Neonazis und Rechte ziehen in Betriebsräte ein

Vom 1. März bis zum 31. Mai werden in rund 28.000 Unternehmen Deutschlands Betriebsräte gewählt. Neonazis und Rechtsextreme, unterstützt von der Alternative für Deutschland (AfD) und neurechten neofaschistischen Organisationen, nehmen daran teil, um „eine neue Front zur nationalen und sozialen Befreiung des Volkes“ zu eröffnen.

Im Mittelpunkt steht der Verein „Zentrum Automobil“ von Oliver Hilburger, Betriebsrat bei Daimler in Untertürkheim. Das Gründungsmitglied der Rechtsrockband „Noie Werte“, deren Musik die Terroristen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) für erste Versionen ihres Bekennervideo nutzten, geriert sich als „oppositioneller Betriebsrat“. Das ehemalige Mitglied der CGM (der Metallgewerkschaft der CDU) ist seit 30 Jahren bei Daimler und sitzt seit 2010 im dortigen Betriebsrat. Laut Hilburger treten allein 300 Mitglieder seines Vereins in Daimler-Werken an, 200 weitere in anderen Betrieben in acht Städten, u. a. bei BMW und Porsche in Leipzig.

Hilburger und seine Kameraden konnten bei der Betriebsratswahl 2014 in Untertürkheim rund 10 Prozent der Stimmen auf sich vereinen und vier Mandate erreichen. Am Dienstag haben sie zwei hinzugewonnen und stellen nun sechs der 47 Betriebsräte. Mit gut 13 Prozent der Stimmen waren sie nach der IG Metall zweitstärkste Kraft.

Im Daimler-Werk Rastatt errang Hilburgers Liste ein Tag zuvor 8 Prozent der Stimmen und zog mit drei Vertretern in den 35-köpfigen Betriebsrat ein. Bei der Wahl im Mercedes-Werk Sindelfingen hat seine Liste 3,4 Prozent der Stimmen und damit zwei Mandate von 59 bekommen. An den Verwaltungssitzen in Untertürkheim und Möhringen kamen die Rechten dagegen nur auf 1,6 Prozent der Stimmen und erhalten keinen Platz im Betriebsrat.

Ähnlich wie die Nazis in den 20er und 30er Jahren haben es die heutigen schwer, größeren Einfluss unter Arbeitern zu gewinnen. Das Abschneiden der Rechten ist dennoch eine Warnung. Denn die Saat für deren selbstbewusstes Auftreten hat die IG Metall selbst mit ihrer jahrzehntelangen Politik gelegt. Ihre enge Zusammenarbeit mit den Konzernen, für die ihre Funktionäre mit fürstlich bezahlten Posten belohnt werden, die Unterdrückung jeglicher Opposition in den Reihen der Belegschaften und die Durchsetzung von Lohnsenkungen, Arbeitshetze, Arbeitsplatzabbau und Werksschließungen haben die IG Metall wie alle anderen DGB-Gewerkschaften in den Augen von Hunderttausenden Arbeitern diskreditiert.

Die Rechten nutzen dies bewusst aus und haben sich auf die derzeitigen Betriebsratswahlen bereits Ende November letzten Jahres vorbereitet. Auf Einladung von Jürgen Elsässer, Herausgeber des rechten Compact-Magazins, hatte sich damals in Leipzig die Spitze der rechten Szene unter dem Motto „Opposition heißt Widerstand“ versammelt. Anwesend waren u. a. der Thüringer AfD-Politiker Björn Höcke, Pegida-Gründer Lutz Bachmann und Martin Sellner, der Chef der „Identitären Bewegung“. Auch das rechte Projekt „Ein Prozent“ aus dem Umfeld von Götz Kubitschek, das AfD, NPD und alle möglichen rechtsextremen Organisationen zu vernetzen sucht, war mit Gründer Philip Stein, gleichzeitig Pressesprecher der „Deutschen Burschenschaft“, zugegen.

Ziel der Veranstaltung war die Etablierung des „Zentrums Automobil“ als betrieblicher Ableger der AfD, nachdem diese in den letzten Jahren in die Landesparlamente und im September 2017 auch in den Bundestag eingezogen ist.

Hilburger und der AfD-Abgeordnete im Zwickauer Kreistag, Frank Neufert, standen daher im Mittelpunkt der Leipziger Veranstaltung. Neufert arbeitet als Karosseriebauer im BMW-Werk in Leipzig. Er hatte schon im letzten Herbst seine „Interessengemeinschaft Beruf und Familie“ gegründet. Aber auch Horst Schmitt, für die „Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger“ (AUB) im Opel-Betriebsrat in Rüsselsheim, war auf dieser Auftaktveranstaltung.

Hilburger soll für die Rechten das „Zentrum Automobil“ als „neue Alternative zu den Altgewerkschaften“ aufbauen. Eine gemeinsam von „Zentrum Automobil“, „Ein Prozent“ und Compact herausgegebene 12-seitige Kampagnenzeitung namens Alternative Gewerkschaft soll das unterstützen. 60.000 Exemplare wurden kostenlos verteilt. Darin versuchen sie, die Empörung gegen die wachsende soziale Ungleichheit und Verarmung in rassistische Bahnen gegen Flüchtlinge zu lenken.

„Obdachlosigkeit“, „Kinderarmut“, „Hartz IV“, der „massive Niedriglohnsektor“ und „steigende Mieten“ werden genauso angeklagt wie die wachsende Zahl der Millionäre und Milliardäre, die Millionen-Einkommen der Manager und die fürstlichen Gehälter der Betriebsratsvorsitzenden und Gewerkschaftsfunktionäre. Björn Höcke, der keine Gelegenheit auslässt, um auf völkischer Grundlage gegen Ausländer, Flüchtlinge und Muslime zu hetzen, übertitelt seinen Beitrag in der Zeitung mit „Widerstand gegen den Raubtierkapitalismus“.

„Während die obersten Schichten profitieren und weiter kräftig verdienen“, heißt es auf der ersten Seite des rechten Propagandablättchens, „während die etablierten Gewerkschaftsfunktionäre freudig Konzernmanagerhände schütteln und die eigene Tasche aufhalten; [...] schaut genau einer in die Röhre: der geschröpfte ‚Normalbürger‘.“

Die Wut wird auf „die angeblichen Flüchtlinge“ gelenkt, wie Guido Reil, jahrelang IGBCE-Betriebsrat im Bergbau und SPD-Mitglied, seit 2015 bei der AfD, diese in einem Interview in der Kampagnenzeitung diffamiert. Elsässer geht noch weiter. Er fordert einen Stopp der „Masseneinwanderung und Islamisierung“, schwadroniert von einer „Lawine aus Arabien und Afrika“, „kriminellen Ausländerbanden“ und von „Dschihad-Machos“, vor denen unsere Töchter in Sicherheit gebracht werden müssen.

Schon Hitler und seine Schergen nutzten die soziale Wut und Verzweiflung, lenkten sie auf die jüdische Bevölkerung, um letztendlich die Arbeiterklasse zu zerschlagen. Ohne das hätte Hitler niemals den Zweiten Weltkrieg im Interesse der Banken und Großkonzerne vom Zaun brechen können, der die bislang größten Verbrechen der Menschheit einschließlich des Holocausts, der industriellen Ermordung von sechs Millionen Juden, zur Folge hatte.

Die Gewerkschaften selbst hatten vor den Nazis kapituliert. Am 1. Mai 1933 rief der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund (ADGB, Vorläufer des DGB) Arbeiter dazu auf, bei der Maifeier unter der Hakenkreuzfahne mitzumarschieren. Am folgenden Tag besetzten die Nazis die Gewerkschaftshäuser.

Heute versucht DGB-Chef Reiner Hoffmann, die Offensive der Neonazis und der AfD in den Betrieben kleinzureden. Er behauptet, dass die rechten Initiativen „wegen Unfähigkeit wie Seifenblasen zerplatzen werden“. Doch Hoffmann, der DGB und seine Gewerkschaften, die eng mit den Berliner Bundestagsparteien verbunden sind, verteidigen vehement die Politik des Militarismus und Sozialabbaus, die Union und SPD im Koalitionsvertrag beschlossen haben. So gießen sie beständig Wasser auf die Mühlen der Neonazis.

Die Verwandlung der Gewerkschaften von Arbeiterorganisationen – wenn auch nur reformistischen – in offene Werkzeuge der Konzerne und des Staates hat tiefe objektive Ursachen. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnten die Gewerkschaften bis hinein in die 1970er Jahre auf nationalstaatlicher Ebene mit den Unternehmen und dem Staat soziale Kompromisse zum Erhalt des Status Quo organisieren. Die Globalisierung hat dieser nationalen und reformistischen Politik die Grundlage entzogen. Mit dem Aufbrechen des Klassenkampfs und der Konflikte zwischen den einzelnen Nationalstaaten, vor allem seit der Auflösung der Sowjetunion 1991, sind sie immer näher an ihre Geldgeber in den Konzernen und dem Staatsapparat herangerückt. Ihre nationalistische „Standortverteidigung“ spaltet Arbeiter nach Regionen und Ländern und setzt die Angriffe der Konzerne durch.

Inzwischen gehen sie wie in den 30er Jahren dazu über, auch direkt mit den Rechten in der AfD zusammenzuarbeiten. Als bei einer der ersten Demonstrationen gegen die Schließung des Bombardier-Werks in Görlitz im März 2017 AfD-Fahnen hochgehalten wurden, trat die IG Metall dem nicht entgegen. Dass dies kein Versehen war, zeigte sich dann auf einer Kundgebung im Januar dieses Jahres. Der IGM-Bevollmächtigte Ostsachsen, Jan Otto (SPD), begrüßte offiziell alle Parteien des Bundestags – ausdrücklich auch den anwesenden AfD-Vertreter.

In einem Artikel dazu hatten wir das als ernste Warnung an die Arbeiter charakterisiert. Der Artikel zitierte David North, der schon 1998 in dem Essay „Marxismus und Gewerkschaften“ festgestellt hatte, dass sich die Rolle der Gewerkschaften nicht einfach aus der zweifellos weitverbreiteten Schlechtigkeit und Korruption ihrer Führer, sondern aus ihrem objektiven Verhältnis zum Klassenkampf ergibt.

Die Feindschaft der Gewerkschaften gegenüber revolutionärer Politik, schrieb er, „entzündet sich im Wesentlichen an der organischen Opposition der Gewerkschaften gegen die Entfaltung und Ausweitung des Klassenkampfs, und diese Opposition wird umso entschiedener, erbitterter und tödlicher, je mehr sich der Klassenkampf zu einer Bedrohung für die Produktionsverhältnisse des Kapitalismus, d. h. für die Grundlagen des Gewerkschaftertums selbst auswächst.“

Neufert und Hilburger berichten stolz von „sehr vielen Rückmeldungen“ auf ihre Kampagne. Die Hälfte der Rückmeldungen komme von aktiven Betriebsräten aus DGB-Gewerkschaften, so Hilburger laut Stuttgarter Zeitung.

Arbeiter stehen vor politischen Aufgaben. Es ist dringend notwendig, die Zwangsjacke der Gewerkschaften zu durchbrechen und eine sozialistische Partei aufzubauen, die sich der kapitalistischen Profitlogik widersetzt und die Arbeiterklasse im Kampf gegen Lohnsenkung, Sozialabbau und Kriegsvorbereitungen vereint – über alle Nationalitäten hinweg. Nur auf dieser Grundlage ist auch eine konsequente Durchsetzung betrieblicher Forderungen möglich.

Als erster Schritt müssen in den Betrieben von den Gewerkschaften unabhängige Arbeiterkomitees aufgebaut werden, die den Kampf gegen Werksschließungen und Lohnsenkungen, für ein angemessenes Einkommen sowohl der Arbeiter als auch der Jugend, der Kinder und Rentner in die eigenen Hände nehmen und gleichzeitig Kontakt zu Arbeitern in Europa und auf der ganzen Welt aufbauen. Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) und die World Socialist Web Site werden sie dabei unterstützen

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