Perspektive

Neun Häftlinge in Ägypten gehängt

Staatlicher Mord mit Unterstützung des Imperialismus

Als wollten sie die Barbarei der Militärdiktatur in Kairo zur Schau stellen, ließen die ägyptischen Behörden am 20. Februar neun junge Männer hängen. Die Todesurteile war in einem Schauprozess aufgrund von Geständnissen ergangen, die unter Folter erzwungen worden waren.

Die Zahl der politischen Gefangenen, die auf Befehl von Präsident Abdel Fattah al-Sisi in diesem Monat hingerichtet wurden, ist damit auf 15 gestiegen: Drei Menschen wurden am 7. Februar hingerichtet, weil sie den Sohn eines Richters ermordet hätten; drei weitere am 13. Februar, weil sie 2013 einen Polizisten umgebracht hätten. Die neun jüngsten Opfer gehörten zu einer 28-köpfigen Gruppe, der die Ermordung des Generalstaatsanwalts Hischam Barakat im Jahr 2015 zur Last gelegt wird.

Alle 15 Hingerichteten waren ausschließlich durch unter Folter erpresste Geständnisse überführt worden. Das Justizsystem des al-Sisi-Regimes ist von Massenprozessen und willkürlichen Anklagen geprägt. Die Richter fällen die vom Diktator geforderten Entscheidungen, Rechtslage und Beweise spielen dabei keine Rolle.

Laut einem Bericht von Middle East Eye hatten mehrere der am 20. Februar hingerichteten Männer ihre Geständnisse vor Gericht öffentlich widerrufen. Die Nachrichtenagentur postete einen Link zu einem Video, in dem die Angeklagten außerdem beschreiben, wie sie gefoltert wurden.

Der 23-jährige Mahmoud el-Ahmadi, der am Mittwoch hingerichtet wurde, erklärte vor Gericht: „Hier im Gerichtssaal befindet sich ein Polizist, der uns im Gefängnis gefoltert hat. Wenn Sie möchten, dass ich auf ihn zeige, werde ich es tun. Wenn ich einen Taser hätte, könnte ich jeden hier dazu bringen, ein Verbrechen zuzugeben, das er nicht begangen hat. Sie jagten Unmengen elektrischen Strom durch unsere Körper. Mit dieser Strommenge könnte man ganz Ägypten 20 Jahre lang versorgen“

Abulqasim Youssef, Student der al-Azhar-Universität, der ebenfalls am Mittwoch hingerichtet wurde, schilderte vor Gericht, wie er mit verbundenen Augen sieben Stunden lang kopfüber in einem Türrahmen aufgehängt und „an empfindlichen Körperstellen“ mit Stromschlägen gequält wurde.

Amnesty International verurteilte die jüngsten Hinrichtungen als Beweis für die völlige Gleichgültigkeit des Regimes gegenüber dem Recht auf Leben: „Die ägyptischen Behörden müssen dringend diesen blutigen Hinrichtungsrausch stoppen, bei dem in den letzten Wochen immer wieder Menschen nach grob unfairen Gerichtsverfahren getötet wurden. Die internationale Gemeinschaft darf zu diesem rapiden Anstieg der Hinrichtungen nicht schweigen. Ägyptens Bündnispartner müssen klar Stellung beziehen, indem sie die Anwendung der Todesstrafe, der grausamsten, unmenschlichsten und erniedrigendsten Strafe überhaupt, durch die Behörden verurteilen.“

Die „internationale Gemeinschaft“, an die dieser Appell gerichtet ist, besteht allerdings aus den Regierungen der imperialistischen Großmächte, die das ägyptische Militärregime, einschließlich seiner brutalsten Verbrechen, einmütig unterstützen.

Mit der blutigen Repression al-Sisis reagiert die herrschende Klasse Ägyptens auf die Revolution von 2011 – eine revolutionäre Massenbewegung, die den von den USA unterstützten Diktator Hosni Mubarak zu Fall brachte. Die ägyptische herrschende Elite verfolgt führende Figuren der Revolution sowie Oppositionsparteien im weiteren Sinne. Eine echte sozialistische Führung gibt es nicht.

Seit das Militär im Juli 2013 den gewählten Präsidenten und Führer der Muslimbruderschaft Mohamed Mursi stürzte, hat es auf den Straßen Kairos und in anderen Städten Tausende Menschen abgeschlachtet. Zehntausende wurden inhaftiert und gefoltert. Nun nimmt die Hinrichtungsmaschinerie Fahrt auf. Hunderte Gefangene, die in Schauprozessen verurteilt wurden, sollen ihr zum Opfer fallen. Die Zahl der zum Tode Verurteilten beträgt etwa 737, bei 51 von ihnen sind alle Berufungsmöglichkeiten ausgeschöpft.

Trotz der Verbrechen des Regimes stellen sich die Vereinigten Staaten und die imperialistischen Mächte Europas hinter al-Sisi. Je mehr Blut fließt, desto inniger wird er in Washington, Berlin, London und Paris willkommen geheißen.

Im Juni 2015 wurde der Schlächter von Kairo von Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Führern aller großen bürgerlichen Parteien – SPD, Grüne, Linken und CDU/CSU – in Berlin begrüßt.

Im April 2017 war al-Sisi zu Gast bei Donald Trump im Weißen Haus, wo die Fortsetzung der massiven US-Militärhilfe bestätigt wurde, mehr als 1,3 Milliarden Dollar pro Jahr. Letzten Monat reiste US-Außenminister Mike Pompeo nach Kairo und hielt dort eine fanatische anti-iranische Rede, in der er zugleich die ägyptische Diktatur „als Vorbild für alle Staatsführer und Völker des Nahen Ostens“ hochhielt.

Erst vor 25 Tagen begab sich Präsident Macron vor dem Hintergrund der Gelbwesten-Proteste in Frankreich nach Kairo, um Gespräche mit einem Präsidenten zu führen, der vorgemacht hat, wie man eine Volksbewegung in Blut ertränkt. Er versprach, mehr Waffen an das Regime zu verkaufen, darunter Rafale-Kampfjets und Panzerfahrzeuge.

Wie die WSWS aus diesem Anlass erklärte, stellte Macrons Besuch bei al-Sisi eine kaum verschleierte Drohung in Richtung der französischen Arbeiter und Jugendlichen dar. Er machte deutlich, dass sich die herrschende Elite darauf vorbereitet, „den sozialen Widerstand umso brutaler zu unterdrücken. Weltweit wendet sich die Kapitalistenklasse immer stärker autoritären Herrschaftsformen zu“.

Am kommenden Wochenende findet in Sharm el-Sheikh das erste gemeinsame Gipfeltreffen der Europäischen Union und der Arabischen Liga statt. Präsident al-Sisi empfängt mehr als 20 Staatsoberhäupter, darunter die britische Premierministerin Theresa May, den Präsidenten des Europäischen Rates Donald Tusk und den Präsidenten der Europäischen Kommission Jean-Claude Juncker.

Dass das ägyptische Regime nur wenige Tage vor diesem Gipfel neun Hinrichtungen durchführen lässt, zeugt von der Zuversicht al-Sisis, dass er die volle Unterstützung aller Gipfelteilnehmer hat, sowohl der arabischen als auch der „demokratischen“ Staatschefs der EU.

General al-Sisi sicherte sich 2018 die Wiederwahl, indem er die meisten seiner potenziellen Gegner verhaften ließ oder anderweitig zum Ausstieg aus dem Wahlkampf zwang. Ein Armeeoffizier, der es wagte, gegen ihn zu anzutreten, Sami Anan, wurde soeben zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Doch im Gegensatz zu dem Gezeter gegen den venezolanischen Präsidenten Nicholas Maduro, dessen Wiederwahl 2018 sich im Vergleich zu Ägypten als ein Muster an Demokratie ausnimmt, wurde die „Legitimität“ der Regierung al-Sisis nicht in Frage gestellt.

Vor zwei Wochen hat das ägyptische Parlament, das aus Handlangern al-Sisis besteht, mit der Prüfung einer Verfassungsänderung begonnen, die die Amtszeit des Präsidenten von vier auf sechs Jahre verlängern und die Beschränkung auf zwei Amtszeiten für al-Sisi aufheben soll. Auf diese Weise könnte der Militärdiktator nach dem Ende seiner laufenden (und eigentlich letzten) Amtszeit, die 2022 endet, noch weitere 12 Jahre, also bis 2034 im Amt bleiben. Dann wäre er 80 Jahre alt und somit zwei Jahre jünger als sein Vorgänger, der Militärherrscher Hosni Mubarak, der 2011 gestürzt wurde.

Doch ungeachtet solcher Änderungen ist höchst zweifelhaft, dass al-Sisi sein Ziel erreichen wird, ebenso lange an der Macht zu bleiben wie Mubarak. Mehr als 40 Prozent der ägyptischen Bevölkerung lebt in bitterer Armut und muss mit weniger als 2 Dollar pro Tag auskommen. Die Wirtschaft wächst kaum noch. Die Sparmaßnahmen, die der Internationale Währungsfonds und die Weltbank als Preis für weitere Kredite fordern, werden neue Angriffe auf die Arbeitsplätze und den Lebensstandard nach sich ziehen.

Die Opposition der Arbeiterklasse gegen das Regime nimmt zu. Die brutale Repression konnte den Ausbruch von Streiks in den Textilfabriken im Nildelta nicht verhindern. In ganz Nordafrika gibt es Massenkämpfe der Arbeiterklasse, zuletzt einen Generalstreik in Tunesien und Massenstreiks von Lehrern und anderen Beschäftigten in Marokko.

Die zentrale Frage ist der Aufbau einer neuen revolutionären Führung in der ägyptischen Arbeiterklasse, in ganz Nordafrika und im Nahen Osten. Eine solche Führung muss die Lehren aus dem Verrat an der ägyptischen Revolution von 2011 ziehen. Sie muss sich die Geschichte des Kampfs für den Aufbau der revolutionären Weltpartei der Arbeiterklasse aneignen, der heute vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale geführt wird.

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