Beim Abschuss eines russischen Hubschraubers durch von den USA unterstützte islamistische Milizen wurden am 1. August fünf russische Soldaten getötet. Hintergrund des Vorfalls sind die heftigen Kämpfe zwischen von den USA unterstützten Oppositionsmilizen und russischen Verbänden sowie syrischen Regierungstruppen um die Stadt Aleppo.
Der Vorfall ereignete sich im Nordwesten Syriens nahe der Stadt Sarakeb, die auf halber Strecke zwischen Aleppo und dem Luftwaffenstützpunkt Hmeimim liegt. In Hmeimin sind viele der russischen Flugzeuge stationiert, die in Syrien Einsätze fliegen. Es war der höchste Tagesverlust für Russland, seit Moskau im September 2015 das syrische Regime militärisch unterstützt.
Der russische Generalleutnant Sergej Rudskoj erklärte: „Heute ereignete sich ein Terroranschlag, bei dem ein russischer Militärhubschrauber vom Typ Mi-8 zerstört wurde. Er befand sich auf dem Rückweg von einem humanitären Einsatz in Aleppo, bei dem er Lebensmittel und Medizin für die Einwohner in die Stadt eingeflogen hatte. An Bord waren drei Besatzungsmitglieder und zwei Offiziere vom russischen Zentrum für die Versöhnung der Konfliktparteien in Syrien. Der Hubschrauber wurde über einem Gebiet abgeschossen, dass von der Terrorgruppe Al-Nusra-Front und mit ihr verbündeten Gruppen der sogenannten ,gemäßigten Opposition‘ kontrolliert wird.“
Die französische Tageszeitung Le Monde bestätigte: „Das Eintragungszeichen des Wracks entspricht dem eines Hubschraubers, der zwar bewaffnet war, aber für Aufklärungszwecke und die Evakuierung von Verwundeten benutzt wurde." Die oppositionsnahe syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte erklärte, der Helikopter hätte tatsächlich humanitäre Hilfsgüter in schiitische Dörfer nahe Aleppo geflogen, die von sunnitischen Oppositionstruppen umzingelt sind.
Die genauen Umstände des Abschusses sind noch ungeklärt. Aber es besteht durchaus die Gefahr, dass dieser Vorfall zu einer offenen diplomatischen oder sogar militärischen Konfrontation zwischen Russland und den USA führt. Laut mehreren Berichten haben die bedrängten islamistischen Truppen, die mit Al-Qaida verbündet sind, den russischen Hubschrauber mit einer Rakete abgeschossen, die sie von der US-Regierung erhalten hatten.
Der freie Journalist Alaa Ibrahim erklärte in einem Interview mit dem russischen Staatssender Russia Today: „Laut einigen Quellen aus dem Gebiet, wo der Hubschrauber abgeschossen wurde, wurden dabei möglicherweise MANPADS, schultergestützte Boden-Luft-Raketen, eingesetzt.“
Die Nachrichtenagentur Reuters schrieb: „Sollten von den USA gelieferte Waffen zum Einsatz gekommen sein, könnte das zu erheblichen Spannungen zwischen Russland und den USA führen.“ Weiter hieß es: „Die USA haben moderate Rebellen mit TOW-Raketen versorgt, die gegen Panzer und Hubschrauber eingesetzt werden können.“
Es ist durchaus möglich, dass Washington der islamistischen Opposition solche Waffen geliefert hat. Denn die Lage der islamistischen Kräfte, die seit fünf Jahren als Stellvertretertruppen der USA einen blutigen Krieg gegen den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad führen, verschlechtert sich von Tag zu Tag. Seit syrische Regierungstruppen am 7. Juli die Castello-Straße blockiert haben, die von Aleppo nach Norden in die Türkei führt, zieht sich die Schlinge um Ost-Aleppo immer enger zusammen.
Die Kämpfer gegen Assad, die bereits durch russische Luftangriffe Verluste erlitten hatten, wurden Anfang Juli von der Ankündigung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan überrascht, er wolle die Beziehungen zu Syrien verbessern. Jetzt befürchten sie, dass die Türkei ihre Nachschublieferungen ganz einstellen könnte. Der Opposition drohen im ganzen Norden Syriens vernichtende Niederlagen. Daher versucht sie, mit einer verzweifelten Offensive den Belagerungsring um ihre Verbände in Aleppo zu durchbrechen.
Die amerikanischen Stellvertretertruppen greifen Aleppo vom Südwesten aus an. Ihr Ziel ist es, die Oppositionstruppen zu retten, die im Osten Aleppos von syrischen Regierungstruppen eingekesselt sind. Die Stadt, die nach vier Jahren Kämpfen und Plünderungen durch islamistische Milizen ohnehin zerstört ist, wird jetzt Schauplatz der wohl brutalsten Kämpfe ihrer Geschichte.
Zwei Milizen führen den islamistischen Gegenangriff durch: die ehemals als Al-Nusra-Front bekannte Jabhat Fateh al-Sham (Front zur Eroberung Syriens), die bis letzte Woche der syrische Ableger von Al-Qaida war; und die Gruppe Ahrar al-Sham. Die Gebiete in Aleppo, die unter der Kontrolle von den USA unterstützter Kräfte stehen, spielen für die islamistische Opposition seit langem eine wichtige Rolle, weil sie ihnen als Brückenkopf in der ehemaligen wirtschaftlichen Hauptstadt Syriens dienten. Sie befinden sich außerdem in der Nähe der Nachschubbasen in der Türkei, von denen aus die Milizen durch die Nato-Mächte mit Nachschub versorgt wurden.
Laut russischen Quellen wurden 42 Zivilisten getötet und 98 verwundet, als Oppositionsmilizen Gebiete von Aleppo beschossen, die von syrischen Regierungstruppen kontrolliert werden.
Denselben Quellen zufolge erlitten die Oppositionstruppen eine schwere Niederlage, nachdem sie mit vier Selbstmordanschlägen von Al-Nusra-Kämpfern in gepanzerten und mit Sprengstoff beladenen Fahrzeugen eine Offensive eingeleitet hatten. Die syrischen Regierungstruppen gingen mit strategischer Luftunterstützung durch russische Bomber zum Gegenangriff über. General Rudskoj erklärte: „Bei den Kämpfen wurden mehr als 800 Aufständische getötet; außerdem wurden vierzehn Panzer, zehn Schützenpanzer und mehr als 60 Fahrzeuge mit aufmontierten Geschützen zerstört.“
In Aleppo bahnt sich eine humanitäre Katastrophe an. In den Teilen der Stadt, die von der Opposition kontrolliert werden, leben 200.000 bis 300.000 Menschen. Es mangelt an Nahrungsmitteln und anderen Gütern des täglichen Bedarfs. Russische Regierungsvertreter behaupten, sie hätten vierzehn Tonnen humanitäre Hilfsgüter beschafft, von denen 2,5 Tonnen mit Helikoptern oder anderen Transportmitteln ausgeliefert wurden. Sie appellieren an die Einwohner, die Stadt durch die „humanitären Korridore“ zu verlassen, die rund um das Stadtgebiet eingerichtet wurden.
Fast die gesamte Bevölkerung ist unter schrecklichen Bedingungen eingekesselt. Laut Quellen aus dem russischen Militär konnten am Wochenende nur 169 Menschen durch die „humanitären Korridore“ entkommen. Außerdem hätten Oppositionsmilizen vier Menschen hingerichtet, die durch die Korridore fliehen wollten.
Die USA, die europäischen Staaten und die UN werfen der russischen und der syrischen Regierung vor, ihre Truppen würden in Aleppo Kriegsverbrechen verüben. Laut UNICEF wurden vier Krankenhäuser und eine Blutbank durch Luftangriffe beschädigt. US-Außenminister John Kerry behauptete, die russische Strategie der „humanitären Korridore“ sei möglicherweise ein Trick.
Doch die Versuche von Washington und seinen Nato-Verbündeten, sich als Menschenrechtler zu inszenieren, die von der Gewalt der russischen und syrischen Truppen schockiert seien, triefen nur so vor Heuchelei. Sie waren diejenigen, die diesen Stellvertreterkrieg mit seinen bislang etwa 400.000 Todesopfern angezettelt haben. Allein in den letzten zwei Wochen wurden in Nordsyrien mehr als 200 Zivilisten bei Luftangriffen durch amerikanische Kampfflugzeuge getötet.
Washington und seine Verbündeten haben eng und offen mit „Rebellen“ wie der Al-Nusra-Front zusammengearbeitet, die mit der Terrorgruppe Al-Qaida verbündet sind – der Verantwortlichen für die Anschläge vom 11. September 2001. Die USA schützen sie weiterhin im Rahmen ihrer Versuche, Assad zu stürzen und Russland eines wichtigen Verbündeten zu berauben.
Obwohl die Beziehungen der Al-Nusra-Front zu Al Qaida die USA blamieren, signalisieren einflussreiche Teile der amerikanischen herrschenden Elite, dass sie die Opposition weiterhin unterstützen werden. Es besteht die reale Gefahr, dass die US-Regierung eine größere Intervention in Syrien und dem Nahen Osten beginnt, um ihre islamistischen Stellvertretertruppen vor einer Niederlage zu bewahren. Eine solche Intervention könnte eine offene militärische Konfrontation mit Russland auslösen.