Perspektive

In Saudi-Arabien droht einer Aktivistin die Enthauptung

In Saudi-Arabien fordert die Staatsanwaltschaft die Enthauptung der 29-jährigen Aktivistin Israa al-Ghomgham. Auch vier weitere Aktivisten, darunter ihr Mann, Moussa al-Hashem, sollen enthauptet werden. Ihr „Verbrechen“ bestand darin, dass sie gewaltfrei gegen die Diktatur des Königshauses demonstriert, Parolen gegen das Regime gerufen und Videos davon in den sozialen Medien gepostet hatten.

Al-Ghomgham ist die erste Frau, die in Saudi-Arabien wegen mutmaßlichen politischen Straftaten hingerichtet werden soll. Die Todesurteile gegen sie und vier weitere Verurteilte sind bezeichnend für das kriminelle Regime, das den Ruf hat, engster Verbündeter der USA in der arabischen Welt zu sein.

Die Proteste, die zur Anklage führten, fanden in der Hafenstadt Qatif in der ölreichen Ostprovinz des Königreichs statt, wo der Großteil der schiitischen Bevölkerung des Landes lebt. Seit dem Jahr 2011 richteten sie sich gegen die systematische Diskriminierung und Unterdrückung der Schiiten durch eine Monarchie, die der offiziellen Staatsdoktrin des Wahhabismus‘ anhängt. Die Wahhabiten sind eine ultrakonservative, sunnitischen Sekte.

Die Demonstranten forderten Gleichheit und bessere soziale Verhältnisse in einer Region, die trotz ihres Ölreichtums zutiefst vernachlässigt wird, sowie Meinungsfreiheit und die Freilassung der politischen Gefangenen. Der Staat reagierte darauf mit hartem Durchgreifen der Polizei und ließ ganze Gemeinden unter Kriegsrecht stellen.

Israa al-Ghomgham und ihr Ehemann wurden am 6. Dezember 2015 bei einer nächtlichen Polizeirazzia in ihrem Haus verhaftet. Seither sitzen sie seit 32 Monaten im Gefängnis, mehr als zwei Jahre davon ohne Zugang zu einem Anwalt, und ohne dass man offiziell Anklage gegen sie erhoben hätte. Da al-Ghomghams Familie aus der Arbeiterklasse stammt, hatte sie kein Geld für einen Anwalt. Erst als ihr Vater an die Öffentlichkeit ging, um das Geld aufzutreiben, meldete sich ein Rechtsanwalt freiwillig, um sie zu verteidigen.

Sie und ihre Mitangeklagten wurden vor dem Sonderstrafgericht (SCC) angeklagt, das im Jahr 2008 vorgeblich für Anklagen wegen Terrorismus geschaffen wurde. Die Verfahren vor diesem Gerichte sind Schauprozesse. Die Angeklagten haben fast keine Rechte, und das Urteil und die Strafe werden im Vorfeld von der Monarchie festgelegt.

Das Gericht hat die Aufgabe, das berüchtigte Antiterrorgesetz von 2017 umzusetzen. Laut diesem Gesetz gelten Beleidigungen des saudischen Königs und des 33-jährigen Kronprinzen und Thronerben Mohammed bin Salman als Terrorismus.

Das gleiche Gericht hatte im Jahr 2014 den bekannten schiitischen Geistlichen Nimr al-Nimr und sieben weitere schiitische Aktivisten zum Tode verurteilt. Sie wurden im Januar 2016 bei einer Massenhinrichtung von insgesamt 47 Menschen getötet. Im gleichen Jahr verurteilte der Gerichtshof vierzehn weitere Menschen wegen konstruierten politischen Vorwürfen zum Tode.

Das Regime lässt die enthaupteten Leichen seiner Opfer regelmäßig öffentlich kreuzigen, um die Bevölkerung in Angst zu versetzen und jeden Widerstand gegen die absolute Herrschaft des saudischen Königshauses im Keim zu ersticken.

Zu diesem Zweck fordert das Regime jetzt auch erstmals die Hinrichtung einer Frau wegen politischen Widerstands. In der Vergangenheit wurden allerdings schon viele Frauen wegen anderer Straftaten hingerichtet. Wegen Ehebruchs verurteilte Frauen werden regelmäßig zu Tode gesteinigt. Ein saudischer Henker erklärte vor kurzem in der Tageszeitung Sabq, dass Frauen sich bei Enthauptungen stärker wehrten als Männer. Deshalb sei er dazu übergegangen, sie durch Kopfschuss zu töten.

Saudi-Arabien lässt mehr Menschen pro Kopf hinrichten als jedes andere Land der Welt. Letztes Jahr wurden fast 150 Menschen enthauptet, und 2018 könnte dieser grausige Rekord sogar noch übertroffen werden. Bereits im ersten Quartal des Jahres stieg die Zahl der Enthauptungen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 70 Prozent.

Die Opfer dieser Hinrichtungen sind nicht nur politische Gegner der Monarchie, sondern auch Personen, die von saudischen Gerichten des Atheismus, der Blasphemie, des Ehebruchs, der Homosexualität oder der Hexerei schuldig gesprochen werden.

Die Trump-Regierung hat sich bisher nicht zur drohenden Hinrichtung von Israa al-Ghomgham und ihrer Mitangeklagten geäußert. Auch die Medien hielten sich bisher bedeckt, und kein einziger prominenter Leitartikel ging auf ihr Schicksal ein.

Das barbarische Staatsverbrechen erregt in den amerikanischen Mainstreammedien kaum einen Bruchteil der Aufmerksamkeit der „Reformen“, derer sich Kronprinz Mohammed bin Salman brüstet. Vor allem wurde prominent darüber berichtet, dass das Fahrverbot für Frauen aufgehoben wurde (Wie viele Frauen können sich in Saudi-Arabien ein Auto leisten?). Dabei wurde kaum erwähnt, dass die Polizei zahlreiche saudische Aktivistinnen, die sich für Gleichberechtigung einsetzen, verhaftet hat, und dass etwa vierzehn von ihnen noch immer hinter Gittern sitzen.

Es fällt auf, dass gerade #MeToo-bewegte Prominente Stillschweigen bewahren über die drohende Hinrichtung einer saudischen Frau, die sich gegen Unterdrückung gewehrt hat. Das vorgebliche Engagement für die Frauen erstreckt sich niemals auf die Opfer des Kapitalismus und meidet jeden Konflikt mit den globalen Interessen des US-Imperialismus.

Als bin Salman im April die USA besuchte, wurde er nicht nur von der Trump-Regierung mit allem Pomp empfangen, sondern auch von den Medien gefeiert. Amerikanische Milliardäre wie Jeff Bezos von Amazon, Oprah Winfrey, Bill Gates und Apple-Vorstandschef Tim Cook empfingen ihn mit offenen Armen.

Sie hoben diesen Staatskriminellen und Mörder auf den Sockel, weil er den Energiekonzernen, Waffenherstellern und Banken, die an Saudi-Arabiens Ölreichtum mitverdienen wollen, hohe Profite verschaffen kann.

Seit mehr als 70 Jahren unterstützen Demokratische wie Republikanische US-Regierungen die saudische Monarchie, eins der reaktionärsten Regimes der Welt. Von den USA bis an die Zähne bewaffnet, ist das Regime eine zentrale Stütze der amerikanischen Nahostpolitik. Die Trump-Regierung hat diese Unterstützung im Zusammenhang mit ihrem verschärften Aggressionskurs gegen den Iran noch weiter ausgebaut. Sie arbeitet daran, eine Koalition gegen den Iran zusammenzustellen, der Saudi-Arabien und Israel angehören, um den Einfluss des Iran in der Region zurückzudrängen und die Hegemonie der USA wiederherzustellen.

Nicht nur die Trump-Regierung schweigt über die drohenden Enthauptungen einer saudischen Frau und ihrer Mitangeklagten, die gewaltloser Proteste beschuldigt werden. Genauso hat auch schon Obama in seiner Amtszeit die Massenhinrichtungen politischer Gefangener niemals ernstlich verurteilt. Beide Regierungen haben Waffengeschäfte im Wert von hunderten Milliarden Dollar mit dem saudischen Regime unterzeichnet.

Beide Regierungen haben den saudischen Truppen zudem unverzichtbare militärische Unterstützung für den völkermörderischen Krieg gegen den Jemen verschafft. Im bettelarmen Jemen sind bisher etwa 16.000 Menschen getötet worden, und mehr als 8,5 Millionen Menschen leiden Hunger.

Wie die Medien am 23. August berichteten, sind bei einem saudischen Luftangriff 27 Zivilisten getötet worden, darunter zweiundzwanzig Kinder. Dabei handelte es sich um die Angehörigen einer Familie, die aus einem umkämpften Teil der belagerten Hafenstadt Hodeidah zu fliehen versuchte. Erst vierzehn Tage zuvor hatte am 9. August eine Bombe, die die USA geliefert hatten, einen Bus voller Schulkinder in Stücke gerissen. Vierzig der 51 Todesopfer waren Kinder. Diese Massenmorde werden in den Medien kaum erwähnt und veranlassen die USA niemals dazu, ihre Unterstützung für den brutalen Krieg zu überdenken.

Die Diktatur des saudischen Königshauses, ihre monströsen Verbrechen und die Unterstützung durch die USA strafen die „Menschenrechts“-Propaganda der USA Lügen, die der Regierung in Washington nur dazu dient, ihre räuberischen Ziele in Venezuela, Syrien, dem Iran, Russland, China und vielen weiteren Ländern zu rechtfertigen.

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