Als US-Vertreter letzte Woche damit drohten, Syrien zu bombardieren und Nuklearwaffen gegen Russland in Stellung zu bringen, veröffentlichte die NPA einen Artikel ihres Schweizer Syrien-Korrespondenten Joseph Daher. „Es reicht nicht, ein Ende der Intervention zu fordern“, lautete die Überschrift. Der Autor lehnt Opposition gegen die Intervention der NATO in Syrien ab und fordert die Einsetzung eines Marionettenregimes, das sich an Al-Qaida anlehnt.
Daher begrüßt gleich zu Beginn das Scheitern des im September vereinbarten kurzlebigen Waffenstillstands zwischen Pro-US- und Pro-Russland-Kräften, den er „in politischer, militärischer und humanitärer Hinsicht einen völligen Fehlschlag“ nennt. Dann nimmt er sich „einige Organisationen der ‚Linken‘ und Teile der Antikriegsbewegung in den USA und Großbritannien“ vor, die „das Scheitern des Waffenstillstandes als Ergebnis der Internationalisierung des Kriegs in Syrien ansehen.“
Daher zitiert aus einem Artikel des britischen Bündnisses Stop the War Coalition, in dem es heißt: „Das Hauptproblem ist die Internationalisierung des Kriegs. Syrien ist seit Jahren eine Bühne für regionale und Weltmächte, ihre geopolitischen Interessen zu verfolgen, wodurch sich der Konflikt verlängert und weiter zuspitzt. Diese Entwicklung hat sich in jüngster Zeit beschleunigt, und je näher die beunruhigenden US-Präsidentschaftswahlen rücken, desto lauter wird der Ruf nach einem viel stärkeren Engagement des Westens.“
Daher zeigt seine Empörung über die Kritik an der Eskalation des Westens gegen Syriens Präsidenten Bashar al-Assad: „Einfach das Ende jeder Intervention zu fordern, weil alle Interventionen gleich zu beurteilen seien, um in Syrien Frieden zu erreichen… reicht nicht aus und ist einfach nicht richtig.“ Er greift den erwähnten Artikel an: „Wer den Artikel liest, stellt fest, dass kein Wort über die zerstörerische, kriminelle und autoritäre Politik des Assad-Regimes gesagt wird, das die Hauptverantwortung für annähernd eine halbe Million Opfer trägt.“
Dahers Angriff auf die verbreitete Antikriegsstimmung gründet sich auf politische Lügen. Nicht das Assad-Regime ist hauptverantwortlich für das Blutbad in Syrien, sondern die Intervention der NATO, die dabei von pseudolinken Gruppen wie der NPA unterstützt wird. Nach fünf Jahren Krieg ist allgemein bekannt, dass die NATO und ihre Verbündeten im Nahen Osten Milliarden von Dollars ausgegeben haben, um oppositionelle islamistische Milizen zu bewaffnen, die für den Sturz Assads kämpfen. Sie haben einen Konflikt ausgelöst, der Hunderttausende Opfer gefordert und über zehn Millionen Syrer zu Flüchtlingen gemacht hat.
Daher schreibt ganz im Sinne der NATO und der Geheimdienste, die auf einen Regimewechsel in Syrien drängen und dem vereinbarten Waffenstillstand ablehnend gegenüberstanden.
Letzten Monat äußerten sich nach der Unterzeichnung des Waffenstillstands durch Kerry einige US-Generäle dahingehend, dass sie die Vereinbarung nicht akzeptieren wollten. Sie wandten sich dagegen, Geheimdienstinformationen über Al-Qaida an Moskau weiterzugeben. Seitdem haben sie deutlich gemacht, dass sie Krieg gegen Russland vorbereiten. Sie fürchteten auch, dass eine vorübergehende Einstellung der Feindseligkeiten Assad helfen würde, wichtige Städte wie Aleppo von den Milizen zurückzuerobern, die von den USA unterstützt werden. Diese Milizen befinden sich im Bund mit Al-Qaida und fielen nicht unter das Waffenstillstandsabkommen. US-Kampfflugzeuge bombardierten und töteten kurz vor dem Ende des Waffenstillstands Dutzende syrischer Soldaten in Deir ez-Zor, und machten damit Bemühungen um eine Verlängerung endgültig zunichte.
Wie die führenden Figuren des Pentagon verurteilt Daher die Feuerpause, weil sie den Sturz des Assad-Regimes verhindert hätte.
„Politisch betrachtet, musste der Waffenstillstand scheitern, weil er die politische Ursache des Problems umging: das Assad-Regime“, schreibt Daher und fügt hinzu: „Die politische Vereinbarung, die im Sinne der politischen Interessen der USA und Russlands im Namen des ‚Kriegs gegen den Terror‘ getroffen wurde, stabilisierte sogar das Assad-Regime. Deshalb lehnten große Teile der demokratischen Opposition, der bewaffneten wie der unbewaffneten, die Vereinbarung ab.“
Daher behauptet, die Obama-Regierung wolle das Assad-Regime stabilisieren. Diese Lüge, die von neokonservativen Kreisen in den USA in die Welt gesetzt wurde, dient den Interessen von Teilen des US-Militärs und der Medien, und der mit der NPA verbündeten Regierung der Sozialistischen Partei (PS) in Frankreich.
Diese Kräfte sind unzufrieden, weil Obama militärisch noch nicht das Erforderliche zum Sturz Assads getan hat. Vor allem im Jahr 2013 war Obama schon drauf und dran, mit Frankreich Krieg in Syrien zu führen, machte dann aber einen Rückzieher, obwohl die PS sich dafür ausgesprochen hatte. Das brachte sowohl die PS als auch prominente NPA-Unterstützer des Syrienkriegs, wie Professor Gilbert Achcar, der schon 2011 als persönlicher Berater der Führer des CIA- nahen Syrischen Nationalrats agiert hatte, zur Weißglut.
Dahers Übernahme der Kriegspropaganda von Pentagon und CIA markiert eine neue Stufe auf dem Weg der NPA nach ganz rechts. Während der letzten Jahrzehnte haben sich die NPA und die gesellschaftlichen Kräfte, aus denen sie sich rekrutiert, in die bürgerliche Politik integriert. Seit den 1980ern bewegen sie sich im Dunstkreis neoliberaler PS-Regierungen, die in Afrika vom Tschad bis Mali und vom Irak bis Afghanistan Kriege geführt und militärische Interventionen organisiert haben.
Daher, der an der Universität von Lausanne studiert hat, verkörpert eine jüngere Schicht in der NPA, die keinerlei persönliche Verbindung zum Marxismus, Trotzkismus oder zu irgendetwas hat, das man zurecht als sozialistisch oder antiimperialistisch beschreiben könnte. Ihre Beziehung zur NPA dient ihnen als Mechanismus, um sich in Medien und politische Netzwerke zu integrieren. Diese dienen dann den imperialistischen Mächte dazu, unter Studenten aus wohlhabenden Kreisen und in der gehobenen Mittelklasse eine etwas breitere Basis „im Volk“ für ihre Kriegspolitik schaffen wollen.
Daher schreibt für mehrere Webseiten, die Material von Oppositionskräften in Syrien veröffentlichen und von den USA unterstützt werden, zum Beispiel den syrischen Blog Freedom Forever. Daher unterschrieb den Maiaufruf der International Socialist Organization aus dem Jahr 2013, „Solidarität mit der syrischen Revolution“. Diese Erklärung war Bestandteil der Propagandakampagne für eine US-geführte militärische Intervention. Daher wurde mit einem Palästinenserschal fotografiert. Er soll ihn als eine „linke“ Person zeigen, obwohl er proimperialistische Propaganda verbreitet.
Politisch stehen Daher und Achcar neokonservativen Politikern wie Paul Wolfowitz, der die völkerrechtswidrige Invasion des Irak 2003 plante, deutlich näher als linker Politik, von sozialistischer Politik, die sich auf die Arbeiterklasse stützt, ganz zu schweigen.
Dahers Artikel schließt mit dem Aufruf an von den USA unterstützte Gruppen wie die Freie Syrische Armee (FSA) und andere Mitgliedsorganisationen der Nationalen Koalition der syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte (NCSROF), das Assad-Regime zu stürzen und die Macht in Syrien zu übernehmen. Assads Sturz „ist der einzige Weg für demokratische und progressive Kräfte, Syrien wiederaufzubauen und noch einmal eine führende Rolle im Kampf für ein neues Syrien zu spielen, ein Syrien für alle, ohne Diskriminierung, weit entfernt von der Diktatur des kriminellen Assad-Regimes und von den autoritären Praktiken der islamistischen Fundamentalisten.“
Doch wenn man Dahers Analyse der „demokratischen“ Opposition näher betrachtet, wird klar, dass die NPA in Wirklichkeit, ähnlich wie das Pentagon, die CIA und die Scheichtümer am Persischen Golf, daran arbeitet, ein reaktionäres islamistisches Marionettenregime in Syrien zu errichten. Daher zitiert die Kritik syrischer Kurdenmilizen, die vom Pentagon und der NPA unterstützt werden, an der NCSROF.
Diese Milizen haben einen Plan der NCSROF für ein Syrien nach Assad kritisiert: „Wer das Dokument liest, bemerkt sofort, dass Punkt eins der ‚Allgemeinen Grundsätze‘ nur die arabische Kultur und den Islam als Quellen ‚für geistiges Wirken und soziale Beziehungen‘ nennt. Diese Definition schließt definitiv andere kulturelle Gemeinschaften – ethnische, sprachliche und religiöse – aus und ernennt die Kultur der Mehrheit zur Leitkultur. Als syrische Kurden fühlen wir uns durch diese enge Definition des syrischen Volkes ausgegrenzt. Die Ähnlichkeit dieser Definition und der chauvinistischen Politik unter Assad ist unübersehbar.“
Daher antwortet mit einigen vernichtenden Eingeständnissen über die Kräfte, die er unterstützt. „Es stimmt, dass der NCSROF schon seit Langem jedes Recht eingebüßt hat, für den Kampf der syrischen Revolution und Revolutionäre für Demokratie, soziale Gerechtigkeit und Gleichheit zu sprechen, weil er mit Diktaturen und autoritären Regimen in der Region verbündet ist und mit sektiererischen und reaktionären Kräften gemeinsame Sache macht (Jaysh al-Islam) oder eine engere Zusammenarbeit mit ihnen anstrebt (Ahrar Sham und Fateh al Sham).“
Fatah el Sham ist der neue Name der Miliz der Al-Nusra-Front, dem Ableger von al-Kaida in Syrien. Sie ist mit den Kräften verbündet, die die NPA in Syrien an der Macht sehen will. Daher fügt hinzu, dass „Korruption und die Verfolgung einer neoliberalen Politik und geringes Interesse an Demokratie, außerdem ihre chauvinistische und rassistische Politik gegen die Kurden dem Ziel eines neuen Syriens für alle Syrer und ohne Diskriminierung objektiv im Weg stehen.“
Daher räumt ein, dass die militärische Eskalation, für die er wirbt, eine korrupte, neoliberale, antidemokratische, rassistische und diskriminierende Organisation an die Regierung bringen wird, die Al-Qaida nahesteht.
Ungerührt davon schreibt er am Ende seines Artikels: „Gleichzeitig müssen die demokratische Volksbewegung und die demokratischen Gruppen der FSA gestärkt werden, die die Ziele der Revolution hochhalten und die unterschiedlichen Teile des syrischen Volkes vereinen, um Sektierertum und Rassismus zu besiegen,.
Das sind leere Phrasen, wie alle Versuche der NPA, ihre Politik als „links“ oder demokratisch darzustellen. Sie dienen dem Ziel, die blutige Politik des amerikanischen und europäischen Imperialismus progressiv erscheinen zu lassen.