Der Monat Juli begann für Tausende griechische Rentner mit dramatischen Renteneinschnitten. Die Regierung der pseudolinken Partei Syriza (Koalition der radikalen Linken) setzt derzeit eine Reform des Renten- und Sozialversicherungssystems durch, die im Mai verabschiedet wurde.
In einem ersten Schritt kürzt sie die Soziale Solidaritätszulage für Rentner (EKAS) rückwirkend ab dem 1. Juni. Das Ziel ist die stufenweise Abschaffung der EKAS-Zulage. Diese Reform trifft vor allem diejenigen, die ohnehin nur kleine Renten haben und auf den staatlichen Zuschuss angewiesen sind, um zu überleben.
Etwa 150.000 Rentner verlieren den Zuschlag. Das sind 40 Prozent der 380.000 Bezugsberechtigten. Laut der griechischen Tageszeitung To Vima übersteigen die Einschnitte damit um mehr als das Doppelte die 2015 vereinbarten Kürzungen. Damals war die Rede davon, dass 20 Prozent der Rentner den EKAS-Zuschuss verlieren würden.
Bisher bekamen Rentner mit einem jährlichen Bruttoeinkommen von bis zu 8.472 Euro eine Zulage, die je nach Rentenhöhe zwischen 57,50 Euro und 230 Euro lag. Renten bis zu 9.884 Euro bzw. Familieneinkommen bis 13.500 Euro wurden mit 30 Euro bezuschusst. Diese 30 Euro fallen jetzt komplett weg, während die übrigen Zuschläge nur noch für Renten bis zu 7.972 Euro brutto gelten (ca. 664 Euro brutto im Monat).
Tausende Rentner beziehen eine Minirente, die 664 Euro knapp übersteigt. Sie verlieren jetzt jeglichen Anspruch auf EKAS. Wer in Altersrente gegangen und EKAS-berechtigt ist, bekommt den Zuschlag erst ab dem 65. Lebensjahr. Auch Menschen mit Behinderung, die frühzeitig in Rente gehen mussten, verlieren den Zuschlag bzw. bekommen einen geringeren Zuschlag als früher, wenn sie Einschränkungen von über 80 Prozent haben.
Gleichzeitig treten ab August Kürzungen anderer Zusatzrenten um bis zu 40 Prozent in Kraft. Die Renten sind in Griechenland so niedrig, dass die meisten Menschen Zusatzrenten beziehen. In etlichen Sparrunden seit 2010 ist das monatliche Gesamteinkommen der Rentner von etwa 1.200 Euro auf 833 Euro gefallen.
Das Sparpaket sieht zudem eine Kürzung der gesetzlichen Mindestrente von bisher 486 Euro auf 345 Euro bei 15 versicherten Arbeitsjahren vor. Auch die monatlichen Steuerfreibeträge wurden gesenkt, so dass für viele Angestellte und Rentner zusätzliche Abgaben fällig werden.
Während die Syriza-Regierung die griechischen Rentner in noch größeres Elend stürzt, verscherbelt sie den Staatsbesitz an ausländische Investoren.
Letzte Woche hat das Parlament den Verkauf der staatlichen Hafengesellschaft in Piräus (OLP) endgültig abgesegnet. Zuvor hatten griechische Hafenarbeiter in Athen und Thessaloniki, deren Hafen ebenfalls privatisiert werden soll, gestreikt. Außer der stalinistischen KKE und der faschistischen Goldenen Morgenröte votierten sämtliche Parlamentsfraktionen für die Privatisierung des Piräus-Hafens.
Käufer ist die chinesische Reederei China Ocean Shipping Company (Cosco). Für 368,5 Millionen Euro erhält das Unternehmen eine Konzession von 67 Prozent an der Hafengesellschaft, die bis zum Jahr 2052 läuft.
Nach der Privatisierung ist eine weitere Verschlechterung der Arbeitsbedingungen zu erwarten. Cosco besitzt seit 2009 die Hälfte des Hafens von Piräus, den sie „zum Knotenpunkt des Containerverkehrs zwischen Fernost und Osteuropa sowie dem Balkan machen“ wolle, wie der Cosco-Präsident damals bei der Vertragsunterzeichnung erklärt hatte.
In den letzten Jahren hat sich die Gewerkschaft der Hafenarbeiter mehrfach über willkürliche Entlassungen, Kürzungen und Missachtung der Arbeitnehmerrechte beschwert.
Schon 2010 hatte die griechische Zeitung Eleftherotypia einen Artikel mit dem bezeichnenden Titel „Mittelalterliche Arbeitsverhältnisse am Hafen“ veröffentlicht, in dem sie dreizehn Bedingungen eines typischen Cosco-Arbeitsvertrag mit griechischen Hafenarbeitern offenlegte. In den ersten drei Bedingungen hieß es, dass alle Personen als ungelernte Arbeiter eingestellt würden, das Unternehmen Arbeiter jederzeit ohne Einwilligung versetzen könne und Tagelöhne von 40 Euro für einen Achtstundentag festgesetzt werden, die aber erst am Monatsende bezahlt würden. Im Krankheitsfall sei Cosco berechtigt, selbst einen Arzt zu bestimmen, der den Arbeiter untersucht. Die Bildung eines Betriebsrats wurde den Arbeitern untersagt.
Damals gehörte die Oppositionspartei Syriza noch zu den lautstarken Kritikern der Hafenprivatisierung. 2009 besuchte Tsipras zusammen mit Theodoris Dritsas (ebenfalls Syriza) streikende Hafenarbeiter in Piräus. In seiner Rede wetterte er gegen die Regierung und bezeichnete den Vertrag mit Cosco als „kolonialistisch“.
Vor zwei Jahren streikten Hafenarbeiter wieder gegen die unmenschlichen Arbeitsbedingungen bei Cosco. Sie klagten über niedrige Löhne, fehlende Pausen, Personalmangel und 16-Stundenschichten. Doch der Widerstand der Arbeiter wurde mit wenigen Versprechen und Zugeständnissen abgewürgt.
Zwar stellte sich auch Syriza 2014 in Worten auf die Seite der streikenden Arbeiter. Aber die World Socialist Web Site kommentierte damals: „Diese Rhetorik [von Syriza], die absichtlich eine Kritik an den Arbeitsbedingungen bei Cosco vermeidet, signalisiert chinesischen und anderen ausländischen Investoren, dass eine Regierung unter Syriza nichts weiter bedeuten würde als business as usual.“
Heute wird deutlich, dass Syriza die rechte Politik ihrer Vorgänger nicht nur weiterführt, sondern sogar beschleunigt und vorantreibt. Dritsas ist mittlerweile Minister für Schifffahrt und Inselpolitik und hat jetzt den Verkauf des Hafens durch das Parlament gebracht, nachdem sich die Regierung über einige rechtliche Streitpunkte mit Cosco geeinigt hatte.
Gleich am Tag nach dem Parlamentsbeschluss reiste Premierminister Tsipras für eine Woche nach China, um sich dort mit dem chinesischen Präsidenten, hochrangigen Regierungsvertretern und mehreren Konzernchefs zu treffen. Auf seinem Reiseplan stehen so bedeutende Unternehmen wie die Wanda Group (u.a. Gewerbeimmobilien und Kulturindustrie), die Telekommunikationsausrüster Huawei und ZTE, die IT-Firmengruppe Alibaba, das Konglomerat Fosun (Finanz- und Industriesektor) und – die Reederei Cosco.
Teil der griechischen Delegation sind neben mehreren Ministern und 40 Unternehmern auch der Präsident der Privatisierungsbehörde TAIPED und der Präsident von Enterprise Greece, der Investoren ins Land holen will.
Tspiras betonte bei seiner Reise die geopolitische Bedeutung, die Griechenland in der heutigen Weltlage zukomme. Das Land könne „zu einem außerordentlich wichtigen Transitknotenpunkt werden, zu einer Brücke, die die westliche Welt und Europa mit China, einer globalen Großmacht, verbindet.“
Die „hervorragende Kooperation“ mit Cosco nütze beiden Seiten, so Tsipras, und mache den Weg frei für eine stärkere strategische Zusammenarbeit. Man müsse jetzt auch über die „Modernisierung des Eisenbahnnetzes in Richtung Westeuropa, wie auch über eine Reihe anderer Projekte“ reden.
Dies sind keine leeren Worte. Cosco hat bereits Interesse an weiteren griechischen Privatisierungsprojekten im Transport- und Infrastrukturbereich gezeigt.
Tsipras kündigte außerdem an, dass Griechenland Mitglied der Asiatischen Infrastrukturinvestmentbank wird. China gründete diese multilaterale Entwicklungsbank 2014 als Konkurrenzprojekt zur Weltbank und dem Internationalen Währungsfond, die unter US-amerikanischer Kontrolle stehen.
Vor seinem China-Besuch hatte der Regierungschef den deutschen SPD-Parteivorsitzenden und Bundesminister für Wirtschaft und Energie Sigmar Gabriel in Athen empfangen. Gabriel brachte 40 Unternehmenschefs und einige Vertreter der Bundestagsfraktionen mit.
Wenige Tage nach dem Brexit-Votum zelebrierte Gabriel mit Tsipras „den Schulterschluss“, wie Spiegel Online kommentierte. „Wir progressiven Führer Europas müssen zusammenhalten“, erklärte Tsipras und wiederholte sein Mantra vom baldigen Ende der Sparpolitik. Gabriel lobte die „Reformen“ in Griechenland. Er sagte, Tsipras müsse daran arbeiten, die Strukturen in dem Land so zu verändern, dass deutsche Firmen dort investieren können.
Deutschlands Spardiktate haben Griechenland an den Rand einer sozialen Explosion getrieben. Jetzt wollen deutsche Unternehmen vom Ausverkauf des Staatsbesitzes und dem niedrigen Lohnniveau profitieren. In Tsipras und Syriza finden sie dabei ihre engsten Verbündeten. Die deutsche Fraport AG hat bereits die Rechte an 14 griechischen Regionalflughäfen gekauft.