Italienische Soldaten kämpfen in Libyen

Ohne Zustimmung des Parlaments setzt die Regierung von Matteo Renzi (Demokratische Partei) italienische Soldaten in Libyen ein. Dazu stützt sie sich auf ein neues Gesetz, das ihr den „Kampf gegen den Terror“ auch ohne parlamentarische Genehmigung erlaubt.

Alle Parteien, von links bis rechts, stimmen diesem Vorgehen zu und tragen zu seiner Geheimhaltung bei. Es ist eine regelrechte Verschwörung, und nur selten gewähren die offiziellen Medien kurze Einblicke in die wirklichen Vorgänge.

Bekannt ist, dass die amerikanische Luftwaffe seit Anfang August von sizilianischen Stützpunkten aus die libysche Stadt Sirte bombardiert, um den Islamischen Staat (IS) zu vertreiben. Auch will Italien in Kürze seine Botschaft in Tripolis wieder eröffnen.

Laut Berichten, die am 10. und 11. August in mehreren Zeitungen auftauchten, sind an der Seite der Milizen von Misrata seit mehreren Wochen italienische Soldaten am Boden im Einsatz. Die Misrater Milizen haben den Auftrag der Einheitsregierung von Tripolis, Sirte vom IS zu befreien.

Aus Italien sind offenbar mehrere Dutzend Angehörige des Geheimdienstes aktiv, sowie Carabinieri zur Sicherung von Tripolis und rund fünfzig Einzelkämpfer, die dem Neunten Fallschirmjäger-Sturmregiment Col Moschin angehören. Sie stehen unmittelbar unter dem Befehl von Regierungschef Matteo Renzi.

Col Moschin ist ein Spezialverband, der nach einem im Ersten Weltkrieg verteidigten Hügel benannt ist. Der Verband nahm unter dem Spitznamen „Arditi“ (die Kühnen) rasch eine Sonderstellung ein und spielte später bei der Machtergreifung der Faschisten eine Rolle. In den 1980er Jahren wurden seine Einheiten im Libanon, und in den 1990er Jahren in Somalia, Ruanda, Jugoslawien, Albanien, Osttimor, dem Irak und Afghanistan eingesetzt. In Libyen sollen diese Elitesoldaten, die im Entschärfen von Minen geübt sind, die Aufgabe übernehmen, die Sprengfallen zu entschärfen, die der IS in Sirte hinterlassen hat.

Die Westmächte arbeiten bisher eng mit der Einheitsregierung (GNA) von Fajis as-Sarradsch zusammen, den sie als Marionette in Tripolis installiert haben, damit er offiziell imperialistische Hilfe anfordert. Am 21. August hat das Gegenparlament in Tobruk (House of Representatives, HoR) Sarradsch die Unterstützung versagt und ihn dadurch jeglicher Legitimation beraubt. Am 24. August erklärte Sarradsch, er sei bereit, diese Entscheidung des HoR zu akzeptieren, und betrachte sein eignes Kabinett als reine Übergangsregierung.

Dennoch stützen sich die USA, Italien und Deutschland bei ihrer Intervention weiterhin auf Sarradschs Einheitsregierung. Frankreich und Ägypten arbeiten auch mit Khalifa Haftars rivalisierender Libyscher Nationalarmee im Osten zusammen.

Laut einem Stratfor-Bericht haben Vertreter der EU-Mittelmeermission „Sophia“ am 23. August in Rom eine Übereinkunft mit der Sarradsch-Regierung über ein gemeinsames Trainingsprogramm unterzeichnet. Das Abkommen soll die Libysche Küstenwache in erster Linie befähigen, den Flüchtlingsstrom aus Afrika nach Italien einzudämmen. Bisher haben schon rund hunderttausend Flüchtlinge in diesem Jahr die Route über das Mittelmeer genommen. Fast fünftausend von ihnen sind dabei ertrunken.

Die gesetzliche Grundlage für den Militäreinsatz in Libyen wurde im vergangenen November, kurz nach den Terrorangriffen von Paris, geschaffen, als die italienische Regierung ihr Gesetz über die Teilnahme an internationalen Missionen modifizierte. Die neue Regelung erlaubt es Matteo Renzi, militärische Spezialkräfte ohne parlamentarische Zustimmung ins Ausland zu schicken, solange sie nicht unter Kontrolle der italienischen Truppe, sondern unter dem Kommando des Auslandsgeheimdienstes stehen.

Das Gesetz über die „Teilnahme Italiens an internationalen Missionen“ wurde erst am 14. Juli 2016 endgültig im Parlament verabschiedet. Es hatte die Zustimmung praktisch aller Parteien. Die Fünf-Sterne-Bewegung und Nichi Vendolas Partei SEL (Linke, Ökologie, Freiheit) ermöglichten es durch ihre Stimmenthaltung und schwiegen in der Öffentlichkeit über die Konsequenzen.

Einem Plan zufolge, den der Corriere della Sera schon am 25. April veröffentlichte, will die Regierung zunächst zwischen 600 und 900 Soldaten in Libyen einsetzen, um „bestimmte sensible Punkte zu schützen, darunter die Ölquellen, und um die lokalen Streitkräfte auszubilden“.

Die Erwähnung der Ölquellen ist entlarvend. In der Tat ist das Hauptziel des Kampfs die Kontrolle über die lukrativen Ölressourcen des nordafrikanischen Landes. Die westlichen Regierungen beeilen sich, in Libyen Fuß zu fassen, um die Öl- und Erdgasanlagen und die Ölterminals am Mittelmeer unter Kontrolle zu bringen. So hat die Col Moschin-Truppe in Libyen auch ausdrücklich die Aufgabe, die IS-Milizen, die aus Sirte ins Landesinnere vertrieben werden, von den weiter südlich gelegenen Ölfeldern fernzuhalten.

Die Zeitung Il tempo schrieb am 10. August unter der Überschrift „Renzis geheimer Krieg in Libyen“: „Die italienischen Spezialkräfte operieren unter direkter Kontrolle des Premiers. Indessen geht der Kampf um Sirte weiter … Italien hat seinen Kampf in Libyen begonnen, aber es soll ein Geheimnis sein.“ Weiter heißt es in der Zeitung: „Gemeinsam mit Deutschland, den USA, Frankreich, Großbritannien und Spanien nimmt sich Italien jetzt der Situation an, in der sich das Ölterminal von Zuwaytina befindet.“

Zuwaytina ist der für den Öltransport wichtige Hafen südlich von Bengasi. Seine heutiges Potential von 70.000 Barrel pro Tag könnte bei voller Kapazität erheblich gesteigert werden. Wie ein Stratfor-Bericht vom 19. August erläutert, gerät Zuwaytina mehr und mehr in den Fokus der rivalisierenden Regierungen, der GNA in Tripolis und der HoR im Osten mit ihrer Libyschen Nationalarmee unter Haftar. Stratfor schreibt, zwar bestehe die Möglichkeit, die Ölförderung über alle drei östlichen Ölterminals – Zuwaytina, Ras Lanuf und as-Sidra – wieder in Gang zu bringen. Doch hätten fünf Jahre Krieg und Bürgerkrieg in Ras Lanuf und as-Sidra ihre deutlichen Spuren hinterlassen. Stratfor folgert: „Zuwaytina ist die beste Option für sofortige Ölexporte im großen Stil.“

Um ihre Gier nach den wertvollen Ressourcen zu befriedigen, haben die westlichen Regierungen – wie schon in Syrien und im Irak – nicht das geringste Problem, auch mit Islamisten zusammenzuarbeiten: So bestehen auch die Milizen von Misrata, an deren Seite die italienischen Spezialkräfte jetzt kämpfen, aus Islamisten. Sie gehören einer den Moslembrüdern nahestehenden Organisation an.

Die Renzi-Regierung ist offensichtlich bemüht, das Thema so rasch als möglich aus den Schlagzeilen zu verbannen. Als am 11. August mehrere Berichte die Anwesenheit italienischer Soldaten in Libyen enthüllten, beschwichtigte Außenminister Paolo Gentiloni: „Wir haben in Libyen keine Militärmission. Hätten wir eine, dann wäre das Parlament auch darüber informiert.“ Auf die Frage nach einer Geheimdienstmission in Libyen, antwortete Gentiloni: „Es liegt in der Natur der Sache, dass ich Operationen vertraulicher Natur nicht kommentiere.“

Aus Renzis Regierungssitz Palazzo Chigi kam die lapidare Erklärung: „Die beteiligten italienischen Strukturen sind vom Parlament autorisiert. Eine militärische Präsenz in Libyen können wir weder bestätigen noch dementieren, da sie dem Geheimdienst und nicht dem Heer angehören.“

Eine Militärintervention im Ausland, noch dazu ohne parlamentarische Zustimmung, wäre in der italienischen Bevölkerung zutiefst unpopulär. Auch widerspricht sie der italienischen Verfassung, deren Artikel 11 den Krieg gegen ein anderes Volk verbietet. Besonders eine Intervention in Libyen stößt auf Empörung und Widerstand. Das faschistische Mussolini-Regime hatte eine brutale Kolonialherrschaft über die Kyrenaika und Tripolitanien, das heutige Libyen, errichtet.

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