Nach dem amerikanischen Angriff auf die Luftwaffenbasis al-Shayrat in Syrien haben die europäischen Regierungen nahezu unisono ihre Unterstützung für das Bombardement erklärt, bei dem mindestens neun Zivilisten ums Leben kamen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der französische Präsident François Hollande stellten sich am Freitag in einer gemeinsamen Mitteilung hinter die Attacke: „Frankreich und Deutschland werden mit ihren Partnern und im Rahmen der Vereinten Nationen ihre Bemühungen fortsetzen, um Präsident Assad für seine verbrecherischen Taten zur Verantwortung zu ziehen.“ Zynisch gaben sie Assad die „alleinige Verantwortung für diese Entwicklung“. Dessen „wiederholter Einsatz von chemischen Waffen und seine Verbrechen gegen die eigene Bevölkerung“ verlangten „eine Sanktionierung“.
Auch Großbritannien und Polen stellten sich hinter den Angriff. Ein Sprecher der britischen Premierministerin Theresa May sprach von der „angemessenen Antwort“ auf einen „barbarischen Chemiewaffenangriff“. Polens Präsident Andrzej Duda erklärte, die amerikanische Militäraktion habe seine „volle Unterstützung“. Die „zivilisiere Welt“ haben „den unvorstellbar barbarischen Akt nicht gleichgültig hinnehmen“ können. Die polnische Regierung verurteile „mit aller Kraft Verbrechen an der Zivilbevölkerung“.
Die Heuchelei und Rücksichtslosigkeit der europäischen Regierungen ist atemberaubend. Obwohl die Hintergründe des angeblichen Giftgasanschlags nach wie vor ungeklärt sind und alles auf eine imperialistische Provokation hindeutet, unterstützen sie – anders als noch während des Überfalls der USA auf den Irak im Jahr 2003 und des Kriegs gegen Libyen 2011 – geschlossen einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, der sich zu einer direkten Konfrontation mit dem Iran und der Atommacht Russland ausweiten kann. Dabei entdecken Medien und Politik ihre Sympathien für den neuen US-Präsidenten Donald Trump ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, an dem dieser Tomahawk-Marschflugkörper von Kriegsschiffen im Mittelmeer auf Syrien niederregnen lässt.
Außenminister Sigmar Gabriel, der sich auf dem Treffen der Nato-Außenminister vor einer Woche noch einen heftigen Schlagabtausch mit seinem US-amerikanischen Amtskollegen Rex Tillerson geliefert hatte, stellte sich am Rande seiner Mali-Reise in Bamako mit den Worten hinter den Angriff: „Es war kaum erträglich mit ansehen zu müssen, dass der Weltsicherheitsrat nicht in der Lage war, klar und eindeutig auf den barbarischen Einsatz chemischer Waffen gegen unschuldige Menschen in Syrien zu reagieren. Dass die Vereinigten Staaten jetzt mit einem Angriff gegen die militärischen Strukturen des Assad-Regimes reagiert haben, von denen dieses grausame Kriegsverbrechen ausging, ist nachvollziehbar.“
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), die systematisch die Aufrüstung der Bundeswehr vorantreibt, stellte sich in Berlin hinter das US-Bombardement. „Der Einsatz von Chemiewaffen muss nicht nur geächtet sein, sondern muss auch Konsequenzen haben“, erklärte sie. Außerdem prahlte sie damit, dass sie der amerikanische Verteidigungsminister James „Mad Dog“ Mattis vorab über den Luftangriff informiert habe.
Dass es der Bundesregierung in Syrien und im Nahen Osten um die Verhinderung „grausamer Kriegsverbrechen“ geht, ist eine dreiste Lüge. Seit Ende 2015 ist sie mit Tornados, einem Kriegsschiff und bis zu 1200 Soldaten Kriegspartei und an der Zerstörung des Landes aktiv beteiligt. Erst vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass die deutsche Luftwaffe die Zielkoordinaten für ein Massaker an Zivilisten in Syrien lieferte, dem mindestens 33 Menschen, darunter Frauen und Kinder, zum Opfer fielen.
Viele Medien und Kommentatoren, die zu den deutschen Verbrechen schwiegen, aber in den letzten Tagen Krokodilstränen über den angeblichen Giftgasanschlag Assads vergossen, preisen nun Trump als Kriegshelden.
„Donald Trump hat sich eingereiht in den Kreis der kriegführenden Präsidenten und er hat sich zurückgemeldet im Nahen Osten,“ jubelte etwa Stefan Kornelius in einer Videobotschaft auf der Website der Süddeutschen Zeitung. Amerika sei „zurück und zwar mit einem Schlag, den niemand von Donald Trump erwartet hatte“. Und weiter: „Der Isolationist ist keiner mehr, er ist auf einmal ein Interventionist und auch noch ein militärischer Interventionist.“
Kornelius, der enge Verbindungen zu US-nahen Thinktanks hat, kann sein Verlangen nach einem Regimewechsel in Damaskus kaum kontrollieren. Die Botschaft an Assad sei: „Deine Tage sind gezählt. Amerika wird es nicht tolerieren, dass du weiterhin in diesem Spiel mitspielst.“ Europa und die Regierung Obama seien „nie bereit“ gewesen, „militärisch einzugreifen“. Aber Trump habe nun „Druck ausgeübt“, der „Wladimir Putin dazu bringen muss, seine schützende Hand über Assad wegzuziehen”.
Wenn es in deutschen Medien Kritik am militärischen Eingreifen gibt, kommt sie von rechts. In einem Artikel mit dem Titel „Militärschlag mit großem Show-Effekt und kleiner Wirkung“ stellte die Welt fest: „Um wirklich sicherzugehen, dass das Regime keine C-Waffen mehr einsetzt, hätte Trump dem Pentagon ganz andere Befehle erteilen müssen. US-Kampfjets hätten die verbliebenen Chemiewaffen-Depots zerstören oder alle Militärflughäfen außer Gefecht setzen müssen.“ So bleibe „es zunächst bei einem riesigen Spektakel, das einige syrische Soldaten in al-Schairat das Leben kostete und großen Sachschaden anrichtete“.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Der Deutschlandfunk kritisierte, dass „Trumps 180-Grad-Kurswechsel“ eher „aus dem Bauch heraus – und ohne wirkliche Strategie“ erfolgt sei. Der Angriff spreche lediglich für „einen einmaligen Nadelstich. Was aber, wenn Assad weiter provoziert? All dies ist völlig unklar.“ Auf Dauer könne „der amerikanische Präsident nicht nach Bauchgefühl entscheiden. Sondern nur auf Grundlage einer echten Strategie, die auch alle Konsequenzen bedenkt.“
Unter einer „echten Strategie“ versteht die herrschende Klasse einen abgestimmten Plan für einen Regimewechsel in Damaskus und die Errichtung eines vom Westen kontrollierten Marionettenregimes. Derartige Pläne werden seit langem von den imperialistischen Mächten ausgearbeitet. Das Auswärtige Amt hat bereits 2012 gemeinsam mit der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) und Teilen der syrischen Opposition das Projekt „The Day After“ ins Leben gerufen und eine „Vision für eine Nach-Assad-Ordnung“ erarbeitet.
Wenn die europäischen Regierungen und Medien gegenwärtig den amerikanischen Angriff auf Syrien unterstützen, tun sie dies nicht als Gefolgsleute der US-Kriegspolitik, sondern um ihre eigenen Interessen in der ölreichen Region wahrzunehmen. Dabei versucht jede Regierung, ihr Gewicht in der US-geführten Interventionskoalition zu erhöhen, um bei der Plünderung Syriens und des Nahen Ostens einen möglichst großes Stück vom Kuchen abzubekommen.
Für die Arbeiterklasse birgt diese Entwicklung große Gefahren. Je vertrackter der Krieg in Syrien wird, desto aggressiver werden die Großmächte um sich schlagen. Die Frage ist nicht, ob der nächste Angriff bevorsteht, sondern wann und von wem er erfolgt. Die USA, Deutschland und die anderen europäischen Mächte reagieren mit der Eskalation der Intervention im Nahen Osten auf die tiefe Krise des kapitalistischen Systems.
Nur eine internationale Antikriegsbewegung, die die Arbeiterklasse für ein sozialistisches Programm mobilisiert, kann die Logik des Kriegs stoppen und die Gefahr eines dritten Weltkriegs abwenden. Der Kampf gegen Krieg und der Kampf gegen Kapitalismus sind dabei untrennbar miteinander verbunden. Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) kämpft mit allen anderen Sektionen des Internationalen Komitees der Vierten Internationale dafür, eine solche Bewegung aufzubauen.