Der Lufthansa-Konzern und die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) haben am Mittwoch den Schlichterspruch zur Vergütung der rund 5400 Lufthansa-Piloten angenommen. Die Fluggesellschaft verband die Zustimmung mit einer erneuten Kampfansage an die Piloten.
Die Schlichtung war von beiden Tarifparteien Mitte Dezember nach monatelangen Verhandlungen vereinbart worden. Der Tarifkonflikt zieht sich seit 2012 dahin. Seit 2014 haben die Piloten vierzehnmal gestreikt. Zuletzt legten sie ihre Arbeit im November 2016 sechs Tage lang nieder. Die Lufthansa verlangt erhebliche Gehalts- und Betriebsrentenkürzungen sowie Einschnitte bei den Arbeitsbedingungen, um sich auf dem Rücken der Piloten Vorteile im internationalen Konkurrenzkampf zu verschaffen.
Die Schlichtung zum Vergütungstarifvertrag unter Vorsitz des ehemaligen UN-Diplomaten und Staatssekretärs im Auswärtigen Amt, Dr. Gunter Pleuger, endete am 31. Januar, ohne dass sich die Vereinigung Cockpit (VC) mit den Konzernmarken Lufthansa, Lufthansa Cargo und Germanwings einigen konnte. Am Freitag letzter Woche hatte Pleuger dann seinen Schlichterspruch vorgelegt, den nun am Mittwoch beide Seiten angenommen haben.
Die 5400 Piloten im Konzerntarifvertrag von Lufthansa, Lufthansa Cargo und Germanwings erhalten danach in vier Stufen insgesamt rund 8,7 Prozent mehr Gehalt. Rückwirkend zum 1. Januar 2016 eine Anhebung um 2,0 Prozent und zum 1. Januar 2017 um 2,3 Prozent. Anfang nächsten Jahres erhöhen sich die monatlichen Bezüge um 2,4 Prozent, Anfang 2019 um weitere 2 Prozent. Ende 2019 läuft der Tarifvertrag aus. Zusätzlich sieht der Schlichterspruch eine Einmalzahlung in Höhe von 5000 bis 6000 Euro durchschnittlich pro Vollzeitbeschäftigtem vor.
Die Aktionäre werteten den Schlichterspruch zu ihren Gunsten. Die Aktien der Fluggesellschaft stiegen am Donnerstag um fast drei Prozent, was den Spitzenplatz im Dax sowie den höchsten Kurs seit Mai vergangenen Jahres bedeutete.
Die Vereinigung Cockpit errechnet unter Berücksichtigung der Jahre 2012 bis 2015 eine Gehaltserhöhung von durchschnittlich knapp 1,2 Prozent pro Jahr. Das ist ein Schlag ins Gesicht der Piloten, die in den letzten Jahren mit ihren Streiks immer wieder ihre Kampfbereitschaft ausgedrückt haben.
„Die Bewertung des Schlichterspruches war erwartungsgemäß sehr schwierig“, schreibt die VC in einer Pressemitteilung, „und verlangt von den Piloten maximale Kompromissbereitschaft.“ Die Schlichtungsschlussempfehlung sei „gerade so akzeptabel“, erklärt Markus Wahl, der Sprecher der VC. Die Verhandlungskommission der Gewerkschaft empfiehlt ihren Mitgliedern, diesen Schlichterspruch in einer Urabstimmung bis Ende März anzunehmen.
Die Airline beziffert das Gesamtvolumen des Schlichterspruchs mit rund 85 Millionen Euro. „Um diese Zusatzkosten zu kompensieren, sollen abweichend von der bisherigen Flottenplanung 40 zugehende Flugzeuge außerhalb des Konzerntarifvertrags bereedert werden“, droht der Konzern in einer Pressemitteilung, in der er die Zustimmung zum Schlichterspruch bekanntgibt. „Einzelheiten zur Ausgestaltung einer alternativen Plattform zum Betrieb dieser Flugzeuge sollen in den kommenden Wochen konkretisiert werden.“
Dr. Bettina Volkens, Vorstand Personal und Recht der Deutschen Lufthansa AG, wird konkreter. Die höheren Cockpitvergütungskosten stehen dem Ziel entgegen, „im Cockpit der Lufthansa günstiger und damit wieder wachstumsfähig zu werden“, erklärte sie. „Ohne eine Kompensation in anderen Tarifverträgen müssen wir daher den Weg einer veränderten Flottenplanung gehen.“ Im Klartext: Entweder die Piloten akzeptieren Einbußen in anderen Bereichen, etwa der Betriebsrenten oder Arbeitsbedingungen, oder die 40 bei der Lufthansa geplanten neuen Flugzeuge werden nicht von Lufthansa-Piloten geflogen.
„Langfristig schrumpft damit die Flotte der Lufthansa Classic“, sagte VC-Sprecher Wahl am Donnerstag der Deutschen Presseagentur. Es sei noch nicht klar, wie schnell dieser Prozess ablaufe. Aber die Gruppe der zuletzt noch 5400 Stammpiloten schrumpfe schon jetzt, weil Lufthansa seit Jahren zu den Bedingungen des Konzerntarifvertrags (KTV) keine neuen Piloten mehr einstellt.
Wenn die Jets schneller aus der Flotte genommen würden, als Piloten in den Ruhestand wechseln, könne es zu Personalüberhängen kommen, sprich: Arbeitsplatzabbau. Das bedeutet, dass eher mittel- als langfristig die derzeit noch angemessen bezahlten Piloten im Konzernvertrag durch ihre Kollegen vor allem bei der Billigflugtochter Eurowings ersetzt werden.
Trotz dieser offenen Drohung, die die nächsten Angriffe auf die Piloten vorwegnimmt, empfiehlt die VC ihren Mitgliedern, den Schlichterspruch anzunehmen.
Die durch die Einmalzahlung auch langfristig niedrigeren Gehälter sind allerdings nicht die einzige „Kröte“, die die Piloten schlucken sollen. Konzern und Gewerkschaft konnten sich nicht auf das sonst übliche so genannte „Maßregelungsverbot“ einigen. Die bestreikten Unternehmen verzichten darin auf arbeits- oder strafrechtliche Schritte gegen Beschäftigte, die sich an Streiks beteiligt haben.
Die Weigerung das bereits ausgehandelte Maßregelungsverbot zu unterschreiben, ist eine weitere Drohung. Die Fluggesellschaft hat die Kosten der Piloten-Streiks mit über eine halbe Milliarde Euro angegeben. Ohne Maßregelungsverbot ist sie rein rechtlich in der Lage, diese Kosten von den Streikenden einzufordern oder sie zumindest deswegen arbeitsrechtlich zu belangen.
Wie man den Schlichterspruch auch dreht und wendet, er richtet sich gegen die Piloten, und es gibt keinen Grund, ihn anzunehmen. Das Problem, mit dem die Piloten allerdings konfrontiert sind, besteht darin, dass sich die gewerkschaftlichen Methoden der Sozialpartnerschaft, Mitbestimmung und engen Zusammenarbeit mit der Unternehmensleitung als bankrott erwiesen haben. Im internationalen Wettbewerb können Beschäftigte der Airlines nur mit einer internationalen und sozialistischen Perspektive, die die Bedürfnisse der Belegschaften höher stellt als die der Konzerneigner an den Börsen, ihre Interessen verteidigen.
Aktuell ist das Gegenteil der Fall. Piloten mit Altverträgen bei der Lufthansa werden gegen Piloten bei Eurowings, alle Piloten gegen das Boden- und Kabinenpersonal ausgespielt usw. Die Gewerkschaften, auch die kleineren Spartengewerkschaften, spielen dabei mit. Die Pilotengewerkschaft, die einst angetreten war, ihre Kampfkraft zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen aller Beschäftigten einzusetzen, ruft nun dazu auf, einen miserablen Schlichterspruch zu akzeptieren, der sich nicht nur gegen die Piloten, sondern auch gegen die Beschäftigten in anderen Bereichen richtet.
So protestierte die Unabhängige Flugbegleiter-Organisation (UFO) sofort gegen den Schlichterspruch. Ihr Vorstand Nicoley Baublies erklärte, dass es auch zu Lasten der Flugbegleiter ginge, falls die Lufthansa tatsächlich 40 Flugzeuge auslagere, um die Piloten bezahlen zu können.
Die Lufthansa wies zwar in ihrer Pressemitteilung darauf hin, dass „die Beschäftigungsperspektiven des Boden- und Kabinenpersonals dadurch nicht belastet“ werden, weil mit UFO und der Gewerkschaft Verdi bereits „Kostensenkungen und neue Strukturen für die Altersvorsorge vereinbart werden“ konnten. Baublies erwiderte daraufhin aber, es gäbe „bisher keinerlei Bereitschaft, mit UFO zu verhandeln, wie dies geschehen kann“. Er wertete den Schlichterspruch daher als „Abschluss zu Lasten Dritter“.
Weder Verdi noch Ufo noch Cockpit haben auch nur den Versuch unternommen, die Arbeitskämpfe, die sich gegen dieselbe mächtige Lufthansa Group richten, zu koordinieren und gemeinsam zu kämpfen. Stattdessen bieten sie sich als Partner der Konzernleitung an, um den Widerstand der Beschäftigt in einzelne Bereiche zu isolieren und damit unter Kontrolle zu halten.