Innenminister Horst Seehofer (CSU) hat am vergangenen Donnerstag auf einer Pressekonferenz den neuen Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), Thomas Haldenwang (CDU), vorgestellt. Die Veränderung an der Spitze des deutschen Inlandsgeheimdiensts dient dazu, diesen „nach den Turbulenzen der vergangenen Wochen“, wie es Haldenwang ausdrückte, zu stärken und die Bevölkerung intensiver zu überwachen.
Haldenwangs Vorgänger, Hans-Georg Maaßen, war von Seehofer Anfang November in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden, weil er sich öffentlich hinter die rechtsradikalen Aufmärsche in Chemnitz gestellt und gewaltsame Attacken auf Migranten, Linke und ein jüdisches Restaurant als „Falschinformation“ bezeichnet hatte. Vor den versammelten Chefs der europäischen Inlandsgeheimdienste hatte er am 18. Oktober in Warschau sogar von „linksradikalen Kräften innerhalb der SPD“ schwadroniert.
Mit der Ernennung des langjährigen BfV-Vizepräsidenten zu Maaßens Nachfolger unterstreicht die Große Koalition, dass sie am rechtsextremen Kurs der Behörde festhält. Haldenwang steht sogar noch deutlicher als Maaßen für die braune Kontinuität des BfV. Er arbeitete bereits für die Behörde, als die rechte Terrorzelle NSU Ende 2011 aufflog, in deren Umfeld sich zahlreiche V-Leute des Verfassungsschutzes tummelten. Zu diesem Zeitpunkt leitete Haldenwang die Zentralabteilung, im August 2013 wurde er dann zum BfV-Vize unter Maaßen ernannt.
Er sei „überzeugt, dass Herr Haldenwang die erfolgreiche Tätigkeit des Bundesamtes fortsetzen wird und wir mit ihm zu einer sachorientierten und vertrauensvollen Arbeit zurückkehren können“, verkündete Seehofer auf der Pressekonferenz. Haldenwang stehe „seit Jahren im engen und vertrauensvollen Dialog mit den Verfassungsschutzbehörden der Länder“, und er „setze darauf, dass das Bundesamt mit ihm an der Spitze den wichtigen Austausch in diesem Verbund mit den Ländern intensiv fortführen wird“.
Der neue Verfassungsschutzpräsident selbst ließ keinen Zweifel daran, was er unter „sachorientierter und vertrauensvoller Arbeit“ versteht. Auf die Frage eines Journalisten, was ihn mit seinem Vorgänger Hans-Georg Maaßen verbinde, erklärte er: „Mit meinem Vorgänger verbindet mich, dass wir fünf Jahre sehr vertrauensvoll miteinander zusammengearbeitet haben und in den wichtigen fachlichen Fragen unseres Amtes ein hohes Maß an Übereinstimmung hatten, auch bei der Frage, wie das Amt sich zukünftig ausrichten und orientieren soll.“ Und auf die Frage, was ihn von Maaßen unterscheide, antwortete er provokativ: „Was unterscheidet mich? Ich hab‘ ne rote Brille und ich trage keine Weste.“
Was das bedeutet, ist offenkundig. Maaßen hat das BfV in den vergangenen Jahren zu einem politischen Instrument gemacht, das offen mit der extremen Rechten paktiert und jede linke Kritik am Kapitalismus und der rechten Politik der etablierten Parteien als „linksextrem“ und „verfassungsfeindlich“ einstuft. Das deutlichste Beispiel ist der aktuelle Verfassungsschutzbericht. Während die AfD und ihr rechtsextremes Umfeld darin lediglich als „Opfer“ angeblicher „Linksextremisten“ genannt werden, wird die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) als „linksextremistische Partei“ und „Beobachtungsobjekt“ gelistet.
Haldenwang ist von der Großen Koalition zum BfV-Präsidenten ernannt worden, um diesen Kurs fortzusetzen, ohne sich – zumindest nach außen – derart offen mit den Rechtsradikalen zu identifizieren, wie dies Maaßen getan hat. In einer öffentlichen Anhörung der Präsidenten der Nachrichtendienste im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) des Bundestages am Freitag hat Haldenwang sogar den „Ausbau des Bereichs Bekämpfung und Umgang mit dem Rechtsextremismus“ angekündigt. Seine weiteren Ausführungen machten dann aber deutlich, dass er darunter eine massive Ausweitung der Internetzensur versteht.
„Eine besondere Rolle bei der Entwicklung des Extremismus spielen soziale Medien“, erklärte Haldenwang. Das BfV müsse „soziale Medien“ deshalb „im Blick behalten, die sowohl als Aufputschmittel als auch als Tatort fungieren können“. Es sei „noch nie so einfach gewesen, Hass- und Gewaltphantasien zu zelebrieren und dabei auch noch anonym zu bleiben“. Es gelte deshalb, „die Betreiber von sozialen Medien an ihre soziale Verantwortung zu erinnern und eine bessere Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden einzufordern“.
Es ist klar, dass sich solche Zensurmaßnahmen vor allem gegen linke Websites und Organisationen richten, die bereits jetzt massiv unterdrückt werden. „Meine Damen und Herren, auch die Linksextremisten steigern durch soziale Netzwerke und digitale Plattformen ihre Organisations- und Kampagnenfähigkeit“, schärfte Haldenwang den versammelten Vertretern aller Bundestagsparteien ein. Das BfV beobachte hier „die klare Strategie, reale und eingebildete gesellschaftliche Missstände aufzugreifen, den Anschluss an demokratische Protestformen zu suchen und diese dann extremistisch zu beeinflussen“.
Wer also reale gesellschaftliche Missstände aufgreift, an demokratischen Protesten teilnimmt und dort für eine sozialistische Perspektive kämpft, ist laut Haldenwang „Linksextremist“ und muss zensiert werden!
Der Kampf gegen „Linksextremismus“ geht Hand in Hand mit Ausländerfeindlichkeit und Rassismus. Über den „Bereich des Ausländerextremismus“ könne er „im Prinzip das Gleiche berichten“, betonte Halderwang. „Denn auch hier“ nutzten „die einschlägigen Gruppierungen digitale Kommunikationsmittel zur Organisation, Mobilisierung und Propaganda“. Das „Fazit“ könne „nur lauten, dass es für keine extremistische Gruppe in Deutschland Verständnis oder gar tolerierte Rückzugsräume geben darf“.
Um die Überwachung zu perfektionieren, fordert Haldenwang eine weitere Zentralisierung der Geheimdienste. Er wolle „unterstreichen, dass wir uns auch organisatorisch entwickeln müssen und die starke Zentralstellenfunktion des Bundesverfassungsschutzes nicht aus den Augen verlieren dürfen“. Gemeinsam mit den Landesämtern für Verfassungsschutz werde er „unter Beachtung der jeweiligen Potentiale eine intensivere Koordinierung durch das BfV vorantreiben“. Man brauche „effektive und gut aufgestellte Sicherheitsbehörden“.
Was Haldenwang vorschwebt, ist die totale Überwachung des Internets, inklusive der verschlüsselten Kommunikation. „Wir müssen die technologischen Herausforderungen im Zeitalter der Digitalisierung bewältigen können und technologisch auf der Höhe der Zeit sein“, erklärte er. Dazu bedürfe es „nicht nur eines weiteren Personalaufbaus von qualifiziertem IT-Personal und ausreichend finanzieller Ressourcen, sondern auch einer gesellschaftlichen Akzeptanz von Rechtsbefugnissen, die mit der aktuellen Lebenswelt korrespondieren“.
Bei „der Telekommunikationsüberwachung beispielsweise“ wolle er „das Problem des ‚going dark‘ in den Griff kriegen“. Trotz „steigender Datenmengen als Ergebnis der Digitalisierung“ könnten die Geheimdienste „heutzutage weniger Informationen über eine Person gewinnen als früher zu analogen Zeiten, weil die Masse an Informationen gar nicht mehr erfasst und ausgewertet werden kann“, beklagte er sich. Die „Verschlüsselungs- und Anonymisierungsmethoden“ hätten „zwar einen positiven Effekt für Sicherheit und Datenschutz“, führten „aber auch zu einem massiven Erkenntnisverlust für Nachrichtendienste“.
Im Verlauf der Anhörung durch das PKGr überschlugen sich die Geheimdienstchefs regelrecht mit Forderungen nach Aufrüstung und Überwachung. „Wenn also die Vorbereitung, Planung und Durchführung extremistischer Aktivitäten zunehmend mit digitalen Medien ausgeführt und in den Cyberraum verlagert wird, müssen auch wir sicherstellen, dass wir auch dort eine angemessene Aufklärung verfassungsfeindlicher Bestrebungen betreiben können“, mahnte Haldenwang.
Der Präsident des Bundesnachrichtendiensts (BND), Bruno Kahl, plädierte offen für sogenannte „Hack-Backs“, also offensive Cyberkriegsmaßnahmen, um etwa Angriffswerkzeuge „vorher unschädlich“ zu machen, „auf welche Weise auch immer“.
Die Geheimdienste können nur deshalb so aggressiv auftreten und auch rhetorisch an die Nazi- und Gestapo-Traditionen anknüpfen, weil ihnen niemand entgegentritt. Unter Bedingungen der tiefsten Krise des Kapitalismus seit den 1930er Jahren schließt die herrschende Klasse die Reihen und setzt wie in der Vergangenheit auf die Errichtung eines rechten, autoritären Regimes, um ihre Politik des Militarismus und der sozialen Konterrevolution gegen wachsende Opposition durchzusetzen.
Vor allem die sogenannten „linken“ Oppositionsparteien präsentieren sich dabei als unterwürfige Handlanger des staatlichen Polizei- und Geheimdienstapparats. Der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz pries Haldenwang bereits vor dessen Ernennung in den höchsten Tönen. „Ich freue mich auf die Zusammenarbeit“, sagte er. „Ich wünsche dem neuen Präsidenten eine gute Hand, die Dinge entschlossen anzugehen und verloren gegangenes Vertrauen wiederherzustellen.“
Stellvertretend für die Führung der Linkspartei wünschte das Mitglied der Linken im PKGr, André Hahn, Haldenwang „eine glückliche Hand bei Ihrer Tätigkeit. Sie werden sicherlich etwas offener und aufgeschlossener sein gegenüber dem Parlament als Ihr Amtsvorgänger“, fügte er hinzu. Tatsächlich hatte die Linke auch Maaßen von Anfang an unterstützt. Bereits kurz nach seinem Amtsantritt 2013 hatte sie ihn zu einer öffentlichen Versammlung eingeladen, um Maßnahmen zur „Stärkung“ der Behörde zu diskutieren.