In Italien verhandeln die rechtsextreme Lega und die Protestbewegung Fünf Sterne intensiv über die Bildung einer gemeinsamen Regierung. Berichten zufolge sollen die Verhandlungen rasch voranschreiten. Mit einem Ergebnis wird bereits Anfang kommender Woche gerechnet.
Noch am Montag hatte Staatspräsident Sergio Mattarella seine Bemühungen um die Bildung einer neuen Regierung für gescheitert erklärt und eine Expertenregierung sowie baldige Neuwahlen vorgeschlagen. Am Mittwoch ebnete dann Silvio Berlusconi den Weg für erneute Verhandlungen zwischen der Lega und dem Movimento 5 Stelle (M5S). Diese waren zuvor daran gescheitert, dass das M5S nicht gemeinsam mit Berlusconis Partei Forza Italia regieren wollte, die in einem Bündnis mit der Lega zur Parlamentswahl angetreten war. Nun hat Berlusconi sein Einverständnis signalisiert, dass die Lega allein eine Regierung mit dem M5S bilden kann.
Kommt eine derartige Regierung zustande, würde darin die rechtsextreme Lega den politischen Ton angeben. Obwohl die Lega nur etwas mehr als halb so stark ist wie das M5S, hat dessen Sprecher Vincenzo Spadafora bereits erklärt, dass seine Partei nicht auf dem Amt des Ministerpräsidenten bestehe.
Am wahrscheinlichsten sei, dass nicht Lega-Chef Matteo Salvini oder M5S-Führer Luigi Di Maio Ministerpräsident werde, sondern eine dritte Person, die „mit unserem Regierungsprogramm in Einklang steht“, sagte Spadafora dem Corriere della Sera. Als möglicher Ministerpräsident ist neben zwei parteilosen Kandidaten der führende Lega-Politiker Giancarlo Giorgetti im Gespräch.
Aufgabe einer solchen Regierung wäre es, das Diktat der internationalen Finanzmärkte in einem Land durchzusetzen, das von hoher Armut und Arbeitslosigkeit, einer tiefen Bankenkrise und einer extrem hohen Staatsverschuldung geprägt ist. Spadafora betonte im Interview mit dem Corriere della Sera, der zukünftige Ministerpräsident müsse eine „Person mit hohem Ansehen“ sein, „die das Vertrauen sowohl der italienischen Bürger als auch der internationalen Partner genießt“. Mit „internationalen Partnern“ ist offensichtlich die EU gemeint.
Es ist bezeichnend, dass sowohl die Lega wie das M5S in jüngster Zeit von der Forderung abgerückt sind, aus der Eurozone und der Europäischen Union auszutreten oder ein Referendum darüber abzuhalten. Im Wahlkampf hatten beide die EU heftig angegriffen. Sie kritisieren zwar nach wie vor die Stabilitätsvorschriften der EU, über deren Rücknahme sie mit Brüssel „höflich und verantwortungsvoll“ verhandeln wollen, wie Lega-Chef Salvini auf einer Pressekonferenz in Brüssel erklärte. Doch dabei geht es um die Nachteile italienischer Unternehmen und nicht um die verheerenden Folgen der EU-Austeritätspolitik für die Arbeiterklasse.
Die Lega will eine Flat-Tax einführen, die einen Rückgang der Steuereinnahmen zur Folge hätte und die Reichen und die Unternehmen Italiens massiv entlasten würde. Die im Wahlkampf ebenfalls versprochene Rücknahme der letzten Rentenreform, die das Renteneintrittsalter auf 67 Jahre erhöhte, wird dagegen dem Rotstift zum Opfer fallen. Und das Versprechen eines „bedingungslosen Grundeinkommens“, das dem M5S im armen Süden des Landes zahlreiche Stimmen eingebracht hatte, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als italienische Version der deutschen Hartz-Reformen. Es ist an strikte Auflagen gebunden, möglichst schnell einen schlecht bezahlten Job anzunehmen.
Die größte Übereinstimmung zwischen der Lega und dem M5S gibt es bei den Themen Migration und innere Sicherheit. Die Lega hat im Wahlkampf versprochen, sofort eine halbe Million Migranten zu deportieren, was nur mit Nazi-Methoden möglich ist. Das M5S hat sich dieser Kampagne weitgehend angeschlossen. Sie dient dazu, Chauvinismus zu schüren, ein ausländerfeindliches Klima zu schaffen und den Staatsapparat aufzurüsten, um jede Form von sozialem Widerstand zu unterdrücken.
Die Lega verfolgt seit langem diesen Kurs. In den 1980er Jahren als Lega Nord entstanden, hatte sie ursprünglich das Ziel, den reicheren Norden vom ärmeren Süden Italiens abzuspalten. Sie war an allen Regierungen des rechten Immobilien- und Medientycoons Silvio Berlusconi beteiligt und hetzte gegen Flüchtlinge und Migranten. Unter Salvini dehnte sie sich dann national aus, strich das „Nord“ aus dem Namen und orientierte sich am französischen Front National Marine Le Pens.
Die Fünf-Sterne-Bewegung hat eine andere Geschichte. Sie entstand 2008, dem Jahr der internationalen Finanzkrise, als Reaktion auf den politischen Bankrott der offiziellen Linken und ihrer pseudolinken Anhängsel. Während eine von der Demokratischen Partei (PD) geführte oder gestützte Regierung nach der anderen die Folgen der Krise auf die Bevölkerung abwälzte, stieß das M5S in das entstandene Vakuum vor und instrumentalisierte die entstandene Wut, Empörung und Frustration für seine Zwecke.
Der Gründer des M5S, der Komiker Beppe Grillo, tat anfangs nicht viel mehr, als auf den Marktplätzen gegen die Korruption der herrschenden Eliten anzubrüllen. Seine Partei gab vor, weder rechts noch links zu sein, und konnte viele frühere Wähler der PD und ihrer pseudolinken Anhängsel gewinnen.
Der rechte Charakter der neuen Partei war aber bereits damals deutlich zu erkennen. Vor fünf Jahren, am 9. März 2013, schrieben wir auf der WSWS, der Wirtschaftsteil des Programms des M5S sei „unmissverständlich rechts“: „Unter dem Mantel des Kampfs gegen Korruption, Monopole und Bürokratie tritt es für einen historischen Angriff auf die Arbeiterklasse und den gesamten Rahmen des Sozialstaats der Nachkriegszeit ein. Während es sich scheinbar gegen die korrupte politische Kaste wendet, sind sein wirkliches Ziel die sozialen Errungenschaften der italienischen Arbeiterklasse.“
Das Programm betone „die Interessen kleiner und mittlerer Unternehmer, die sowohl die Arbeiterklasse wie die großen Monopole als Gegner betrachten“, erklärten wir. „Grillo versucht sehr gezielt, die Arbeiterklasse zu spalten, indem er Jugendliche ohne Zukunft, verarmte Schichten und Kleinunternehmer gegen ältere Arbeiter und öffentliche Beschäftigte ausspielt.“ Eine sozialistische Umwälzung der Gesellschaft lehne die Grillo-Bewegung kategorisch ab. „Ihre Antwort auf die Vorherrschaft kapitalistischer Monopole ist nicht deren Vergesellschaftung, sondern die Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen. Ihre Antwort auf die Globalisierung ist nicht die Vereinigung der Arbeiterklasse, sondern die Stärkung des Nationalstaats.“
Damals erhielten wir viele empörte Zuschriften, die das M5S als fortschrittliche Bewegung bezeichneten. Dass sie fünf Jahre später bereit ist, gemeinsam mit der ultrarechten Lega eine Regierung zu bilden, ist eine wichtige Lehre, die weit über Italien hinaus reicht.
„Nur ein unabhängiges Eingreifen der Arbeiterklasse auf Grundlage eines sozialistischen Programms kann eine fortschrittliche Antwort auf die kapitalistische Krise geben“, schrieben wir vor fünf Jahren. „Das erfordert eine schonungslose Kritik von Grillos M5S sowie der Gewerkschaften, der Pseudolinken und aller anderen Organisationen, auf die sich das Überleben der kapitalistischen Herrschaft stützt.“ Das ist durch die jüngste Entwicklung bestätigt worden.