Die strategischen Verbündeten der USA suchen nach Möglichkeiten, wie ihre Länder von den Einfuhrzöllen auf Stahl und Aluminium verschont werden können, welche die Trump-Regierung unter Berufung auf die „nationale Sicherheit“ eingeführt hat.
Am Wochenende richtete sich die Aufmerksamkeit auf Europa. EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström traf sich am Samstag in Brüssel mit dem US-Handelsbeauftragten Robert Lightizer.
Das Treffen war keine direkte Reaktion auf Trumps Maßnahmen, sondern bereits vor zehn Monaten vereinbart worden. Ursprünglich sollte u.a. über Überkapazitäten auf den internationalen Stahlmärkten diskutiert werden, doch nun zeichnete sich dort ab, wie beide Seiten im weiteren Verlauf vorgehen werden.
Letzten Mittwoch drohte die EU, als Vergeltung Einfuhrzölle auf amerikanische Exportprodukte (u.a. auf Bourbon-Whiskey und verschiedene Lebensmittel) im Wert von 3,5 Mrd. Dollar einzuführen, falls die USA ihre Maßnahmen in die Tat umsetzen.
Am Freitag sprach Malmström auf einer Podiumsdiskussion in Brüssel erneut über die Trump-Regierung und betonte die strategische Beziehung zwischen der EU und den USA: „Wir diskutieren schon seit einiger Zeit mit unseren amerikanischen Freunden, um ihnen zu erklären, dass wir zwar ihre Bedenken wegen Überkapazitäten in der Stahlindustrie teilen, dass dies aber nicht die richtige Herangehensweise an das Problem ist.“
Sie fuhr fort: „Und es ist sicherlich nicht richtig, Europa auch mit einzubeziehen. Wir sind Freunde, wir sind Verbündete, wir arbeiten zusammen, wir können unmöglich eine Gefahr für die nationale Sicherheit der USA sein. Deshalb zählen wir darauf, dass wir davon ausgenommen werden.“
Allerdings sieht es bisher so aus, als würde die EU nur eine Galgenfrist erhalten. Der Direktor des Nationalen Handelsrats der US-Regierung Peter Navarro, einer der einflussreichsten Befürworter der Maßnahmen, ist ein erbitterter Gegner der chinesischen und deutschen Handelspolitik. Trump selbst hatte zuvor gedroht, falls die EU Vergeltungsmaßnahmen ergreifen würde, könnte er einen Einfuhrzoll auf europäische Autos erheben.
Malmström äußerte die Hoffnung, die EU werde von den Zöllen ausgenommen werden. Andernfalls würden die EU und andere Länder die Zölle vor der Welthandelsorganisation (WTO) anfechten: „Wir bereiten zusammen mit unseren Mitgliedstaaten außerdem eine Liste von ausgleichenden Maßnahmen [d.h. die Einführung von Zöllen auf amerikanische Güter] vor, die möglicherweise in Kraft treten werden. Wir hoffen, dass es dazu nicht kommt. Niemand will diese Situation verschlimmern, aber wenn wir es tun müssen, werden wir es tun.“
Der Kampf um Ausnahmen könnte die Kluft zwischen Großbritannien und dem Rest der EU vergrößern, in der das Land trotz des Brexit-Votums noch Mitglied ist. Es kam bereits zu Streitigkeiten, nachdem bekannt wurde, dass Großbritanniens Außenhandelsbeauftragter Liam Fox nächste Woche nach Washington reisen wird, um sich „stärkstmöglich für eine Ausnahme für Großbritannien“ einzusetzen.
Laut einem Pressebericht heißt es aus EU-Quellen, Brüssel würde es als „Vertrauensbruch“ und Verstoß gegen die Regeln der EU betrachten, wenn Großbritannien günstigere Bedingungen aushandeln würde.
Fox erklärte im Fernsehen, Großbritannien befinde sich nicht in der gleichen Lage wie die EU. „Wir produzieren hochwertigen Stahl, der teilweise nicht in den USA hergestellt werden kann. Deshalb werden diese Zölle die Stahlpreise dort nur erhöhen. Wir produzieren außerdem Stahl für das amerikanische Militärprogramm, also ist es doppelt absurd.“
Die Europäische Kommission hat jedoch erklärt, sie werde keine Sonderbehandlung für Großbritannien oder irgendein anderes EU-Mitglied dulden, das einen separaten Deal abschließt.
Jyrki Katainen, der als Vizepräsident der Kommission für Handelspolitik zuständig ist, erklärte am Freitag: „Wir dürfen nicht akzeptieren, dass die EU in unterschiedliche Kategorien aufgeteilt wird. Wir wollen keine Spaltungen zwischen Mitgliedstaaten.“
Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte, sie würde die Verhandlungen über die Zölle der EU überlassen, allerdings sähe Deutschland die Maßnahme „mit Sorge“. Sie sprach sich für die geplanten Gegenmaßnahmen aus, erklärte aber: „Ich glaube, dass der Gesprächskanal gepflegt werden sollte.“
Auch Japan und Südkorea, die ebenfalls mit den USA verbündet sind, wollen von den Zöllen ausgenommen werden. Besonders Südkorea befürchtet starke Einbußen.
Der japanische Handels- und Industrieminister Hiroshige Seko erklärte am Freitag auf einer Pressekonferenz: „Es ist äußerst bedauerlich, und ich würde mich gerne dafür einsetzen, dass die Amerikaner für uns eine Ausnahme machen. Von Vergeltungsmaßnahmen profitiert kein Land. Ich möchte die notwendige Reaktion im Rahmen der WTO erörtern.“
Südkorea hat kaum eine Chance darauf, von den Zöllen ausgenommen zu werden, da es von den USA als Durchgangsland für billigen weiterverarbeiteten Stahl aus China betrachtet wird.
Wer hofft, die WTO und ihre so genannte regelbasierte Ordnung könnte die Entwicklung zu einem offenen Handelskrieg verhindern, verkennt die Bedeutung des Kurswechsels, den die USA vollziehen.
Im Weißen Haus herrscht die Ansicht vor, dass das System der WTO den Interessen der USA schadet. Diese Haltung ist keine Erfindung von Trump und den Anhängern seiner „America First“-Politik. Sie kam bereits unter der Obama-Regierung auf, die neue Rahmenbedingungen entwickeln wollte, um die USA in den Mittelpunkt eines Netzwerks von Wirtschaftspakten wie der Transpazifischen Partnerschaft (TPP) zu bringen.
Robert Zoellick, der unter George W. Bush Handelsbeauftragte der USA war, wies am Freitag in einer Podiumsdiskussion über Handelsfragen in Brüssel auf die weitreichenden Folgen einer Entscheidung der WTO zu Trumps Maßnahmen hin.
Er erklärte: „Das Risiko ist: Entweder die WTO entscheidet, dass die EU oder wer auch immer Recht hat und es nicht um nationale Sicherheit geht.“
Und weiter: „Aber was passiert dann, wenn [Handelsminister] Wilbur Ross oder sonst jemand sagt: ‚Moment mal. In Genf können sie nicht entscheiden, was für Amerikas nationale Sicherheit wichtig ist. Sollten wir überhaupt Mitglied der WTO bleiben? …. Oder, andersherum, die WTO sagt: ‚Also gut, wir lassen Staaten selbst über ihre nationale Sicherheit entscheiden.‘ Dann wäre ein sehr großes Schlupfloch geschaffen.“
Mit anderen Worten, die objektive Logik hinter dem Vorgehen der USA auf der Grundlage der „nationalen Sicherheit“ - die Verknüpfung von militärischen und handelspolitischen Erwägungen - führt zu einem Zusammenbruch des ganzen Handelssystems der Nachkriegszeit. Stattdessen würde wieder jeder gegen jeden kämpfen. In den 1930ern hatte dies katastrophale Folgen und trug maßgeblich zur Entstehung der Bedingungen bei, die zum Zweiten Weltkrieg führten.
Der Widerstand aus den herrschenden Kreisen Amerikas gegen Trump Maßnahmen entzündet sich nicht an deren katastrophalen Folgen für den Rest der Welt. Ihnen geht es nur darum, dass sie eindeutiger darauf konzentriert sein sollten, Verbündete für einen Konflikt mit China zu gewinnen.
Der Präsident des US Business Roundtable Josh Bolton, der unter George W. Bush Stabschef des Weißen Hauses war, fasste diese Position in einem Interview mit der Financial Times zusammen. „Sie beleidigen und schädigen genau die Leute, deren Hilfe wir bei unserem Problem mit China brauchen. Durch Ausnahmen würde eine sehr schlechte Entscheidung nur geringfügig weniger schlecht werden. Alle schwerwiegenden Probleme aufgrund der Entscheidung blieben bestehen.“