas anzuhängen“. Er machte deutlich, dass das Aufstellen einer Falle für Assange etwas mit den US-Warnungen vor einem Cyber-Hackerangriff im Jahr 2011 zu tun hatte.

Jonasson fügte hinzu: „Da sie von den isländischen Behörden keine Erlaubnis hatten, in Island polizeilich tätig zu werden, und da ein hartes Vorgehen gegen WikiLeaks, vorsichtig ausgedrückt, nicht auf meiner Agenda stand, ordnete ich die sofortige Einstellung jeglicher Zusammenarbeit mit ihnen an. Ich machte außerdem deutlich, dass sie sämtliche Aktivitäten in Island sofort einzustellen haben.“

Thordarson deutete in einem Interview mit NOS an, dass es bei den neuen Anklagepunkten gegen Assange, die sich auf seine Aussagen stützen, um das Komplott von 2011 ging. Er erklärte, in seiner letzten Befragung durch das FBI sei es um seine Kontakte mit Monsegur gegangen.

WikiLeaks warnte in seiner Stellungnahme: „Das Verfahren in den USA würde zwar scheitern, weil sich die Anklage auf Aussagen der unglaubwürdigen Zeugen Thordarson und Monsegur stützt, doch die USA können die Identität ihrer Zeugen im Auslieferungsverfahren in Großbritannien verheimlichen, um ihre Erfolgsaussichten zu verbessern.“

Weiter hieß es: „Damit wird es für Assange unmöglich, die Glaubwürdigkeit der Zeugen während des britischen Auslieferungsverfahrens, das am 14. Juni beginnt, in Frage zu stellen.“

Die Vorbereitung weiterer Anklagepunkte gegen Assange ist das jüngste Stadium dessen, was der UN-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer, am 31. Mai als „eine unaufhörliche und unerbittliche Kampagne des öffentlichen Mobbing, der Einschüchterung und Verleumdung gegen Mr. Assange …, nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern auch im Vereinigten Königreich, in Schweden und in jüngster Zeit in Ecuador“ bezeichnet hatte.

Die Erklärung von WikiLeaks bestätigt Melzers Warnung, dass Assanges juristische Rechte und seine Menschenrechte missachtet werden. Melzer hatte erklärt, Assange sei das Opfer von „psychologischer Folter“.

Am Donnerstag erklärte Melzer gegenüber der unabhängigen britischen Publikation Canary: „Die mir vorliegenden Beweise legen eindeutig nahe, dass die Hauptverantwortung für die lang anhaltende und konzertierte Misshandlung, die Assange erleidet, bei den Regierungen von Großbritannien, Schweden, den USA und, seit Kurzem, auch von Ecuador liegt.“

Weiter erklärte er: „Dementsprechend wären diese Regierungen zusammen nicht nur für die absehbaren kumulativen Auswirkungen ihres Verhaltens verantwortlich, sondern auch jede einzeln für ihren jeweiligen Beitrag, ob durch direktes Handeln, Anstachelung, Zustimmung oder Duldung.“

Der UN-Sonderberichterstatter erwähnte das fingierte schwedische Verfahren gegen Assange wegen angeblichem sexuellem Missbrauch sowie das „geheime Verfahren der Grand Jury in den USA“, durch das dem WikiLeaks-Gründer eine lebenslange Haftstrafe droht. Er erwähnte auch, dass Ecuador ihm rechtswidrig das politische Asyl entzogen hat, und die „offene Voreingenommenheit der britischen Richter gegenüber Mr. Assange seit seiner Verhaftung“.

Die internationale Kampagne gegen Assange bildet die Speerspitze der Bestrebungen von Regierungen weltweit, grundlegende demokratische Normen wie die Meinungs- und Pressefreiheit abzuschaffen.

Dass eine Anklage wegen Verstoßes gegen das Spionagegesetz gegen den WikiLeaks-Gründer erhoben wird, hat die Schleusen für ähnliche Maßnahmen gegen Nachrichtenorganisationen in anderen Ländern geöffnet. Die Razzien der australischen Federal Police in dieser Woche gegen Journalisten, die staatliche Spionage und Kriegsverbrechen entlarvt haben, bestätigen dies.

Dies macht deutlich, dass der Aufbau einer internationalen Bewegung von Arbeitern, Studenten, Jugendlichen und allen Unterstützern von Bürgerrechten von entscheidender Bedeutung ist. Nur sie kann Assanges sofortige Freiheit garantieren und alle demokratischen Rechte verteidigen. Kontaktiert die WSWS und beteiligt euch an diesem entscheidenden Kampf.

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