Nach der Fusion der Warenhausketten Karstadt und Kaufhof drohen den 32.000 Beschäftigten Filialschließungen, der Abbau von Tausenden von Arbeitsplätzen und weitere Lohnsenkungen. Verdi hat derweil dem neuen Management die Zusammenarbeit dabei angeboten.
Am 11. September gaben der kanadische Kaufhof-Eigner Hudson’s Bay Company (HBC) und der österreichische Karstadt-Eigner Signa Group nach mehrmonatigen Verhandlungen offiziell den Zusammenschluss bekannt. Signa gehört dem Immobilien-Milliardär René Benko, der erst vor vier Jahren Karstadt übernommen hatte.
Zuletzt hatten die beteiligten Banken der Fusion zugestimmt. Nun übernimmt Signa 50,01 Prozent am Warenhausgeschäft der gemeinsamen Warenhauskette, die in Zukunft auch noch einen eigenen Namen erhalten soll. Zwei Einheiten mit 41 bzw. 18 Immobilien teilen sich Signa und HBC jeweils zur Hälfte. Das Bundeskartellamt muss dem Zusammenschluss der beiden Kaufhausketten noch zustimmen. Dies könnte bis zu vier Monate dauern.
„Jetzt beginnt eine Phase, die von harter Arbeit, großen betrieblichen Herausforderungen und fordernden Marktveränderungen geprägt ist“, kündigte Karstadt-Chef Stephan Fanderl an, der den fusionierten Konzern leiten wird.
Was das konkret heißt, ist noch unklar. Aber die Eigentümer der neuen „Deutschen Warenhaus AG“ haben Zahlen, nach denen allein bei den 20.000 Kaufhof-Stellen jede vierte wegfallen soll, nicht dementiert. Demnach verlangen die finanzierenden Banken den Abbau dieser 5.000 Arbeitsplätze. In jedem Fall gebe es Einsparpotential in der Logistik und beim Einkauf, schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung; „zudem sind Filialschließungen wahrscheinlich, insbesondere dort, wo zwei Filialen der bislang getrennten Ketten dicht nebeneinander stehen“.
Außerdem dürften in den beiden Konzernzentralen in Essen (Karstadt) und Köln (Kaufhof) Arbeitsplätze den „Synergieplänen“ zum Opfer fallen. Fanderl berichtete letzte Woche auf einer Betriebsversammlung, derzeit werde eine wirtschaftliche Analyse der beiden Standorte erstellt. Erst anschließend werde es eine Entscheidung geben. Der bereits zuvor beschlossene Abbau von 400 der 1600 Stellen in der Kölner Kaufhof-Hauptverwaltung bleibt davon unberührt. Schon letztes Jahr hatte Kaufhof 1300 Arbeitsplätze abgebaut.
Kaufhof macht seit der Übernahme durch HBC vor drei Jahren wachsende Millionenverluste und soll kurz vor der Insolvenz gestanden haben. Allein im letzten Jahr sollen die Verluste 100 Millionen Euro betragen haben. Während Kaufhof 2015 noch „ein grundsolides Unternehmen“ gewesen sei, stehe es nach fast 140-jähriger Geschichte, „am Rande der Pleite“, schreibt die Süddeutsche Zeitung. Im März dieses Jahres musste HBC-Finanzchef Edward Record gegenüber den Aktionären erklären, dass auch HBC im letzten Jahr „mehr als 900 Millionen Dollar cash verbrannt“ habe – das sind umgerechnet etwa 577 Millionen Euro. Daraufhin hatten die Banken, die den Kaufhof-Kauf vor drei Jahren finanziert hatten, auf einen Ausstieg von HBC und den Verkauf der Kaufhof-Kette gedrängt. HBC soll der Zeitung zufolge in drei Jahren kein einziges Mal die im Kreditvertrag vereinbarten Bedingungen erfüllt haben.
Erst nach der jetzt angekündigten Fusion ist der Kredit, den das Bankenkonsortium unter Führung der staatlichen Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) vor drei Jahren an HBC gab, für weitere sieben Jahre verlängert worden.
Von Beginn an standen bei den Kaufhof-Deals – wie schon beim Kauf von Karstadt durch Benkos Signa Group – die Immobilien im Vordergrund des Interesses. Noch Mitte Juni 2015 hatte HBC garantiert, über drei Jahre keine Warenhäuser zu schließen oder Jobs abzubauen; im Gegenteil, die Belegschaft werde möglicherweise erweitert. Doch schon vier Monate später berichtete seinerzeit das Manager Magazin, dass HBC den Kaufpreis offenbar von Kaufhof selbst mitfinanzieren lassen wolle, unter anderem über Mieterhöhungen. Der jährliche Mehraufwand für Kaufhof läge bei 48 Millionen Euro.
Dies hielt Uwe Hoepfel, Gesamtbetriebsratsvorsitzender von Kaufhof, nicht davon ab, noch im Juni 2016 in der Mitarbeiterzeitung zu behaupten, mit dem Bekenntnis zum Erhalt der Standorte und zu den umfassenden Investitionen zeige HBC, wie ernst das Engagement des Investors gemeint sei.
Ein Jahr später, im Sommer 2017 titelte Finanzmarktwelt Online: „Galeria Kaufhof vor dem Aus? Über ein Immobilien-Schneeballsystem". Demnach wurde der Kaufpreis für Kaufhof in Höhe von 2,8 Milliarden Euro mit Krediten – die, wie wir heute wissen, selten bedient wurden – und durch das Kaufobjekt selbst durch Mieterhöhungen finanziert. „Durch die Mieterhöhungen wiederum steigerte HBC den Wert der Immobilien formal um ca. eine Milliarde Euro.“ 2,6 Milliarden Euro des Immobilienportfolios seien in eine Immobilien-Beteiligungsgesellschaft namens HBS Global Properties eingebracht worden, an der HBC 63 Prozent hielt. „Der Rest des Immobilienportfolios wurde an Investoren weitergereicht.“
„Das Spekulieren auf weiter steigende Preise ist das eigentliche Motiv für das beharrliche, jahrelange Interesse von Karstadt an Kaufhof“, kommentiert die Süddeutsche Zeitung nun. Die Immobilien seien dem österreichischen Unternehmer René Benko so viel wert, „dass er dafür sogar das schwierige Warenhausgeschäft auf sich nimmt“. Wegen der Immobilien stieg auch HBC nicht ganz aus. „Im Kern geht es also um Spekulationsgeschäfte mit Immobilien: Ware Haus statt Warenhaus. HBC hat mit den Immobilien viele Millionen verdient.“
Doch die Milliardäre, die sich um die Immobilien Karstadts und Kaufhofs in bester Innenstadtlage reißen, hätten nicht so ein einfaches Spiel, wenn die Gewerkschaft Verdi dieses Spiel nicht seit Jahren tatkräftig unterstützen würde.
2010 feierte die Gewerkschaft den Milliardär Nicolas Berggruen als neuen Retter des damals Verluste schreibenden Karstadt-Konzerns. Verdi handelte daraufhin einen über drei Jahre währenden Gehaltsverzicht aus, der dem Management 150 Millionen Euro einbrachte. Karstadt machte dennoch weiter Verluste, während Berggruen 7,5 Millionen Euro jährlich allein aus den Karstadt-Namensrechten kassiert, die er für eine Einmalzahlung von fünf Millionen erworben hatte. 2014 verkaufte Berggruen die Karstadt-Kette für den symbolischen Euro, den auch er bezahlt hatte, an René Benko weiter. Ein Jahr später hatte dieser die drei traditionsreichen Karstadt-Luxuskaufhäuser Oberpollinger in München, das Alsterhaus in Hamburg und das Kadewe in Berlin an thailändische Investoren verkauft, Filialen von Karstadt, Karstadt Sports und der Lebensmitteltochter Perfetto abgestoßen.
Auch Benko hatten die Verdi-Gewerkschafter und Betriebsräte herzlich begrüßt. Jürgen Ettl, der Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Karstadt, attestierte Karstadt-Chef Fanderl vor drei Jahren: „Herr Fanderl packt die Dinge konsequent an.“ Die Löhne sind bis heute niedriger als noch bei den Kaufhof-Beschäftigten, die nach Tarif bezahlt werden.
Auch hier sollen nun die Beschäftigten die Zeche zahlen. Verdi verhandelt mit dem Kaufhof-Management seit November 2017 über die Einführung eines Sanierungs-Tarifvertrags. Nun sind diese Verhandlungen wegen der Fusion unterbrochen, aber es ist klar, dass die Löhne und Gehälter der Kaufhof- an die der Karstadt-Beschäftigten angeglichen werden und nicht umgekehrt.
Ettl verwies darauf, dass gerade die Beschäftigten von Karstadt Sicherheiten und eine positive Perspektive verdient hätten. Seit vielen Jahren verzichteten sie für den Erhalt von Karstadt auf Teile ihres Tarifgehalts.
Verdi hat den Eigentümern von Karstadt und Kaufhof angeboten, gemeinsam mit ihnen und ihren Betriebsratsvertretern die kommenden Sanierungspläne auszuarbeiten. „Es ist jetzt allerhöchste Zeit, gemeinsam mit den Betriebsräten und Verdi ein tragfähiges Zukunftskonzept zu entwickeln“, sagte Verdi-Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger am Dienstag letzter Woche. Sie trat schon 2015 für den Verkauf von Kaufhof an Benko ein. Nun sitzt sie zusammen mit Verdi-Handelssekretär Arno Peukes im Aufsichtsrat von Karstadt.
Im Juli hatte die WSWS geschrieben, dass der Niedergang der Kaufhausketten den Bankrott des Profitsystems veranschauliche. Vor 150 Jahren waren die Kaufhäuser als Symbole der aufsteigenden kapitalistischen Warengesellschaft entstanden und prägten bis Ende der 1990er Jahre die Innenstädte. Heute sorgen die globale Finanzkrise und der Vormarsch von Online-Händlern wie Amazon und Zalando dafür, dass Namen wie Wertheim, Horten, Hertie oder Woolworth aus der Kaufhauslandschaft verschwunden sind.
Löhne und Arbeitsplätze, erklärten wir seinerzeit, können daher nur auf der Grundlage eines sozialistischen Programms verteidigt werden, indem die Arbeiter die großen Banken und Konzerne enteignen und das Wirtschaftsleben nach gesellschaftlichen Bedürfnissen anstatt nach denen der Aktionäre und Spekulanten neu organisieren: „Dies ist jedoch nicht möglich, solange der Widerstand der Verkäuferinnen und Verkäufer den Entscheidungen der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und ihren Betriebsräten untergeordnet wird.“