Am Montag veröffentlichte die Trump-Regierung einen Brief an den Sprecher des Repräsentantenhauses Paul Ryan und den Präsidenten pro tempore des Senats Orin Hatch, um den Kongress gemäß des War Powers Act über „die Stationierung von US-Kampftruppen unterrichtet zu halten“.
Der War Powers Act wurde 1973 vor dem Hintergrund des Debakels im Vietnamkrieg gegen das Veto des damaligen Präsidenten Richard Nixon vom Kongress verabschiedet. Dieses Gesetz sollte künftige Präsidenten daran hindern, nicht erklärte und zeitlich unbegrenzte Kriege zu führen, ohne dafür dem Kongress ausreichend Rechenschaft abzulegen. Laut Verfassung hat dieser das alleinige Recht, Kriege zu erklären.
Das Gesetz ist eigentlich bereits ein gewaltiges Zugeständnis an die Exekutive. Es gewährt dem Präsidenten das Recht, das Militär für bis zu 60 Tage nach eigenem Ermessen einzusetzen, allerdings muss es innerhalb von 90 Tagen zurückgezogen werden, wenn der Kongress die Militäraktion nicht genehmigt.
Der War Powers Act besteht zwar weiterhin, hat aber bereits vor langer Zeit jede Bedeutung verloren. In dem Vierteljahrhundert seit der Auflösung der Sowjetunion durch die stalinistische Bürokratie haben die USA einen Angriffskrieg nach dem anderen geführt, ohne eine Kriegserklärung durch den Kongress. Die Kongressfraktionen beider Parteien haben bereitwillig geduldet, dass der „Oberbefehlshaber“ faktisch diktatorische Vollmachten zum Führen von Kriegen in seinen Händen konzentriert.
Der jüngste Brief der Trump-Regierung markiert jedoch ein neues Stadium in der fortschreitenden Degeneration der amerikanischen Demokratie. Die letzten Überreste einer vermeintlichen zivilen Kontrolle über das Militär werden beseitigt. In dem Dokument werden erstmals alle Informationen über die Zahl der Soldaten verschwiegen, die an Washingtons zahlreichen Kriegen und Militärinterventionen teilnehmen, sodass nicht einmal der Kongress über die Stationierung von US-Kampftruppen „unterrichtet“ ist.
In dem Brief räumt das Weiße Haus ein, dass die USA den längsten Krieg ihrer Geschichte, die seit sechzehn Jahren andauernde Intervention in Afghanistan, derzeit fortsetzen und ausweiten. Es heißt, das amerikanische Militär unternehme „aktive Kampfhandlungen“ nicht nur gegen Al-Qaida und den IS, sondern auch gegen die Taliban und alle Kräfte, die „die Lebensfähigkeit der afghanischen Regierung“ und ihrer Sicherheitskräfte gefährden. Wie viele Truppen an diesem unbefristeten Konflikt beteiligt sind, wird geheim gehalten.
Der Brief verweist außerdem auf eine „systematische Kampagne von Luftangriffen“ im Irak und in Syrien, bei denen zehntausende verwundet wurden, sowie auf die Stationierung von Bodentruppen in beiden Ländern. Doch auch hier werden keine Zahlen genannt. Außerdem wird zum ersten Mal erwähnt, dass „eine kleine Anzahl“ von Soldaten im Jemen stationiert ist. Saudi-Arabien führt dort mit Unterstützung durch die USA einen nahezu völkermörderischen Krieg, der Millionen Menschen an den Rand des Hungertods gebracht hat.
Weiter erwähnt der Brief US-Militäroperationen in Libyen, Ostafrika, dem Tschadseebecken, der Sahelzone und den Philippinen; sowie die Stationierung von Truppen in Jordanien, dem Libanon, der Türkei und Kuba.
Das Pentagon veröffentlichte in Abstimmung mit Trumps Brief einen Bericht, laut dem von insgesamt 44.000 Soldaten, die über die ganze Welt verteilt stationiert sind, der momentane Aufenthaltsort „unbekannt“ ist. Letzten Mittwoch erklärte Colonel Rob Manning von der US Army bei einer Pressekonferenz des Pentagon, das US-Militär wolle die amerikanische Öffentlichkeit unterrichtet halten, aber gleichzeitig die operative Sicherheit wahren und dem Feind jeden Vorteil vorenthalten.
Die gleiche fadenscheinige Argumentation hatte Trump im August benutzt, als er seinen Plan für eine Eskalation des Kriegs in Afghanistan ankündigte. „Wir werden nicht über die Zahl der Truppen oder unsere Pläne für künftige militärische Aktivitäten sprechen“, sagte Trump damals. „Unsere Strategie wird ab jetzt nicht mehr von willkürlichen Zeitplänen bestimmt werden, sondern von den Bedingungen vor Ort. Amerikas Feinde dürfen unsere Pläne niemals kennen oder glauben, sie könnten warten, bis wir weg sind. Ich werde nicht sagen, wann wir angreifen werden, aber wir werden angreifen.“
Die Trump-Regierung hat die Beschränkungen der Truppenstärke aufgehoben, die unter der Obama-Regierung festgelegt wurden, und den US-Militärkommandanten freie Hand gegeben, die Truppenkontingente nach eigenem Ermessen zu verstärken. Bereits Obamas Obergrenzen wurden regelmäßig durch sogenannte temporäre Stationierungen umgangen und dadurch deutlich mehr US-Truppen in Kämpfe geschickt als offiziell angegeben wurde.
In den letzten Monaten geriet die Geheimhaltung von US-Truppenstationierungen ins Licht der Öffentlichkeit, nachdem der Tod von vier Soldaten der Spezialeinheiten bei einem Feuergefecht in Niger enthüllt hatte, dass etwa eintausend US-Soldaten in dem westafrikanischen Land und dessen Grenzen stationiert wurden. Führende Mitglieder des US-Senats behaupteten daraufhin, sie hätten nichts davon gewusst. Später erklärte ein Befehlshaber der US-Spezialkräfte im Irak und Syrien bei einer Pressekonferenz im Pentagon, angeblich versehentlich, in Syrien seien 4.000 US-Soldaten stationiert. Er korrigierte sich jedoch gleich darauf und nannte die offizielle Zahl von 500 Soldaten. Später gab das Pentagon zu, dass es in Wirklichkeit 2.000 Soldaten waren.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Das Pentagon hat im vergangenen Monat Zahlen veröffentlicht, laut denen die Anzahl der US-Truppen im Nahen Osten in den letzten vier Monaten insgesamt um 33 Prozent gestiegen ist. Dass der stärkste Anstieg in mehreren Staaten am Persischen Golf zu verzeichnen ist, deutet dabei darauf hin, dass die Vorbereitungen auf einen neuen Krieg gegen den Iran weit fortgeschritten sind.
Die Geheimhaltung oder Vertuschung dieser Stationierungen geschieht nicht aus der Erwägung, „den Feind im Dunkeln zu lassen“. In fast allen Fällen ist er umfassend über die Aggressionen des US-Militärs gegen sein jeweiliges Land informiert. Es geht vielmehr darum, diese Informationen vor der amerikanischen Bevölkerung vorzuenthalten, die kein Interesse an einer Fortsetzung der Militärinterventionen in Afghanistan, dem Nahen Osten und Afrika hat. Noch weniger ist sie an neuen und potenziell katastrophalen Kriegen gegen den Iran, Nordkorea oder sogar China und Russland interessiert.
Trumps halb-geheime Kriege und seine Angriffe auf demokratische Rechte und die sozialen Bedingungen der Arbeiterklasse stellen keine Ausnahme dar, sondern sind vielmehr der Höhepunkt langwieriger Prozesse, die sich unter demokratischen wie unter republikanischen Präsidenten vollzogen haben. Beide Parteien haben den Befehlshabern des US-Militärs immer mehr Macht über die US-Außenpolitik überantwortet. Dieser Trend hat sich unter Trump lediglich verstärkt, indem er einen aktiven General zum nationalen Sicherheitsberater und zwei erst vor kurzem ausgeschiedene Generäle zum Verteidigungsminister bzw. Stabschef des Weißen Hauses ernannt hat.
Während US-Truppen in höchster Alarmbereitschaft an den Grenzen Nordkoreas, Chinas und Russlands stehen, beansprucht die Militärführung immer umfangreichere militärische Vollmachten. Die Gefahr, das eine Fehleinschätzung, ein Missverständnis oder ein Unfall einen uneingeschränkten Atomkrieg auslöst, erhöht sich durch diese Entwicklung massiv.
Die Demokraten haben im Kongress keinerlei Protest gegen Trumps neuesten Angriff auf den War Powers Act geäußert. Sie lehnen weder den Kriegskurs noch die Vorherrschaft des Militärs über die Regierung ab. Ihre Differenzen sind lediglich taktischer Natur und äußern sich in einer hysterischen Kampagne gegen Russland, bei der sie von Teilen des amerikanischen Militär- und Geheimdienstapparats unterstützt werden, um die Grundlagen für einen neuen und noch verheerenderen Konflikt zu schaffen.
Beide Parteien sind Vertreter einer parasitären Finanzoligarchie, die ihren Reichtum und ihren Herrschaftsanspruch immer offener durch Militarismus und Krieg verteidigt. Diese Parteien und alle anderen Institutionen des herrschenden Establishments der USA haben kein Interesse daran, den Generälen Einhalt zu gebieten oder die verfassungsgemäße Regierung und demokratische Rechte zu verteidigen. Stattdessen arbeiten sie an der Entstehung eines Systems, in dem das Militär zusammen mit der Wall Street die uneingeschränkte Macht ausübt, während der Kongress und andere zivile Gremien nur noch als Fassade agieren.