Handelskrieg der USA erdrosselt türkische Wirtschaft

Die türkische Währung stürzte Ende vergangener Woche gegenüber dem US-Dollar um 16,2 Prozent ab, nachdem US-Präsident Donald Trump damit gedroht hatte, türkische Exporte in die USA mit hohen Zöllen zu belegen.

Auf Twitter schrieb Trump: „Ich habe gerade eine Verdoppelung der Zölle für Stahl und Aluminium aus der Türkei genehmigt. Nun verliert ihre Währung, die Türkische Lira, schnell gegen unseren sehr starken Dollar! Zoll auf Aluminium wird 20 Prozent und auf Stahl 50 Prozent betragen. Unsere Beziehungen zur Türkei sind derzeit nicht gut!“

Der Fall der Lira und die Abschottung der US-Märkte gegenüber türkischen Metallexporten gefährden Arbeitsplätze und die gesamte Wirtschaft in der Türkei. Im Jahr 2017 verkaufte die Türkei 1,5 Millionen Tonnen Stahl in die USA, ihren größten Stahlexportmarkt. Als die Lira im Verhältnis von weniger als 2:1 gegen den Dollar getauscht wurde, konnte die Türkei einen Großteil ihrer Auslandsverschuldung abbauen. Seitdem die Landeswährung nun im Verhältnis von 6,62 Lire zu 1 US-Dollar gehandelt wird, sind die Kosten für Importe und die Bedienung der rund 453 Milliarden US-Dollar ausstehenden Auslandsschulden der Türkei explodiert.

Der Euro und die wichtigsten Aktienindizes sind unter dem Eindruck eines neuen Finanzcrashs, der von der Türkei ausgehen könnte, stark gefallen. Die Europäische Zentralbank überwacht mehrere große europäische Banken, die gegenüber Risiken aus Türkei-Krediten stark exponiert sind, darunter die spanische BBVA, die italienische UniCredit und die französische BNP Paribas. Spanische, französische und italienische Banken haben der Türkei jeweils 83,3 Milliarden, 38,4 Milliarden bzw. 17 Milliarden Dollar geliehen.

Als sich der Zusammenbruch der Lira in den letzten Tagen beschleunigte, wandte sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hilfesuchend an Russland und China. Am Mittwoch kündigte er an, dass die Türkei sogenannte „Panda-Anleihen“, d. h. auf chinesische Renmimbi Yuan statt auf US-Dollar lautende Schuldverschreibungen begeben wird, „um ihre Finanzierungsquellen zu diversifizieren“.

Ende letzter Woche führte Erdoğan ein Telefongespräch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Laut einer Erklärung des Kremls wurden dabei der „Stand und die Aussichten für die weitere Entwicklung einer für beide Seiten vorteilhaften Handels- und Wirtschaftskooperation zwischen den beiden Ländern erörtert“. Die beiden Präsidenten äußerten sich „positiv“, so der Kreml, auch zu möglichen „gemeinsamen strategischen Projekten, vor allem im Energiesektor“.

Während die amerikanisch-türkischen Beziehungen zusammenbrechen, versucht Trump mit seinen Handelskriegsmaßnahmen Ankara zu zwingen, die Angriffe auf die Arbeiterklasse zu verschärfen und die türkische Außenpolitik den Forderungen des US-Imperialismus völlig unterzuordnen. Trumps Tweet machte deutlich, dass seine Zolldrohungen die wirtschaftliche Vergeltung für die vielen explosiven Auseinandersetzungen zwischen den USA und der Türkei über die Außenpolitik sind.

Erdoğan seinerseits prangerte die Maßnahmen als „Wirtschaftskrieg gegen die Türkei“ an und erklärte: „Wer Dollar oder Gold unter seinem Kissen hat, sollte Gold und harte Währung in Lira umtauschen.“ Er versprach, einen „nationalen Kampf“ gegen den Fall der Lira zu führen und fügte hinzu: „Vergesst nicht, sie mögen ihr Geld haben, wir haben unser Volk, unseren Gott.“

Hinter seiner Pose als Antiimperialist versucht Erdoğan verzweifelt, einen Deal mit Washington abzuschließen. Der türkische Handelsminister Ruhsar Pelcan sagte, er werde „Präsident Trump bitten, an den Verhandlungstisch zurückzukehren“ und „die Entfremdung zwischen den NATO-Partnern ... durch Dialog zu stoppen“.

Die Erdoğan-Regierung versucht auch, die großen europäischen und amerikanischen Banken auf Kosten der Arbeiter zu beschwichtigen. Gestern hat der türkische Finanzminister Berat Albayrak in einer Grundsatzrede versprochen, die Staatshaushalte zu kürzen, die Zinsen zu erhöhen, „Strukturreformen“ durchzusetzen und weitere Sparmaßnahmen zur Stabilisierung der türkischen Finanzen und zur finanziellen Unterstützung ausländischer Investoren zu ergreifen.

Die Finanzkommentatoren lehnten die Darstellung Albayraks jedoch ab und forderten, dass die Erdoğan-Regierung die Sparmaßnahmen weiter vorantreibt.

Bülent Gültekin, ein ehemaliger Gouverneur der türkischen Zentralbank, der jetzt an der University of Pennsylvania lehrt, sagte der Financial Times, dass die Banken noch mehr Zusicherungen bräuchten, da es unklar sei, „wie die Wirtschaftspolitik geplant oder durchgeführt wird und wer wofür verantwortlich ist“. Er forderte mehr Sparsamkeit in der Türkei, die „ein Anpassungsprogramm braucht, um das Vertrauen zu erzeugen, dass man sich der Probleme bewusst ist und versucht, etwas dagegen zu unternehmen. Die Märkte sind nervös, weil sie diese Signale noch nicht erhalten haben.“

Win Thin, ein Stratege bei Brown Brothers Harriman & Company, meinte: „Das wird nicht gut ausgehen. So, wie die Dinge laufen, müssen die Märkte auf eine harte Landung in der Wirtschaft gefasst sein, auf Zahlungsausfälle von Unternehmen mit Fremdwährungsschulden und mögliche Bankzusammenbrüche.“

Vor allem versucht Trump, das türkische Regime auf eine Linie mit der US-Außenpolitik zu bringen: mit der Kriegsführung in Syrien, der Aufkündigung des iranischen Atomabkommens und den Kriegsvorbereitungen gegen den Iran. All dies ist Teil eines umfassenderen Plans zur Durchsetzung der geostrategischen Hegemonie der USA in Eurasien. Die Bestrebungen der USA, den Iran zu sanktionieren und Russland und China ins Visier zu nehmen, haben Washington in einen offenen Konflikt mit Ankara gebracht.

In den letzten Tagen hat Washington Sanktionen nicht nur gegen den Iran, sondern auch gegen Russland verhängt. Beide Staaten haben sich gegen den Stellvertreterkrieg der USA für einen Regimewechsel in Syrien gewandt und Syriens Präsident Baschar al-Assad gestützt. Während die USA dem westlichen Nachbarn des Iran, der Türkei, Zölle auferlegt, droht sie auch mit einem Veto gegen IWF-Darlehen an den östlichen Nachbarn des Iran, Pakistan, der eine zentrale Rolle in Chinas eurasischen Infrastrukturplänen „One Belt, One Road“ (das „Seidenstraßenprojekt“) spielt. US-Außenminister Mike Pompeo sagte, es gebe „keinen Grund, IWF-Dollars aus Steuergeldern auszugeben, um chinesischen Anleihegläubigern oder China selbst aus der Patsche zu helfen“.

Zwischen Ankara und Washington ist ein erbitterter Streit um die Inhaftierung des US-Pastors Andrew Brunson ausgebrochen, den Ankara der Beteiligung an dem gescheiterten (von den USA und Deutschland unterstützten) Militärputsch im Jahr 2016 beschuldigt. Brunson drohen nun 35 Jahre Gefängnis. Am Mittwoch sind die US-türkischen Gespräche über seinen Fall offenbar gescheitert, und der stellvertretende US-Außenminister John Sullivan forderte Ankara unverblümt auf, Brunson innerhalb einer Woche freizulassen.

Türkische Anwälte der „Vereinigung für soziale Gerechtigkeit und Beistand“ haben eine Petition eingereicht, in der sie die vorübergehende Schließung des NATO-Stützpunktes Inç̯irlik und die Verfolgung von sieben US-Offizieren in Inç̯irlik fordern, die in den Putsch verwickelt sein sollen.

Inzwischen wird immer deutlicher, welche breiteren geostrategischen Berechnungen Washington und Berlin dazu veranlasst haben, den Putschversuch 2016 gegen Erdoğan zu unterstützen. Die Hinwendung der Türkei zu engeren Beziehungen zu Russland und China ist für die NATO-Mächte und insbesondere für Washington grundsätzlich inakzeptabel. Hintergrund sind die zunehmenden Konflikte zwischen der Türkei und der Nato, beispielsweise wegen der Unterstützung der Nato für kurdische Milizen in Syrien.

In einer Kolumne vom 8. August beklagte die Financial Times, dass „die Türkei nach Eurasien zurückkehrt und Russland und China davon auf Kosten Amerikas und Europas profitieren werden“.

Sie fügte hinzu: „Die Türkei, Nato-Partner oder nicht ... ist bereits das dritte Standbein einer neuen Machtkonstellation im Nahen Osten, zusammen mit Russland und dem Iran. Nur mit grünem Licht aus Russland, dessen Luftwaffe das Blatt im syrischen Bürgerkrieg gewendet hat, konnten die Türken die von den USA unterstützten syrisch-kurdischen Streitkräfte daran hindern, ihre Territorien zu einer selbstverwalteten Einheit zu vereinen, die sich mit dem wiederaufflammenden kurdischen Aufstand in der Türkei verbindet.“ Sie warnte auch davor, dass „es nicht schwer ist zu sehen, dass die chinesische Regierung versucht, Ankara in ihre One Belt, One Road-Initiative einzubinden, neben beispielsweise Pakistan und dem Iran“.

Trump macht in der Frage der iranischen Sanktionen deutlich, dass Washington keine Abweichung der Türkei von der US-Kriegspolitik im Nahen Osten tolerieren wird. Indem er Ankara ins Visier nimmt, setzt Trump seine Drohung gegen Handelspartner des Iran auf Twitter um: „Wer mit dem Iran Geschäfte macht, wird NICHT mit den Vereinigten Staaten Geschäfte machen.“

Ankara hat sich jedoch geweigert, wieder Wirtschaftssanktionen gegen den Iran zu verhängen. „Wir haben immer wieder deutlich gemacht, dass wir die Sanktionen der USA gegen den Iran nicht umsetzen werden“, erklärte der türkische Außenminister Mevlut Çavuşoğlu letzte Woche.

Noch in diesem Jahr wird Ankara 9,5 Milliarden Kubikmeter iranisches Erdgas kaufen, von dem ein Großteil der türkischen Stromerzeugung abhängt. Energieminister Fatih Donmez sagte: „Wir werden diesen Handel fortsetzen, denn wir können unsere Bürger nicht im Dunkeln sitzen lassen.“

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