Merkel-Macron-Gipfel: Wachsende Differenzen zwischen Deutschland und Frankreich

Am Donnerstag trafen sich der französische Präsident Emmanuel Macron und Kanzlerin Angela Merkel in Berlin. Das Treffen bot eine Menge Konfliktstoff: Eine knappe Woche zuvor war Syrien bombardiert worden, und in wenigen Tagen steht beiden, Merkel und Macron, eine Reise in die USA bevor.

Auf einer kurzen Pressekonferenz verteidigten beide entschieden den grundlosen und illegalen Bombenangriff auf Syrien. Gleichzeitig betonten sie, dass sie zusammen mit Großbritannien das Atomabkommen mit dem Iran aufrechterhalten wollen.

Die Risse im Nato-Bündnis treten immer deutlicher hervor, und die Kriegspolitik der einzelnen Länder verschärft ihre gegenseitigen Rivalitäten. Die Unterstützung für das Iran-Abkommen durch Berlin und Paris bringt sie einerseits in Konflikt mit der Trump-Regierung, die damit gedroht hat, es aufzukündigen. Andererseits geraten die beiden EU-Führungsmächte auch untereinander in Konflikt. Merkel schwieg zu Macrons Forderung nach einer neuen Finanzarchitektur für die Eurozone. Wie berichtet wurde, sind Berlin und Paris über beides, sowohl die Finanzpolitik als auch den Angriff auf Syrien vom 14. April, heftig aneinandergeraten.

Merkel eröffnete den Schlagabtausch mit der Forderung nach einer starken EU-Armee. Sie schlug einen hektischen Ton an und verwies auf die zunehmende Zahl von Nato-Kriegen rund um Europa. Sie erklärte, die „Neugestaltung Europas“ sei „mehr als nur das Friedensprojekt“. Es „muss vielmehr auch ein Projekt sein, das zeigt, dass wir [...] unsere Interessen nur gemeinsam weltweit vertreten können“. Merkel forderte eine „gemeinsame Außenpolitik“ und warnte: „Aber wir wissen angesichts der Kriege, die um uns herum stattfinden [...], was auch unweit von Europa an Gefahren lauert.“

Macron seinerseits erklärte, die „gemeinsame Souveränität“ der europäischen Länder sei in Gefahr. Er forderte das bevorstehende deutsch-französischen Ministertreffen im Juni auf, sich mit der gemeinsamen Wirtschafts- und Währungspolitik zu beschäftigen, wie auch mit gemeinsamen Sicherheitsinitiativen in der Verteidigungs- und Außenpolitik innerhalb der Europäischen Union.

Als sie gefragt wurde, welche Botschaft sie Trump in Bezug auf Syrien, den Iran und den Welthandel überbringen würden, antwortete Merkel: „Wir haben eine Zeit, in der es auch Differenzen gibt, und natürlich werden wir diese Differenzen auch miteinander besprechen.“

Macron seinerseits erklärte, er und Merkel würden „eine gemeinsame Botschaft“ an Trump übermitteln. Er betonte zwar die „Legitimität“ des Angriffs auf Syrien vom 14. April, bestand aber darauf, dass es notwendig sei, das Atomabkommen mit dem Iran von 2015 zu respektieren. Außerdem schlug er vor, Trumps Drohungen mit Zöllen für einen gemeinsamen Angriff auf chinesische Stahl- und Aluminium-Exporte zu nutzen.

Zu dem Angriff auf Syrien erklärte Macron, Deutschland habe sich daran nicht beteiligt, weil die deutsche Verfassung einen Angriff ohne Diskussion im Parlament nicht zulasse. In einer offenkundig undemokratischen Äußerung behauptete er, angesichts der Notwendigkeit einer schnellen und überraschenden Aktion sei es nicht möglich gewesen, das Parlament zu dem Angriff zu befragen. Das war gleichzeitig ein Seitenhieb auf hunderttausende Menschen, die in den USA, Großbritannien und Frankreich gegen den Bombenangriff protestiert hatten.

Auf die Frage nach den Reformen der Finanzstruktur der EU und der Eurozone antworteten beide ausweichend. Ihre Äußerungen konnten jedoch nicht verbergen, dass es wachsende Meinungsverschiedenheiten gibt, besonders bezüglich der Vorschläge, die Macron im letzten Herbst gemacht hatte.

Damals hatte er in einer Rede an der Universität Sorbonne die deutsche Regierung gedrängt, umfassende Änderungen bei der Finanzierung von Rettungspaketen der Eurozone und in der Investitionspolitik zu akzeptieren. Auf diese Fragen gingen weder Merkel noch Macron diesmal näher ein.

Im Vorfeld des Gipfels hatte die CDU-Generalsekretärin Macrons Forderungen nach mehr öffentlichen Investitionen in die Wirtschaften der Eurozone angegriffen. Annegret Kramp-Karrenbauer hatte deutlich gemacht, dass sie das für keine gute Idee hält. Ihre abfälligen Bemerkungen wurden von den französischen Medien als Zeichen dafür gewertet, dass Macrons Vorschläge wohl eine Totgeburt sind. Merkels Äußerungen vom Mittwoch waren in diesem Zusammenhang nur eine etwas abgeschwächte Version von Kramp-Karrenbauers Ansichten.

Merkel bezog sich offensichtlich auf Macrons Forderung, eine europäische Version des Internationalen Währungsfonds aufzubauen, um die Bankenhilfsprogramme in der Eurozone zu überwachen, und erklärte: „Wolfgang Schäuble hat zum Beispiel den Vorschlag gemacht, nicht mehr so stark vom IWF abhängig zu sein wie in der Vergangenheit, sondern europäische Kriseninstrumente wie den ESM in Zukunft stärker zu nutzen. Das heißt nicht, gegen den IWF zu arbeiten.“ Sie warnte, die Eurozone sei „noch nicht ausreichend krisenfest“ und forderte eine „gemeinsame Verantwortung“ bei der Durchsetzung von Sparpaketen, die Spanien, Griechenland und Irland von der EU auferlegt werden. Sie fügte hinzu, dass „schon der kleinste Vorschlag zu Aufregung führen kann“.

Macron antwortete: „Ich denke, es geht jetzt nicht darum, dass wir über das eine oder über das andere Instrument sprechen, sondern es geht darum, dass wir sicher sind, welches Ziel wir erreichen wollen, und dass wir ein politisches Ziel haben.“ Macron forderte eine europäische Bankenunion und eine Konvergenz der wirtschaftlichen Bedingungen in Europa mit denjenigen in der stärkeren deutschen Wirtschaft. Macron warnte: „Keine Währungsunion könnte überleben, wenn es nicht auch Konvergenzelemente gäbe. Wir müssen und wollen daran arbeiten […] um eine gute Solidarität in der Währungsunion zu haben, das heißt, eine Konvergenz zwischen den Mitgliedsstaaten, und dass wir die Mitgliedsstaaten bei dieser Konvergenz begleiten.“

Die aggressiven Kommentare sowohl von Macron als auch von Merkel widerspiegeln den reaktionären Charakter der Regierungen auf beiden Seiten des Rheins. Beide Politiker stehen an der Spitze der rechtesten Regierungen, die es in diesen Ländern seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und seit dem Zusammenbruch der faschistischen Herrschaft 1945 gegeben hat. Merkel drängt auf eine Remilitarisierung der deutschen Außenpolitik, und Macron will die sozialen Zugeständnisse an die Arbeiterklasse in Frankreich, die nach der Befreiung von der Nazi-Besatzung gemacht wurden, rückgängig machen.

Die Äußerungen von Merkel und Macron auf der Pressekonferenz müssen als Warnung verstanden werden: Die EU wird sich kein Jota von der verhassten Politik von Militarismus und Austerität wegbewegen. Sie nimmt ungehindert Kurs auf neue Kriege, die weit über den bisherigen im Nahen Osten hinausgehen. Die soziale Unzufriedenheit nimmt in allen EU-Ländern zu. Vor knapp zwei Jahren fand die Brexit-Abstimmung statt, und Großbritannien beschloss, die EU zu verlassen. In Italien haben EU-feindliche Parteien die jüngsten Wahlen gewonnen. Aber dennoch haben weder in Berlin noch in Paris die Politiker irgendetwas daraus gelernt.

Die Konflikte zwischen den imperialistischen Nato-Mächten selbst nehmen zu. Am deutlichsten wird dies bei der Opposition in Berlin und Paris gegen Trumps Drohungen, Zölle auf europäische Waren zu erheben und durch Aufkündigung des Atomabkommens einen Krieg gegen den Iran vorzubereiten. Deutschland und Frankreich repräsentieren das, was von der EU heute übrig ist, aber Pressekommentaren zufolge sind diese Konflikte schon dabei, das deutsch-französische Bündnis zu untergraben. Hinter den Kulissen werden die Spannungen immer schärfer.

Ein Artikel in der französischen Ausgabe der Huffington Post, in dem ein hochrangiger französischer Vertreter zitiert wird, verweist auf die wachsenden militärischen Spannungen zwischen Frankreich und Deutschland aufgrund der Entscheidung Deutschlands, sich am Angriff gegen Syrien nicht zu beteiligen. In dem Artikel heißt es: „Die Hoffnungen, die Emmanuel Macron bei seiner Rede in der Sorbonne im September geäußert hat, scheinen auf dünnem Eis gebaut.“ Er verweist dabei auf die „ negativen Auswirkungen der französischen Angriffe auf Syrien“.

Er zitiert die Klagen der deutschen Zeitung Die Welt, dass Macron sich im Syrien-Konflikt Trump zugewendet habe, und nicht Merkel. Außerdem bezieht er sich auf Bemerkungen von Barbara Kunz, einer Vertreterin der einflussreichen Denkfabrik French Institute on International Relations (IFRI).

Sie verwies auf die wachsenden Schwierigkeiten der militärischen Koordination zwischen Frankreich und Deutschland, angesichts der Tatsache, dass die deutschen Gesetze Frankreich daran hindern könnten, gemeinsam entwickelte deutsch-französische Waffen an einflussreiche Kunden in Saudi-Arabien und in anderen Golfscheichtümern zu exportieren. Kunz erklärte: „Wenn wir zusammen einen Kampfpanzer entwickeln und wir können ihn nicht exportieren, dann ist das ein Problem.“

Zehn Jahre, nachdem der Finanz-Crash von 2008 zu einer Reihe von Finanzkrisen und Euro-Rettungsprogrammen in Europa geführt hat, ist klargeworden, dass keine der internationalen Krisen in Europa gelöst ist. Die wichtigsten Volkswirtschaften der Eurozone verfechten stark voneinander abweichende wirtschaftliche und währungspolitische Programme. Merkel lehnt z.B. unter dem Druck von wachsenden Teilen der CDU und der rechtsextremen AfD Macrons Forderungen nach mehr öffentlichen Investitionen ab.

Der CDU-Abgeordnete Eckhardt Rehberg erklärte gegenüber dem Deutschlandfunk: „Skeptisch sind wir bei seinen Vorschlägen und bei den Vorschlägen […] der EU-Kommission vom Dezember letzten Jahres, was die Weiterentwicklung des Europäischen Währungsfonds betrifft.“ Er fügte hinzu: „Ohne Regeln, ohne Konditionen wird es nach Auffassung der Unions-Fraktion hier kein Geld des deutschen Steuerzahlers geben können.“

Ein hochrangiger anonymer französischer Politiker erklärte gegenüber Reuters: „Ich weiß, dass Macron Druck auf Merkel ausübt und dass sie sich nicht in die Richtung bewegt, die er von ihr erwartet.“ Er fügte hinzu, Macron müsse vielleicht „gegenüber Deutschland einen konfrontativeren Ton anschlagen“.

Loading