Seit Januar sind mehr als 2000 Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken

Seit Beginn dieses Jahres sind mehr als 2000 Flüchtlinge, die in Europa Schutz und ein menschenwürdiges Leben suchten, im Mittelmeer ertrunken. Diese erschreckende Zahl von Todesopern teilte Charlie Yaxley, Sprecher des Flüchtlingshochkommissariats der Vereinten Nationen (UNHCR), am Dienstag mit. Das Mittelmeer bleibt damit seit Jahren die tödlichste Route für Migranten und Flüchtlinge weltweit.

Am Montag wurden auf dem offenen Meer nahe der spanischen Exklave Melilla in zwei Booten die Leichen von 17 Flüchtlingen entdeckt. Die spanische Seenotrettung teilte mit, dass 80 weitere Flüchtlinge gerettet worden seien. Zudem ertranken vier weitere Flüchtlinge vor Gibraltar, deren Boot kenterte. Hier konnten 22 Flüchtlinge gerettet werden, allerdings werden 17 weitere vermisst.

Mit diesen Unglücken stieg die Zahl der seit Jahresanfang im Mittelmeer ertrunkenen Flüchtlinge auf über 2000. Seit Januar 2014, also innerhalb von weniger als fünf Jahren, sind damit fast 16.000 Flüchtlinge im Mittelmer ums Leben gekommen. Die Hauptverantwortung für diesen furchtbaren Verlust an Menschenleben trägt die rigorose Abschottungspolitik der Europäischen Union.

Die brutale Verfolgung und Kriminalisierung von Flüchtlingen, ihre Denunziation als „illegale Immigranten“ treibt sie förmlich in die Hände rücksichtsloser Schmuggler, die ihre elende Situation ausnutzen und sie auf oftmals seeuntüchtigen Booten auf die gefährliche Überfahrt nach Europa schicken. Die zivile Seenotrettung, die Zehntausende von Flüchtlingen vor dem sicheren Tod gerettet hat, wurde von den Regierungen der EU-Staaten in den letzten Monaten zunehmend juristisch bekämpft und an die Kette gelegt. Seither sind die Flüchtlinge auf hoher See ihrem Schicksal ausgeliefert.

Das grauenvolle Massensterben auf dem Mittelmeer hält daher an, obwohl die Zahl der Flüchtlinge in diesem Jahr stark zurückgegangen ist und sich die Routen drastisch geändert haben. Das UNHCR wie auch die Internationale Organisation für Migration (IOM) zählten in diesem Jahr bislang rund 105.000 Flüchtlinge, die über den Seeweg nach Europa gelangt sind. Ein Jahr zuvor waren es noch 155.000 gewesen, 2016 fast 350.000.

Doch während 2017 noch drei von vier Flüchtlingen an den Küsten Italiens anlandeten, ist es in diesem Jahr nur noch einer von vieren. Dagegen haben die östliche Mittelmeerroute über die Ägäis nach Griechenland und vor allem die westliche Mittelmeerroute von Marokko nach Spanien an Bedeutung gewonnen.

In Griechenland sind in diesem Jahr mit rund 25.000 etwa genauso viele Flüchtlinge angelandet wie ein Jahr zuvor. In Spanien hat sich die Zahl hingegen mehr als verdreifacht, von 15.000 auf jetzt fast 50.000. Gleichzeitig hat sich die offizielle Zahl der Todesopfer auf der westlichen Mittelmeerroute zwischen Marokko und Spanien von 150 auf nunmehr annähernd 600 vervierfacht.

Die Verschiebung dieser Migrationsrouten hat verschiedene Ursachen. Neben der faschistischen Flüchtlingshetze des italienischen Innenministers Matteo Salvini und der rigorosen Zurückweisung von Flüchtlingen in italienischen Häfen sowie der Kriminalisierung der zivilen Seenotrettung spielt vor allem die enge Zusammenarbeit der Europäischen Union mit der sogenannten libyschen Küstenwache eine wichtige Rolle.

Die libysche Küstenwache besteht aus Milizionären, die sich selbst zur Küstenwache ernannt haben und von der EU ausgebildet und mit Booten und weiteren Materialien ausgestattet worden sind. Sie hat die Schutzzone der libyschen Gewässer völkerrechtswidrig auf mehr als 100 Seemeilen ausgedehnt und allen zivilen Rettungsbooten verboten, innerhalb dieser Zone Flüchtlingen in Seenot zu helfen.

Stattdessen drängt die Küstenwache die Flüchtlingsboote zurück an die libysche Küste und inhaftiert die Insassen auf unbestimmte Zeit. In den Gefängnissen oder Lagern werden sie oft brutal misshandelt und an Milizenführer weitergegeben, die sie als Arbeitssklaven einsetzen oder als solche verkaufen.

Dieses widerliche Geschäft mit menschlichen Leben wird von der Europäischen Union gebilligt. Sie hat auch vor, auf libyschem Boden selbst Internierungslager für Flüchtlinge zu errichten. Dort sollen Menschen interniert werden, die von Küstenwachtbooten oder Marineschiffen der EU aufgegriffen werden. Der Plan konnte bisher nur deshalb nicht realisiert werden, weil die EU auf libyscher Seite noch keinen Partner gefunden hat, der bereit wäre, sich auf die Bedingungen der EU für die Internierungslager einzulassen.

Auch die seit Anfang Juni in Spanien regierende Minderheitsregierung des Sozialdemokraten Pedro Sanchez hat, entgegen anfänglicher Beteuerungen, die Rechte von Flüchtlingen zu achten, die Daumenschrauben massiv angezogen.

Zu Beginn seiner Amtszeit hatte Sanchez das zivile Seenotrettungsschiff Aquarius in einen spanischen Hafen anlegen lassen, um die mehr als 630 Flüchtlinge an Bord nach einer wochenlangen Irrfahrt über das Mittelmeer zu versorgen. Doch inzwischen hat seine Regierung, die im Parlament von der pseudolinken Podemos unterstützt wird, ihren Kurs um 180 Grad geändert. Allein in den Monaten Juni bis August sind 19.000 Flüchtlinge aus Spanien abgeschoben worden. Die rechte Vorgängerregierung hatte in den ersten fünf Monaten des Jahres „nur“ 8000 Flüchtlinge abgeschoben.

Der spanische Innenminister Fernando Grande-Marlaska (PSOE) hat zudem mit seinem marokkanischen Amtskollegen Abdelouafi Laftit ein schmutziges Abkommen abgeschlossen. Im Gegenzug zu Finanzhilfen in Höhe von 140 Millionen Euro und der Lieferung von 75 Geländewagen für die marokkanische Grenzschutzpolizei dürfen die spanischen Behörden Flüchtlinge, die an der spanischen Küste aufgegriffen werden, direkt nach Marokko deportieren.

Diese sogenannten „Expressabschiebungen“ sind in hohem Maße illegal, da Zurückweisungen ohne Überprüfung von vorliegenden Fluchtgründen einen eklatanten Verstoß gegen die Genfer Flüchtlingskonvention darstellen. Gleichzeitig nehmen die Repressalien gegen Flüchtlinge in Spanien immer mehr zu. Sie werden in menschenunwürdigen Massenunterkünften untergebracht und immer öfter völlig unzureichend versorgt, obwohl die Bevölkerungsmehrheit in Spanien die Immigration weiterhin als unproblematisch ansieht und Flüchtlinge unterstützt und Willkommen heißt.

Auch auf den griechischen Ägäisinseln spitzt sich die Lage für die Flüchtlinge immer weiter zu. Dort sind in den vergangenen drei Monaten mehr als 10.000 Flüchtlinge angekommen, obwohl die Internierungslager, die von der EU als Hotspots bezeichnet werden, bereits völlig überfüllt sind. Auf der Insel Samos sind mittlerweile mehr als 4000 Flüchtlinge im Lager Vathi zusammengepfercht, das nur für 650 Menschen ausgelegt ist. Im berüchtigten Lager Moria auf der Insel Lesbos und auf der Insel Chios sieht es nicht anders aus.

Die griechische Regierung von Alexis Tsipras (Syriza) weigert sich beharrlich, die Situation in den Lagern zu entschärfen und die Flüchtlinge auf das griechische Festland auszuschiffen. Wie bei den drastischen Sozialkürzungen, die Millionen Griechen die Lebensgrundlage entzogen und sie ins Elend getrieben haben, weist Tsipras auch in der Frage der Flüchtlinge nach Brüssel und erklärt, dass ihm angeblich die Hände gebunden seien. Dabei haben Tausende verzweifelte Menschen in den Lagern kurz vor Wintereinbruch nicht einmal ein festes Dach über dem Kopf und sind Kälte und Nässe schutzlos ausgeliefert.

Flüchtlinge sind auf ihrem Weg nach Europa und auch innerhalb der EU zunehmender Willkür und Rechtlosigkeit ausgesetzt. Die fortschreitende Aushöhlung des Asylrechts und die Abschottungsmaßnahmen, die tausende Flüchtlinge dem sicheren Tod ausliefern, sind ein Angriff auf die demokratischen Rechte der gesamten Arbeiterklasse. Mit der Diskriminierung und Entrechtung von Flüchtlingen werden Polizeistaatsmaßnahmen und staatliche Willkür legitimiert, die dann gegen die gesamte Bevölkerung eingesetzt werden können.

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