Julian Assange droht Ausweisung aus ecuadorianischer Botschaft

Die Londoner Times berichtete am 15. Juli über geheime Gespräche der britischen und der ecuadorianischen Regierung. Sie beabsichtigen offenbar, WikiLeaks-Herausgeber Julian Assange aus der ecuadorianischen Botschaft in London auszuweisen, wo er seit sechs Jahren politisches Asyl genießt.

In dem Artikel heißt es, die Gespräche seien „ein Versuch, Assange aus der Botschaft zu entfernen“, und sie würden auf höchster Regierungsebene geführt. Der britische Staatsminister im Außenministerium, Sir Alan Duncan, ist persönlich daran beteiligt.

Der Bericht ist der jüngste öffentliche Hinweis auf die Verschwörung zwischen der britischen, US-amerikanischen und ecuadorianischen Regierung. Offensichtlich haben sie vor, Assanges politisches Asyl unter Verletzung des Völkerrechts zu beenden und ihn in britischen Gewahrsam zu nehmen. Die Großmächte sind entschlossen, den WikiLeaks-Herausgeber wegen seiner Rolle bei der Aufdeckung von Kriegsverbrechen und diplomatischen Intrigen in der ganzen Welt strafrechtlich zu verfolgen.

Die Times wies auf den Zeitpunkt hin, zu dem die Gespräche jetzt stattfanden. In Kürze wird der ecuadorianische Präsidenten Lenin Moreno Großbritannien Ende Juli einen Besuch abstatten. Seit den Wahlen im vergangenen Jahr hat Moreno die von seinem Vorgänger Rafael Correa eingeleitete Rechtswende verschärft. Er vertieft die wirtschaftlichen und militärischen Beziehungen zu den USA und Großbritannien und bezeichnet Assange als „Hacker“, „lästige Bazille“ und „unser geerbtes Problem“.

Der Times-Bericht enthält weitere Hinweise auf den immensen Druck, den die USA und Großbritannien auf die ecuadorianische Regierung ausüben. Die Times zitiert Quellen aus dem Umfeld von Assange, denen zufolge die USA damit drohten, ein großes Darlehen des Internationalen Währungsfonds an Ecuador zu hintertreiben, solange Assange in der ecuadorianischen Botschaft verbleibe.

Im vergangenen Monat reiste US-Vizepräsident Mike Pence nach Ecuador, um die bröckelnde Dominanz der US-Regierung über Lateinamerika zu stärken. Im Mittelpunkt der Gespräche stand die Einbeziehung Ecuadors in die Wirtschafts- und Militäraktion der USA gegen Venezuela. Es besteht jedoch kein Zweifel, dass Assanges Verfolgung hinter geschlossenen Türen ebenfalls ein wichtiges Thema war.

Am Vorabend von Pence‘ Abreise publizierten zehn prominente Senatoren der Demokratischen Partei einen offenen Brief, in dem sie den Vizepräsidenten aufforderten, von Moreno die Vertreibung Assanges zu verlangen. Dieser unverschämte Ruf nach staatlicher Verfolgung eines politischen Flüchtlings ist deutliches Anzeichen für eine fieberhafte Kampagne in US-Regierungskreisen, Assange in ihre Fänge zu bekommen.

Die ecuadorianische Regierung hat sich wiederholt den Forderungen der Großmächte gebeugt. Im März wurden Assanges Internetzugang gekappt und sein Recht gestrichen, Besucher zu empfangen, abgesehen von gelegentlichen Besuchen seiner Anwälte. So sollen unerträgliche Bedingungen für Assange geschaffen werden, damit er die Botschaft freiwillig verlässt. Laut WikiLeaks-Mitarbeitern hat Ecuador innerhalb des Gebäudes ein „feindseliges Klima“ für Assange geschaffen, unter anderem durch die Anweisung an das Botschaftspersonal, sich ihm nicht zu nähern oder mit ihm zu sprechen.

Moreno und sein Außenminister, der in den USA ausgebildete José Valencia, haben öffentlich eine unsinnige Asylkonzeption skizziert, die voraussetzt, dass Assange zu politischen Entwicklungen schweigen müsse. Sie haben erklärt, sein Asyl werde „nicht ewig dauern“. Der Bericht macht deutlich, dass sich Ecuador darauf vorbereitet, Assange zu vertreiben, und zeigt die wahre Bedeutung von Morenos euphemistischer Erklärung am 12. Juli, seine Regierung verhandle mit Großbritannien über eine „Lösung des Problems“ Assange.

Die ecuadorianischen Behörden wissen sehr wohl, dass Assange von den britischen Behörden verhaftet wird, sobald sie ihm das Asyl aberkennen. Sie könnten ihn unter dem Vorwand geringfügiger Verletzung der Kautionsbedingungen von 2012 aus der Botschaft drängen. Die britische Theresa May-Regierung hat sich wiederholt geweigert, eine Garantie dafür abzugeben, dass Assange nicht an die USA ausgeliefert werde. In den USA könnte ihm jedoch die Todesstrafe drohen, weil er wegen Spionage vor Gericht gestellt würde.

Der kriminelle Charakter der Verschwörung gegen Assange wurde am vergangenen Freitag durch ein sehr klares Urteil des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte unterstrichen. Das ist die offizielle Menschenrechtsbehörde der Organisation Amerikanischer Staaten, der Ecuador angehört.

Das Gericht stellte nämlich fest, dass auf der Grundlage des Völkerrechts Staaten in jedem Fall verpflichtet sind, das Asylrecht zu respektieren. Es erklärte, dass alle Staaten, auch Dritte Parteien, verpflichtet seien, eine sichere Durchreise zu dem Land zu gewähren, welches das Asyl gewährt hat. Das Gericht stellte weiter fest, dass der Grundsatz der Nichtzurückweisung – das Verbot der Überstellung eines Asylbewerbers in ein Land, in dem er bereit Verfolgung ausgesetzt war –, in allen Fällen gelte, auch dann, wenn diplomatisches Asyl extraterritorial erteilt worden war.

Obwohl Assange nicht erwähnt wurde, ist das Urteil des Gerichts eine deutliche Zurückweisung all der Machenschaften, die das Asyl des WikiLeaks-Herausgebers mit Füßen treten. Assange erhielt 2012 von Ecuador bedingungsloses politisches Asyl und wurde 2016 von den Vereinten Nationen als „willkürlich inhaftiert“ eingestuft, unter Bedingungen der Verletzung des Völkerrechts.

Mit ihren Angriffen auf Assange wollen die Großmächte neue Präzedenzfälle für die Verfolgung von Journalisten, Informanten und politischen Dissidenten schaffen.

Geoffrey Robertson, ein WikiLeaks-Berater, der eine prominente juristische Autorität ist, erklärte vor wenigen Tagen, die Verfolgung Assanges wegen Spionage durch die Trump-Administration beinhalte die Schaffung einer „neuen Rechtstheorie“, die den Schutz der freien Meinungsäußerung durch den Ersten Verfassungszusatz der US-Verfassung einschränke. Dabei werde argumentiert, dass dieser Schutz sich nicht auf ausländische Journalisten erstrecke. Robertson erklärte, die Verteidigung von Assange werde „unter diesem Gesichtspunkt zu einem wichtigen Thema für die Verteidigung der freien Presse“.

Die Angriffe auf Assange zeigen deutlich, dass sich Regierungen auf der ganzen Welt autoritären Herrschaftsformen zuwenden. In dem Bewusstsein, dass Militarismus, Krieg und Sparpolitik von der großen Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt werden, versucht die herrschende Klasse, das Internet zu zensieren. Sie will Arbeiter und Jugendliche daran hindern, Zugang zu alternativen Medien zu erhalten, die sich nicht an den Interessen der Wirtschaft und des Staates orientieren.

Rechtsschutz und demokratische Rechte, die seit Jahrzehnten oder sogar Jahrhunderten gelten, werden zerschlagen, weil sich die Regierungen auf die Unterdrückung gesellschaftlicher Massenkämpfe gegen Krieg und Sozialkahlschlag vorbereiten. Dies macht deutlich, dass die Verteidigung von Assange für alle Befürworter demokratischer Rechte ein wichtiges Thema ist.

Während die parlamentarischen Parteien, pseudolinken Organisationen und etablierten Medien in jedem Land Assange befeinden, wird er von Millionen von Arbeitern und Jugendlichen zu Recht als mutige Person betrachtet. Sie rechnen ihm hoch an, dass er Kriegsverbrechen und Regierungsverschwörungen gegen die Bevölkerung aufgedeckt hat.

Die weit verbreitete Sympathie für Assange muss mobilisiert und in eine politische Massenbewegung der Arbeiterklasse gegossen werden, die seine sofortige Freilassung und ein Ende seiner Verfolgung fordert.

In Großbritannien muss die Forderung erhoben werden, dass die Regierung May ihre politisch motivierten Kautionszahlungen fallen lässt. In Australien muss der Aufruf ergehen, die liberal-nationale Bundesregierung zu zwingen, die Rechte von Assange als Staatsbürger wahrzunehmen, unter anderem durch eine Intervention, um seine Rückkehr nach Australien mit einer Garantie gegen die Auslieferung an die USA zu sichern.

In Betrieben, Fabriken, Stadtteilen und an Universitäten müssen Vorbereitungen für massenhafte politische Aktionen getroffen werden, einschließlich Protesten, Demonstrationen und Streiks, für den Fall, dass Assange aus der ecuadorianischen Botschaft ausgewiesen und in die USA ausgeliefert werden sollte.

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