Die hohe Zustimmung der SPD-Mitgliedschaft zum Koalitionsvertrag hat einmal mehr den rechten, bürgerlichen Charakter der Sozialdemokratie enthüllt. Bei einer hohen Wahlbeteiligung von 78 Prozent stimmten zwei Drittel für eine Regierung, die ihre Politik auf militärische Aufrüstung und Kriegsvorbereitung ausrichtet und, damit verbunden, einschneidende soziale Kürzungen und Angriffe auf demokratische Rechte plant.
Die SPD von heute hat nichts mit der Arbeiterklasse zu tun, sondern ist ein bürokratischer Apparat mit mehreren zehntausend hauptamtlichen Funktionären, die auf allen Ebenen eng mit dem Staat, der kommunalen, Landes- und Bundesverwaltung verbunden sind. Von der Spitze bis runter zum Ortsverein geben Beamte, Akademiker, Selbstständige und Gewerkschaftsbürokraten den Ton an. Gestützt auf diese Schichten versteht sich die SPD als staatstragende Partei und führende Kraft des deutschen Imperialismus.
Der Ex-Parteichef und scheidende Außenminister Sigmar Gabriel erklärte am Mittwoch vor der Abstimmung auf einer Business-Konferenz des Handelsblatts in Düsseldorf, er habe nicht den geringsten Zweifel, dass die SPD-Mitglieder dem Koalitionsvertrag zustimmen würden. Für die SPD sei Staatsräson immer höchstes Ziel gewesen. Gabriel wörtlich: „Diese Partei hat noch nie gegen das Interesse des Landes gehandelt.“ Er meinte damit die Zustimmung der SPD zu den Kriegskrediten 1914 und die brutale Niederschlagung der Novemberevolution durch die Sozialdemokratie vor 100 Jahren.
Gabriel weiß wovon er redet. Unter seinem Vorsitz spielte die SPD in den vergangenen Jahren eine Schlüsselrolle bei der außenpolitischen Wende und der Rückkehr zu deutscher Großmachtpolitik. Er arbeitete eng mit dem damaligen Außenminister Frank-Walter Steinmeier zusammen, als dieser vor vier Jahren erklärte, die Zeit der militärischen Zurückhaltung Deutschlands sei vorbei. Deutschland sei zu groß und wirtschaftlich zu mächtig, um sich auch künftig aus den großen globalen Konflikten rauszuhalten.
Anschließend sorgte Gabriel dafür, dass Steinmeier Bundespräsident wurde, und wechselte vom Wirtschaftsministerium ins Außenamt, um die deutsche Großmachtpolitik mit Macht voranzutreiben. In Artikeln und Reden machte er sich für eine Außenpolitik stark, die sich nicht an Werten, sondern an wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen orientiert. Zuletzt forderte er Mitte Februar auf der Münchner Sicherheitskonferenz, Europa brauche „eine gemeinsame Machtprojektion in der Welt“.
Diese Politik, die nun Gabriels designierter sozialdemokratischer Nachfolger Heiko Maas fortsetzt, hat ihre eigene Logik.
Sie stößt auf massiven Widerstand von Arbeitern und Jugendlichen und kann nur mit diktatorischen Maßnahmen und der Errichtung eines Polizeistaats durchgesetzt werden. Deshalb setzt die SPD auf die Aufrüstung des Staatsapparats und übernimmt gleichzeitig die rechtsradikalen Parolen der AfD, um rechte, rassistische Stimmungen gegen die Arbeiterklasse zu schüren.
In der jüngsten Spiegel-Ausgabe wettert der ehemalige SPD-Finanzminister und Kanzlerkandidat Peer Steinbrück in AfD-Manier gegen „Multikulturalismus“ und „Vielfaltseuphorie“. Durch die unkontrollierte Zuwanderung fühlten sich viele Bürger „in ihrer kulturellen Identität bedroht“. Das sagt ein Mann, der eine Hauptverantwortung für die wachsende Armut trägt. Als Finanzminister hatte Steinbrück riesige Summen in die Rettung der Banken gesteckt. Nach Berechnungen des IWF kostete die Bankenrettung die öffentlichen Haushalte rund 290 Milliarden Euro.
Steinbrück lobt die Thesen des scheidenden CDU-Innenministers Thomas de Maizière zum Thema Leitkultur als „durchaus diskussionswürdig“ und fordert das Ende linksliberaler Tabus. Auf die Frage, welche Defizite er bei der Integration von Ausländern sehe, antwortet Steinbrück: „Es ist die Verdrängung Einheimischer und die Homogenisierung von Stadtquartieren oder auch eine erschreckende Kriminalität von Clans in manchen Großstädten zu registrieren. Die Probleme in Schulen, in denen 70 Prozent und mehr der Kinder einen Migrationshintergrund haben, sind offenkundig.“ Das ist AfD pur und gleichzeitig die wahre Stimme der SPD.
Gegen diesen rechtsextremen Kurs gibt es innerhalb der SPD keine Opposition. Der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert erklärte unmittelbar nach der Bekanntgabe des Mitgliederentscheids, dass er das Ergebnis akzeptieren und die neue Regierung unterstützen werde. Seine NoGroKo-Kampagne war nie gegen den politischen Inhalt des Koalitionsvertrags gerichtet, ihn trieb die Furcht, dass die Sozialdemokratie dasselbe Schicksal erleidet, wie andere sozialdemokratische Parteien in Europa.
Von der Sozialistischen Partei in Frankreich, die vor sechs Jahren noch die Präsidentschaftswahl gewann, ist kaum etwas übrig geblieben. Bei der Parlamentswahl im vergangen Sommer stürzte sie auf 7,5 Prozent ab und befindet sich in Auflösung. Nicht viel anders ist es in Griechenland, wo die sozialdemokratische Pasok, die jahrelang die Regierung in Athen stellte, im vergangen Jahr auf 6,3 Prozent kam.
Auch in Deutschland ist der Zusammenbruch der SPD weit fortgeschritten. Bereits bei der Bundestagswahl hat sie mit 20,5 Prozent der Stimmen ihr schlechtestes Wahlergebnis in der Nachkriegsperiode erzielt. Nun liegt sie einer aktuellen INSA-Umfrage zufolge nur noch bei 15 Prozent. Vor allem in der Arbeiterklasse hat die SPD in den letzten Jahren auf Grund ihrer arbeiterfeindlichen Politik nahezu jede Unterstützung verloren. Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) sind nur noch 17 Prozent der SPD-Wähler Arbeiter. Im Jahr 2000 waren es noch 44 Prozent.
Im Gegensatz zur Linkspartei und ihren pseudolinken Anhängseln, die über den Zusammenbruch der Sozialdemokratie alarmiert sind, begrüßt die Sozialistische Gleichheitspartei diese Entwicklung. Die wachsende Feindschaft von Arbeitern und Jugendlichen gegen die SPD und ihre politischen Handlanger schafft die notwendige Voraussetzung für den Aufbau der SGP als neue sozialistische Massenpartei und für die unabhängige Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen die Kriegs- und Austeritätspolitik der Großen Koalition.