Britischer Journalist verdammt die Russische Revolution und ihre Kunst

Jonathan Jones, der Kunstkritiker des britischen Guardian, nutzte die von der Royal Academy (RA) in London vorbereitete Ausstellung über russische Kunst 1917-1932 als Gelegenheit, um Lügen über die Russische Revolution zu verbreiten.

Die Überschrift seines bösartigen Kommentars spricht für sich: „Wir können die revolutionäre russische Kunst nicht feiern – sie ist brutale Propaganda“. Aber was dann folgt, ist eine Hetztirade, in der sich politische Reaktion mit intellektueller Scharlatanerie verbindet.

Dass Jones‘ Motivation eher politisch als kunsthistorisch ist, geht schon daraus hervor, dass er über eine Ausstellung schreibt, die er noch nicht einmal gesehen hat! „Revolution: Russian Art: 1917-1932“ wird erst am 11. Februar eröffnet. Da er noch nichts hat, was er kommentieren könnte, fällt er über eine frühere Ausstellung am New Yorker Museum of Modern Art her, die „im Herzen des kapitalistischen Manhattan“ gezeigt wurde. Sie sei „Intellektuell nachlässig“ gewesen, weil sie auf „apolitische“ Weise die russische Kunst gefeiert habe.

Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass die RA den politischen Kontext der Kunst ignoriert, die sie auszustellen beabsichtigt. In der Ankündigung auf ihrer Homepage heißt es: „Berühmte Künstler wie Kandinsky, Malewitsch, Chagall und Rodschenko, gehörten zu denen, die die schicksalshaften Ereignisse von 1917 miterlebt haben, durch die die jahrhundertelange Zarenherrschaft beendet und die russische Gesellschaft in ihren Grundfesten erschüttert wurde.“

Mitten in diesem Tumult gediehen die Künste und wurden erhitzte Debatten darüber geführt, welche Form die neue Kunst des „Volkes“ haben sollte. Aber dieser Optimismus war nicht von Dauer. Ende 1932 hatte Stalins brutale Unterdrückung den Vorhang über der kreativen Freiheit fallen gelassen. … Diese revolutionären Werke drücken sowohl die idealistischen Hoffnungen als auch die harte Realität der Revolution und ihrer Folgen aus.“

Die RA spricht hier als hoch geachtete und reichlich unterstützte Institution der herrschenden Elite Großbritanniens.

Die Russische Revolution war das bedeutendste Ereignis des 20. Jahrhunderts, ja der modernen Zeitgeschichte überhaupt. Sie fand inmitten der Massenschlächterei des Ersten Weltkriegs statt. Die imperialistischen Mächte hatten die Menschheit in ein Blutbad von bis dahin nicht gekanntem Ausmaß gestürzt. Es endete schließlich mit 17 Millionen Toten und mehr als 20 Millionen Verwundeten. Die Revolution wurde von Wladimir Lenin, Leo Trotzki und den Bolschewiki geführt. Sie repräsentierten die internationalistischen Kräfte, die gegen den großen Verrat durch die Parteien der Zweiten Internationale aufstanden, die sich in diesem fürchterlichen Krieg auf die Seite ihrer eigenen nationalen Bourgeoisie gestellt hatten.

Ihrer Verteidigung des sozialistischen Internationalismus war es zu verdanken, dass die Bolschewiki die Unterstützung der revolutionären Arbeiterklasse und der armen Bauern gewinnen konnten, nachdem das Zarenregime durch die Antikriegsstimmung der Massen gestürzt worden war. Sie hatten die Versuche der bürgerlichen Führer der Februarrevolution vereitelt, Russland weiterhin Krieg führen zu lassen.

Die Arbeiterklasse und die unterdrückten Massen schufen sich durch die Oktoberrevolution in Russland ihre eigene Regierung. Für die fortgeschrittenen Arbeiter in Europa und der ganzen Welt war sie ein Leuchtfeuer und das Versprechen auf eine sozialistische Zukunft der Menschheit.

In den Augen der imperialistischen Mächte war ein Staat entstanden, den sie zerstören mussten. Sie wollten die Überreste der zaristischen Armeen stärken und wieder aufbauen, um eine Militärdiktatur zu errichten. Diese konterrevolutionäre Entwicklung war der wirkliche Grund für das schreckliche Leiden der russischen Massen, nicht ihr heroischer Widerstand gegen dieses scheinbar unmögliche Vorhaben. Das ist der Grund, weshalb die Revolution ein so mächtiger Anziehungspunkt für die Künstler Russlands wurde und ihre kreative Energie anspornte.

Die RA akzeptiert allgemein den Unterschied zwischen der Blüte der Kunst während und unmittelbar nach der Revolution und dem lähmenden Einfluss der konterrevolutionären Konsolidierung der Herrschaft der Bürokratie unter Stalin. Sogar dagegen wendet sich Jones. Er will, dass die RA eine öffentliche Warnung ausspricht, dass „wir nicht übersehen dürfen“, dass Lenins „totalitäres Gewaltregime mit dem der Nazis konkurrierte“. Sonst bestehe die Gefahr, dass „alle jungen Idealisten in diesem Land“ „nach einem Ticket [für die RA-Ausstellung] verlangen“ könnten. Eindeutig besorgt, begreift er, dass sie begeistert von dem, was sie dort sehen, aus der Ausstellung herauskommen.

Jones feuert eine Breitseite gegen die Oktoberrevolution als „eines der mörderischsten Kapitel der Menschheitsgeschichte“ und fügt hinzu, das die RA-Ausstellung vergleichbar sei „mit einer gewaltigen Ausstellung der Kunst aus Hitlers Deutschland“. Er beschreibt die Revolution als einen „Putsch“ und betont, dass Lenin und die Bolschewiki die ländliche Gesellschaft durch ihren Krieg gegen die „Kulaken“, die reichen Bauern, zerstört hätten. Damit hätten sie „den Nazismus vorweggenommen und eine ganze Kategorie des Volkes verteufelt“.

Inmitten dieser tollwütigen Verleumdungen führt er einen verdeckten, aber politisch entscheidenden Angriff auf die Analyse Leo Trotzkis über den Aufstieg des Stalinismus in der Sowjetunion. Er erklärt unumwunden: „Lenins Revolution durch die rosa Brille als etwas Gutes zu sehen, als einen ‚utopischen‘ Traum, der nur scheiterte, weil ihn der böse Stalin verdarb, heißt, an ein Märchen zu glauben.“

Für Jones sind die von der Russischen Revolution begeisterten Künstler Propagandisten, die aus Gründen, die er nicht näher ausführt, ein Werk hervorgebracht haben, das „zweifellos zu den bedeutendsten des 20. Jahrhunderts“ gehört.

Er greift Kasimir Malewitsch und El Lissitzky heraus, weil sie geholfen hätten, die bolschewistische Ideologie durchzusetzen, indem sie die Bewegungen der Suprematisten und Konstruktivisten schufen, die behaupteten „eine utopische Vision einer revolutionären Zukunft auszudrücken“.

Das ist eine widerliche Verleumdung Malewitschs, der, isoliert und verarmt, gegen Stalins Diktat des „Sozialistischen Realismus“ kämpfte, bis er 1935 an Krebs starb. Sein Werk war verboten.

Besonders gehässig zieht er über El Lissitzkys Plakat von 1919 „Schlagt die Weißen mit dem Roten Keil“ her. Allein darin zeigt sich die Unanständigkeit und Dummheit seines Versuchs eine Parallele zwischen Bolschewismus und Faschismus zu ziehen.

Jones prangert das Plakat an, weil es Arbeiter und Jugendliche dazu aufrufe, den Kampf gegen die konterrevolutionären Weißen Armeen aufzunehmen. Es sei eine „Aufforderung zu erbarmungsloser Gewalt“, denn darin werde „ein scharfes rotes Dreieck einer schwarzen Masse wie ein Pflock in Draculas Herz“ getrieben.

Ganz nebenbei bemerkt er: „Extreme Methoden wurden auf beiden Seiten eingesetzt.“ Aber Lissitzky habe den Kampf gegen die Weißen unterstützt, indem er ein Dreieck gezeichnet habe, das „wirklich rot war – rot von Blut“.

Jones zeichnet ein Lügengemälde von grundloser Gewalt der Bolschewiki. Dabei verschweigt er die Intervention der imperialistischen Mächte und den Weißen Terror, den sie damit unterstützt haben. Er ignoriert die Blockade, die Importe und Exporte fast vollständig abschnitt, was zum Tod von Millionen durch Hunger und Krankheiten führte.

Admiral Alexander Wassiljewitsch Koltschak, der wichtigste Anführer der Weißen, wurde von den imperialistischen Mächten als „oberster Führer Russlands“ gepriesen, weil er wieder in den Krieg eintreten wollte und entschlossen war, die Bolschewiki gewaltsam zu stürzen. Wo immer seine Truppen auftauchten, kam es zu gewaltsamen antisemitischen Pogromen, denen schätzungsweise 100.000 Menschen zum Opfer fielen. Auch kam es zu Massakern an Bauern und Arbeitern, die sich der Revolution angeschlossen hatten. Das Regime, das Koltschak in Sibirien errichtet hatte, wurde später von Konstantin Sacharow, einem seiner Generäle, als „im Grunde eine erste Manifestation des Faschismus“ beschrieben.

Von einem anderen von Koltschaks Generälen, Grigori Semenow, wird berichtet, er habe innerhalb von drei Tagen mehr als 1000 Menschen getötet. Die letzten davon wurden bei lebendigem Leibe verbrannt. Ein anderer forderte: „Die Dörfer, deren Bevölkerung den Truppen bewaffnet entgegentritt, sind niederzubrennen und die erwachsenen Männer ohne Ausnahme zu erschießen.“

Die antisemitischen Pogrome waren so brutal, dass selbst Winston Churchill, der überzeugt war, dass „der Bolschewismus in der Wiege erstickt“ werden müsse, sich beklagte, dass „meine Aufgabe, im Parlament Unterstützung für die russischen Nationalisten zu erhalten, unendlich erschwert wird, wenn die glaubhaften Beschwerden von Juden in der Zone der Freiwilligen-Armeen so weitergehen“.

Trotzki, der Führer der Roten Armee im Bürgerkrieg verachtete die, die gegen die Anwendung von Gewalt durch die Unterdrückten protestierten und die Gewalt der Unterdrücker rechtfertigten. Unter den mehrheitlich feindlichen mehr als tausend Kommentaren zu Jones Artikel, griff einer eben diese Heuchelei auf. Er wies darauf hin, dass Jones 2009 das spanische Imperium und die Inquisition entschuldigte, indem er erklärte, dass „brutale Regimes und Imperien seit Langem zu dem erstaunlichen Vermächtnis eines Realismus in der religiösen Malerei und Bildhauerei beigetragen“ hätten. „Jeder hasst die Imperien, aber wer wollte auf ihre Errungenschaften verzichten?“

Der amerikanische Schriftsteller Mark Twain wies einmal auf die Heuchelei derjenigen hin, die die Härte der Französischen Revolution verdammten: „Wenn wir uns recht erinnern und darüber nachdenken, gab es zwei ‚Schreckensherrschaften‘; die eine betrieb das Morden in heißer Leidenschaft, die anderen kaltblütig; die erste dauerte nur Monate, die andere tausend Jahre; die eine brachte tausend Menschen den Tod, die andere hundert Millionen … was bedeutet ein rascher Tod durch das Beil verglichen mit dem lebenslangen Tod durch Hunger, Kälte, Grausamkeit und Herzlosigkeit?“

Und ist es nicht angebracht, hier auch ein Wort über die zahllosen Opfer des britischen Empires zu verlieren, das ganze Kontinente versklavt hat? Keinem Verteidiger der britischen herrschenden Elite, die für unendliches Elend, Zerstörungen und Tod in Afrika, Indien und andren Teilen von Asien, Irland und überall auf der Welt verantwortlich ist, sollte erlaubt sein, vor irgendeinem Forum über „gnadenlose Grausamkeit“ zu predigen.

Jones zieht eine direkte Linie von der Revolution zum stalinistischen Terror. Die Wahrheit ist, dass der Massenterror, den Stalin in den 1930er Jahren verübte, kein Ergebnis der Oktoberrevolution war, sondern sich ganz bewusst gegen deren sozialistisches Erbe richtete. Hunderttausende Bolschewiken wurden in den großen Säuberungen getötet oder starben in den Gulags.

Auch ignoriert Jones ganz und gar die erbitterten Auseinandersetzungen, die in den 1920er Jahren zwischen der herrschenden stalinistischen Clique und der Linken Opposition um Trotzki über die Rolle von Kunst und Künstlern geführt wurden. Diese Kämpfe nahmen immer heftigere Formen an und resultierten schließlich in den Säuberungen der 1930er Jahre. Auf dem Gebiet der Kunst waren sie von der Durchsetzung des sogenannten Sozialistischen Realismus und der Zerschlagung der künstlerischen Kreativität begleitet.

Einige aufmerksame Kommentatoren haben Jones‘ Angriff mit dem des britischen Historikers Robert Service verglichen. Einer von ihnen bemerkte: „Seine [Services] Anti-Trotzki-‚Biografie‘ wurde in der American Historical Review als ‚Machwerk‘ verurteilt, weil sie voller Lügen, historischer Fälschungen und unfassbarer Fehler war.“

Der Kommentator bezieht sich auf eine vergleichende Besprechung zweier Bücher durch den führenden Historiker Bertrand Patenaude: zum einen der verlogenen Biografie Trotzki von Service und zum anderen das Buch Verteidigung Leo Trotzkis von David North, dem Vorsitzenden der internationalen Redaktion der World Socialist Web Site. Patenaudes Besprechung ist eine unmissverständliche Verurteilung von Service Biografie. Er unterstützt ausdrücklich die Kritik von North und bezeichnet sie als „ausführlich, peinlich genau, gut belegt und verheerend in der Kritik“.

North nennt Services Werk ein Beispiel einer „Präventivbiografie“, mit der versucht wird, Trotzki in Hinblick auf das Ausbrechen künftiger revolutionärer Kämpfe zu diskreditieren. Genau dies trifft auch auf die Bemerkungen von Jones im Guardian zu.

Dass dieser Artikel publiziert wurde, entlarvt einmal mehr, wie sehr die Stimme des offiziellen Organs der liberalen britischen Intellektuellen rechtslastig geworden ist. Jones‘ Biografie lässt einige Schlüsse zu, warum dies der Fall ist.

In einem Kommentar vom 8. August 2015 anlässlich der Bewerbung Jeremy Corbyns um den Vorsitz der Labour Party schnitt Jones bereits viele der Themen an, auf die er jetzt zurückkam: „Die Anhänger Corbyns machen sich selbst etwas vor, wenn sie denken, dass der reine Sozialismus ein Weg der Hoffnung und der Veränderung ist.“ Er behauptet, dass seine eigene Vernarrtheit in den „reinen Sozialismus“ Anfang der 1990er Jahre in Moskau zu Ende ging. Damals sei er Zeuge des „Todes einer monströsen Lüge“ geworden, „in die ich mich irgendwie durch eine Mischung aus Idealismus, Wut, Entfremdung und intellektuellem Stolz verstrickt hatte“.

Seine „Verstrickung“ war ein kurzer Flirt mit der Idee, sich „auf dem Höhepunkt seiner Studentenzeit als ernsthafter und überzeugter Marxist“ der Kommunistischen Partei Großbritanniens anzuschließen. Das ist lächerlich. Der „Marxist“ Jones war dabei, sich einer Partei anzuschließen, die alle Verbrechen Stalins jahrzehntelang verteidigt und den Marxismus eifrig zurückgewiesen hatte. Sie begrüßte Margaret Thatcher, weil sie ein für alle Mal „den Vormarsch von Labour“ beendet habe und verteidigte anschließend den Rechtskurs der Labour Party, als diese zu einer explizit pro-kapitalistischen Politik überging, die in New Labour unter Tony Blair gipfelte.

Jones nahm dann den direkten Pfad und setzte seinen Weg nach rechts als gut bezahlter Medienschreiberling fort. Er schloss sich der Labour Party an und sagte von sich: „Ich bin Labour, aber kein Sozialist mehr.“

Er beschreibt dann seine eigenen Befürchtungen und enthüllt, warum er jetzt etwas geschrieben hat, das man eine „präventive“ Kunstkritik nennen könnte. Jones warnt davor, dass zu viele Menschen seit der Finanzkrise von 2008 „das Scheitern des Kommunismus vergessen haben“, da viele sie als eine wirkliche und tiefgreifende ‚Krise des Kapitalismus‘ ansehen“. Ein aus dem Ruder laufendes Bankensystem und eine Gesellschaft, die die Reichen scheinbar ungeheuer bevorzugt, haben seitdem zum Aufflammen von radikalem sozialistischem Bewusstsein geführt“.

Er schimpft auf die „marktfeindliche Besessenheit, welche die denkende Linke überkommen hat“ und betont, dass „Märkte human sind, sie haben sowohl eine mächtige kreative als auch eine raue ungerechte Seite“. Er droht seinen Lesern mit der Warnung: „Griechenland hat bereits in der Praxis herausgefunden, was es heißt, sich gegen die Sparpolitik zu wenden.“

An Jones ist nichts auch nur entfernt Fortschrittliches oder „Linkes“ – und in seinem Geschreibsel ist kaum etwas nicht banal. Jemand, der kürzlich über die Frage nachsann: „Hatte die Mona Lisa die Syphilis?“ und darauf bestand, dass Prinzessin Diana „die beste aller britischen Skulpturen“ verdiene und dessen vorrangige Sorge in Bezug auf den Brexit ist, dass er katastrophale Auswirkungen auf „die kosmopolitische Kunstszene Londons“ haben werde, ist ein in der Wolle gefärbter Antikommunist und Lakai des Establishments.

Die Autoren empfehlen zur Lektüre:

David North, Verteidigung Leo Trotzkis, Mehring Verlag, Essen 1012

David North, Die Russische Revolution und das unvollendete zwanzigste Jahrhundert, Mehring Verlag, Essen 2015

Der Bolschewismus und die Künstler der Avantgarde

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