Vor dem G-20 Gipfel in Hamburg im Juli arbeitet die Bundesregierung systematisch an der Ausweitung ihrer weltweiten politischen und wirtschaftlichen Beziehungen. Nachdem Anfang des Monats der chinesische Ministerpräsident Li Keqiang und der indische Premierminister Narendra Modi in Berlin zu Gast waren und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der letzten Woche Süd- und Mittelamerika bereiste, stand nun Afrika auf der Tagesordnung.
Am 12. und 13. Juni veranstaltete die Bundesregierung im Rahmen der internationalen Konferenz „G20-Afrika-Partnerschaft – in eine gemeinsame Zukunft investieren“ einen hochrangigen Gipfel mit dutzenden afrikanischen Staats- und Regierungschefs in Berlin. Veranstalter waren das Bundesministerium der Finanzen, das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und die Deutsche Bundesbank.
In ihrer Auftaktrede war Merkel die Frage auf, ob die Industriestaaten „mit der klassischen Entwicklungshilfe immer den richtigen Weg gegangen“ seien. Aus Sicht der Bundesregierung müsse es darum gehen, in Zukunft stärker auf die „jeweilige eigene wirtschaftliche Entwicklung der Länder“, d.h. privatwirtschaftliche Investitionen zu setzen. Deshalb sei „die Idee entstanden – insbesondere unseres Finanzministers und auch unseres Entwicklungsministers –, zu sagen: Wir brauchen eine Initiative, mit der wir nicht über Afrika, sondern mit Afrika sprechen.“
Die offizielle Propaganda von einer neuen Form der Kooperation, von der angeblich beide Seiten gleichermaßen profitieren, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Deutschland auf dem bevölkerungs- und rohstoffreichen Kontinent handfeste imperialistische Interessen verfolgt.
An die Stelle von Hilfsprojekten sollen Kapitalexport, die Ausbeutung von Rohstoffen und billigen Arbeitskräften, die Erschließung neuer Absatzmärkte und andere Formen der Profitmaximierung treten, die schon den Wettlauf um Afrika zwischen 1880 und dem Ersten Weltkrieg kennzeichneten. Zu diesem Zweck werden die einheimischen Eliten geschmiert, erpresst, militärisch unterstützt und notfalls auch gewaltsam zur Räson gebracht. Aus diesem Grund propagiert die deutsche Regierung, man müsse die Ausgaben für „Entwicklungshilfe“ mit dem Militärhaushalt verrechnen.
„Merkel will Afrika zum neuen China machen“ titelte die Dienstagsausgabe der Welt begeistert. Am Rande des Gipfels hätten bereits die deutschen Unternehmen Bosch, Kärcher, Siemens und Volkswagen neue Investitionen in Afrika verkündet. Der Textil-Discounter Kik eröffne neue Standorte in Äthiopien, Ruanda, Kenia und Ägypten, und die Bundesregierung starte sogenannte „Reformpartnerschaften“ mit Ghana, Tunesien und der Elfenbeinküste.
Im Leitartikel der gleichen Ausgabe mit dem Titel „Kontinent mit Potential“ konnte sich das Springer-Blatt einen Seitenhieb auf die US-Regierung nicht verkneifen. Während man „hierzulande“ die von den „UN vorgesehenen 0,7 Prozent des Staatshaushalts für die Entwicklungshilfe“ ausgebe, erreichten „die USA, die unter Präsident Donald Trump so vehement die Erfüllung von Ausgaben für das Militär fordern… gerade einmal 0,2 Prozent“.
Es ist das erklärte Ziel der Bundesregierung, neue Außenpolitische Initiativen auch auf Kosten der USA zu entwickeln. „Die Räume, die Amerika frei macht, müssen wir jetzt nutzen“, hatte der sozialdemokratische Außenminister Sigmar Gabriel bereits kurz nach dem Amtsantritt von Trump verkündet. Dennoch ist die Afrika-Konferenz nicht einfach eine Reaktion auf die wachsenden transatlantischen Spannungen, sondern sie wurde lange politisch vorbereitet. „Die Zeit der Strategiepapiere ist vorbei, jetzt muss die der konkreten Projekte kommen“, erklärte Stefan Liebing, Chef des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft.
Welche „konkreten Projekte“ er meint, macht ein Blick in die Strategiepapiere deutlich, die in den letzten Jahren in Berlin verfasst wurden. Im Positionspapier „Energie & Rohstoffe“ des Afrika-Vereins heißt es etwa: „Deutschland braucht eine langfristige und zuverlässige Versorgung mit Rohstoffen. Afrika als ressourcenreicher Kontinent bietet sich hierfür an. Neben einer Sicherung der Versorgung durch langfristige Lieferverträge, zum Beispiel im Rahmen von Rohstoffpartnerschaften, muss sich die deutsche Wirtschaft deutlich stärker in den Prozess der Exploration, Gewinnung und Weiterverarbeitung von Rohstoffen einbringen.“
Und weiter: „Um diese Vision mit Leben zu füllen, bedarf es einer engen Kooperation – zwischen Wirtschaft und Politik in Deutschland einerseits und mit den afrikanischen Partnerländern andererseits. Im international hart umkämpften Energie- und Rohstoffmarkt benötigt die deutsche Wirtschaft politische Rückendeckung, um gute Ausgangsbedingungen für deutsche Unternehmen zu schaffen.“
In dem Maße wie die deutsche Wirtschaft diese „Vision“ umsetzt, ist Afrika auch zunehmend in den Fokus der Kanzlerin gerückt. Bereits vor ihrer Afrika-Reise im letzten Herbst hatte sie in einem Interview in der Zeit in bester deutscher Kolonialherrenmanier erklärt: „Nun können wir natürlich nicht die ganze Welt von einem Tag auf den anderen zum Besseren wenden. Aber wenn wir deutsche Interessen verfolgen wollen, müssen wir realistischerweise sagen, dass auch das Wohl Afrikas im deutschen Interesse liegt.“
Welche weiteren „Interessen“ Merkel neben den wirtschaftlichen meint, wurde in ihrer Rede am Montag in Berlin deutlich. Sie verlangte, die illegale Migration einzudämmen, denn „wenn es in Afrika zu viel Hoffnungslosigkeit gibt, dann sagen junge Menschen auch: Wir müssen uns woanders auf der Welt ein neues Leben suchen“. Plänen der Bundesregierung zufolge sollen afrikanische Gewaltherrscher wie der ägyptische Diktator Abdel Fatah al-Sisi, dem in Berlin erneut der rote Teppich ausgerollt wurde, Milliarden Euro an EU-Geldern erhalten, um ihren Sicherheitsapparat aufzurüsten und Flüchtlinge schon in Afrika von Europa abzuhalten.
Nichts fürchten die imperialistischen Mächte mehr als eine revolutionäre Erhebung der schnell wachsenden und sehr jungen afrikanischen Bevölkerung wie in Ägypten und Tunesien vor sechs Jahren. Merkel warnte: „Deutlich mehr als die Hälfte der Menschen ist jünger als 25 Jahre. Ich sage das in Deutschland immer wieder: Unser deutsches Durchschnittsalter beträgt 43 Jahre. Das Durchschnittsalter in Niger, in Mali, in anderen Ländern liegt bei wenig mehr als 15 Jahren. […] Wenn wir der Jugend keine Perspektive geben, wenn wir nicht in Bildung und Qualifikation investieren, wenn wir gerade auch die Rolle von Mädchen und jungen Frauen nicht stärken, dann wird die Entwicklungsagenda keinen Erfolg haben.”
Merkels „Entwicklungsagenda“ schließt die brutale Unterdrückung der einheimischen Bevölkerung im Namen von „Sicherheit“ und „Anti-Terror-Kampf“ mit ein. Entwicklungspolitiker hätten sich „viele Jahre lang […] nicht ausreichend mit Sicherheitsfragen beschäftigt“, klagte die Kanzlerin. „Viele Jahre lang haben wir uns gut gefühlt, wenn wir uns nicht mit militärischer Ausrüstung beschäftigt haben.“
Aber dies werde sich nun ändern: „Wir müssen uns ehrlich machen und sagen: Nur dort, wo Sicherheit gewährleistet ist, kann überhaupt Entwicklung stattfinden. Ich finde es sehr mutig, dass einige Länder zum Beispiel im Kampf gegen Terrorismus in Mali und in der Nachbarschaft bereit sind, selbst Verantwortung zu übernehmen. In diesem Zusammenhang ersucht Frankreich um ein UN-Mandat im Sicherheitsrat. Ich kann nur sagen: Wir werden sie dabei auch von deutscher Seite unterstützen.“
Offenbar plant die Bundesregierung ihr militärisches Engagement in Afrika noch auszuweiten. Dabei ist der deutsche Imperialismus bereits in den vergangenen Jahren dazu übergegangen, seine wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen unter dem Deckmantel des Kampfs gegen den Terror und der Bekämpfung von „Fluchtursachen“ in Afrika wieder militärisch zu verfolgen.
Anfang 2013 beschloss der Bundestag, die französische Militärintervention in Mali zu unterstützen und die Bundeswehr in dem Land zu stationieren. Seitdem wurde der Einsatz mehrmals ausgeweitet. Er ist mittlerweile der größte Auslandseinsatzort der Bundeswehr. Weitere deutsche Missionen laufen derzeit im Senegal, in Zentralafrika, am Horn von Afrika, in der Westsahara, im Sudan, im Südsudan und in Somalia, die ebenfalls alle verlängert oder ausgeweitet wurden.
An welche dunkle Tradition die Bundeswehr dabei anknüpft, wird auch in Afrika immer offensichtlicher. Der Spiegel berichtete vor wenigen Tagen, dass auf der Holzwand eines Wachturms im Camp Castor der Bundeswehr in Mali der Slogan „Gott mit uns“ in Runen-Schrift zu lesen war. Das sei zuletzt ein Schlachtruf der Wehrmacht gewesen, der vor allem auf den Gürtelschnallen der Soldaten direkt über dem Hakenkreuz gestanden habe, so das Magazin. In rechtsradikalen Kreisen sei die Parole bis heute weit verbreitet.