Die World Socialist Web Site fordert die sofortige und bedingungslose Freilassung des österreichischen Studenten und Journalisten Max Zirngast und zweier türkischer linker Aktivisten, Mithatcan Türetken und Hatice Göz, die am 11. September von der politischen Polizei des rechtsautoritären Regimes von Präsident Recep Tayyip Erdogan wegen erfundener Anschuldigungen der Unterstützung des Terrorismus festgenommen wurden.
Anti-Terror-Einheiten schleppten Zirngast um 5 Uhr morgens aus seiner Wohnung in Ankara und verhafteten gleichzeitig die beiden türkischen Bürger, ebenfalls in Ankara.
Zirngast, Türetken und Göz wurden nach 10 Tagen Isolationshaft von Richter Fatih Yilmaz formell verhaftet und in Untersuchungshaft genommen. Dieser behauptete, dass ihre Verurteilung wegen "Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation" trotz der Unvollständigkeit der behördlichen Untersuchung wahrscheinlich sei und dass die Angeklagten ein Fluchtrisiko darstellten.
Die Untersuchungshaft in der Türkei ist eine Form der Rechtsunsicherheit, die sich über Jahre hinziehen kann, ohne dass die Angeklagten jemals vor Gericht gestellt werden.
Zirngast hat regelmäßig über türkische Politik für die österreichische Publikation re: volt, die deutsche Tageszeitung Junge Welt sowie die US-Website Jacobin geschrieben. Seine Artikel haben die reaktionären und despotischen Maßnahmen von Erdogan und seiner Regierungspartei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) kritisiert.
Er hat auch an der Zeitung von Toplumsal Özgürlük Partisi (TOP-Social Freedom Party) mitgewirkt, deren Mitglieder Mithatcan Türetken und Hatice Göz zusammen mit ihm angeklagt sind.
Zirngast wird in den türkischen Medien mit den klaren Worten zitiert, die er dem Staatsanwalt und dem Richter entgegenbrachte: "Ich bin Sozialist, ich verteidige universelle Werte".
Zu den Anschuldigungen der Terror-Polizei gegen Zirngast gehörte, dass er marxistische Literatur besaß, darunter Bücher des bekannten türkischen Marxisten und Gründers der Kommunistischen Partei, Hikmet Kivilcimli, der 1971 starb. Er wies in seiner Verteidigung darauf hin, dass er im Rahmen eines Kurses über "Politische Ideologien in der Türkei" an der Technischen Universität des Nahen Ostens, wo er ein Doktorand der Politikwissenschaft ist, über Kivilcimlis Arbeit referiert habe.
Studenten der Universität haben gegen seine Verhaftung protestiert und am vergangenen Donnerstag auf Twitter geschrieben, dass er "ein wertvolles Mitglied ihrer Studentenvertretung" sei.
"Neben all den linken Publikationen in meinem Haus gibt es auch viele Publikationen, die eher mit der rechten Ideologie in Verbindung gebracht werden", sagte Zirngast dem Gericht. "Man kann sogar Literatur und Kunst finden. Ich bin Forscher. In meinem Haus gibt es etwa 300 Bücher und andere Publikationen. In meiner Wohnung in Österreich gibt es doppelt so viele Bücher. Aber die Polizei nahm nur Bücher über die linke Ideologie mit."
Der Rest des "Beweises" gegen ihn bestand aus Bildern einer "terroristischen Organisation", d.h. kurdischer Separatisten, die auf seinem Handy gefunden wurden.
Zirngast wies auch die Anklage zurück, er sei der "Ankara-Führer der TKP/Kivilcim", und wies darauf hin, dass es keine solche Organisation gebe. "Ich kann nicht Mitglied einer Organisation sein, die nicht existiert", sagte er.
Sein Anwalt, Teoman Özkan, zitierte zwei Gerichtsurteile aus den Jahren 2012 und 2015, die ebenfalls bestätigten, dass es keine solche Organisation gibt. Ihr Name erscheint auch nicht auf der langen Liste der angeblichen "terroristischen" Organisationen der Türkei.
Murat Yilmaz, ein weiterer Anwalt von Zirngast, sagte: "Die Untersuchung ergab nichts Konkretes gegen meinen Mandanten, nur einige seiner Artikel. Er wird wegen seiner Gedanken verfolgt und wegen seiner sozialen Kontakte inhaftiert."
Unterdessen warf die Social Freedom Party (TOP) der Regierung Erdogan vor, dass die Verhaftung von Zirngast und ihren beiden Mitgliedern Teil eines Versuchs sei, legale sozialistische politische Aktivitäten zu unterdrücken. Sie sagte, dass die Partei gerade dabei gewesen sei, die Unterlagen für die Wahlteilnahme einzureichen, als die Razzien durchgeführt wurden, und dass die Verhaftungen auf eine lange Zeit der Schikanen durch die türkische Geheimpolizei folgten.
Zirngast machte deutlich, dass er nicht Mitglied einer politischen Partei in der Türkei sei, sondern diejenigen unterstützte, die seine Ideen teilten. Er habe für die TOP-Publikation geschrieben und an denjenigen Aktivitäten der Partei teilgenommen, die ihn interessierten und die zu seiner Forschung beitrugen.
Dieses jüngste antidemokratische Vorgehen fällt mit den Maßnahmen der Regierung Erdogan gegen die Massenproteste von Bauarbeitern auf dem Gelände eines neuen Flughafens in Istanbul zusammen, wo Streikende brutal angegriffen, Hunderte verhaftet und 24 von ihnen auf Anordnung eines türkischen Gerichts inhaftiert wurden.
Das einzige "Verbrechen" dieser drei politischen Gefangenen ist die Kritik und Aufdeckung der Verbrechen der Regierung Erdogan. Es geht ihnen wie Tausenden von anderen, die wegen ähnlicher Straftaten inhaftiert sind, obwohl sie nie veruteilt wurden.
Nach Angaben des Stockholm Center for Freedom (SCF) sitzen derzeit 237 Journalisten und Medienschaffende in der Türkei hinter Gittern, während über 150 Zeitungen und Fernsehstationen vom Erdogan-Regime geschlossen wurden.
Zu den jüngsten Aktionen der Regierung gehört die Schließung des Fernsehsenders Haytin Sesi TV, der sozialistische Positionen vertritt. Die Eigentümer und der Generaldirektor wurden zu drei Jahren und neun Monaten Gefängnis wegen Propaganda für terroristische Organisationen verurteilt. Staatsanwälte warfen der Station vor, sowohl die kurdische separatistische Arbeiterpartei Kurdistan (PKK) als auch den islamischen Staat zu unterstützen, die sich im Irak und in Syrien im Krieg miteinander befinden.
Dass gegen Max Zirngast, Mithatcan Türetken und Hatice Göz ähnlich absurde Anschuldigungen erhoben wurden, ist ein Maß für den reaktionären Charakter des Erdogan-Regimes und seine zunehmende Verzweiflung angesichts der sich verschärfenden wirtschaftlichen und politischen Krise und des wachsenden Klassenkampfes in der Türkei.
Die World Socialist Web Site fordert ihre Freilassung, ebenso wie die aller politischen Gefangenen in der Türkei. Arbeiter und Jugendliche auf der ganzen Welt müssen für ihre Freiheit mobilisiert werden.