Jerry White, der Präsidentschaftskandidat der Socialist Equality Party (USA),, hielt im Rahmen der internationalen Online-Maiversammlung des IKVI die folgende Rede.
Die Socialist Equality Party beteiligt sich an der Präsidentschaftswahl 2016, um eine sozialistische und internationalistische Alternative zu den beiden Parteien des Kriegs, der sozialen Ungleichheit und der Unterdrückung zu bieten. Niles Niemuth, der für das Amt des Vizepräsidenten kandidiert, und ich setzen uns dafür ein, das politische Bewusstseins der Arbeiterklasse anzuheben, jeder Form von nationalem Chauvinismus, Rassismus und Migrantenhetze entgegenzutreten und die Arbeiter in den Vereinigten Staaten und auf der ganzen Welt gegen den Imperialismus und die Gefahr eines Dritten Weltkrieg zu vereinen.
Der Präsidentschaftswahlkampf in den USA hat die enorme Krise des amerikanischen Kapitalismus und seines Zweiparteiensystems gezeigt. Die Wahl wird von einer Frage beherrscht, über die aber kaum gesprochen wird: Den Kriegsbestrebungen der herrschenden Klasse Amerikas. Dazu gehören weit fortgeschrittene Pläne für Militärinterventionen, einschließlich eines direkten Zusammenstoßes mit Russland und China und der Gefahr eines nuklearen Holocaust.
Nach einem der explosivsten Wahlkämpfe in der Geschichte der USA bleibt der amerikanischen Bevölkerung die „Wahl“ zwischen zwei Kriegstreibern. Bei allen taktischen Differenzen stehen die mutmaßlichen Kandidaten beider Parteien, Hillary Clinton und Donald Trump, für das rücksichtslose Streben des amerikanischen Imperialismus nach weltweiter Vorherrschaft.
An Clintons Händen klebt bereits Blut. Unter der Regierung ihres Mannes unterstützte sie die verheerenden Sanktionen gegen den Irak, auf deren Konto der Tod von mehr als einer halben Million Kindern geht, und die Bombardierung Jugoslawiens. Als Senatorin von New York unterstützte sie den kriminellen Einmarsch im Irak. Und als Obamas Außenministerin leitete sie die Vorbereitungen für den von Faschisten unterstützten Putsch in der Ukraine und die brutalen Regimewechsel in Libyen und Syrien.
Wie die New York Times kürzlich begeistert anmerkte, verfügt Clinton über engste Beziehungen zum Militär- und Geheimdienstapparat, insbesondere zu den Spitzen des Pentagon. „Trotz ihrem Gepolter, sie würden den Islamischen Staat in Schutt und Asche bombardieren, haben weder Donald J. Trump noch Senator Ted Cruz aus Texas auch nur im Entferntesten den gleichen Hunger nach einem Waffengang im Ausland gezeigt wie Clinton“, schrieb die Times und fügte hinzu, sie sei der „letzte wahre Falke im Rennen“.
Der Milliardär Trump lässt sich jedoch nicht so leicht überbieten. Er bringt die Gewalttätigkeit und Dekadenz der amerikanischen herrschenden Klasse ungeschminkt zum Ausdruck und verbindet die Forderung nach uneingeschränkten Militäreinsätzen, Folter und CIA-Morden mit amerikanischem Chauvinismus. Sein Ruf nach dem Bau einer Mauer an der mexikanischen Grenze und seine faschistische Agitation gegen Muslime und Hispanoamerikaner sollen die Opposition gegen Krieg und die Diktatur der Finanzelite einschüchtern und ersticken.
Ziel „unserer unangefochtenen militärischen Dominanz“ sei es, „Amerika wieder groß zu machen“, erklärte Trump letzte Woche. Im Kern bedeutet das den rücksichtslosen Einsatz der amerikanischen Militärmacht, um den Aufstieg wirtschaftlicher Rivalen zu verhindern und um nach Jahrzehnten des wirtschaftlichen Niedergangs, wachsender Handels- und Zahlungsbilanzdefizite und des Abstiegs in die schlimmsten Formen der Finanzkriminalität die amerikanische Vorherrschaft zu retten.
In den US-Wahlen zeigt sich die enorme, wachsende Opposition von Arbeitern und Jugendlichen in den Vereinigten Staaten, die die Kriegsverbrechen im Ausland ebenso satt haben wie den jahrzehntelangen Klassenkrieg an der „Heimatfront“, dem Arbeitsplätze, Lebensstandard und demokratische Rechte zum Opfer gefallen sind.
Acht Jahre nach dem Crash von 2008 steht das wirtschaftliche und soziale Elend von Millionen Amerikanern in scharfem Gegensatz zu Obamas Behauptung, es gebe eine „wirtschaftliche Erholung“. In weiten Landstrichen, die von dem globalen Zusammenbruch der Kohle-, Öl- und Stahlindustrie gezeichnet sind, sieht es aus wie zu Zeiten der Depression. Im Februar und März strichen die Fabriken 50.000 Jobs und machten damit den Zuwachs an Industriearbeitsplätzen des gesamten vergangenen Jahres zunichte. Der Rückgang der offiziellen Arbeitslosenquote geht hauptsächlich auf eine Rekordzahl von Arbeitern zurück, die die Suche nach einem Job aufgegeben haben oder gezwungen sind, einer Teilzeitbeschäftigung nachzugehen. Der gesamte Nettozuwachs an Arbeitsplätzen seit der sogenannten Erholung basiert auf selbstständiger, Zeit- und Teilzeitarbeit.
Die Obama-Regierung ist für die größte Umverteilungsaktion in der amerikanischen Geschichte verantwortlich. Die 20 Milliardäre an der Spitze der amerikanischen Gesellschaft besitzen genauso viel Reichtum wie die ärmsten 150 Millionen Amerikaner. Die Reichen schwelgen nicht nur in sagenhaftem Reichtum und Privilegien, sie leben auch länger. Der Abstand zwischen der durchschnittlichen Lebenserwartung der reichsten und der ärmsten Amerikaner liegt inzwischen bei Männern bei fast 15 Jahren und bei Frauen bei 10 Jahren.
Dies hat insbesondere im gesellschaftlichen Bewusstsein der jungen Generation, die nichts außer endlosem Krieg, wachsender Verschuldung und wirtschaftlicher Unsicherheit kennt, einen tiefen Eindruck hinterlassen. Eine neue Studie der Harvard-Universität unter jungen Erwachsenen zwischen 18 und 29 Jahren hat ergeben, dass nur 42 Prozent der Befragten den Kapitalismus unterstützen, während ihn 51 Prozent ablehnen. Ein Drittel dieser jungen Erwachsenen spricht sich für den Sozialismus aus und etwa die Hälfte halten Gesundheitsversorgung, Essen und ein Dach über dem Kopf für grundlegende Menschenrechte.
Der Senator aus Vermont, Bernie Sanders, der sich als Gegner der „Milliardärsklasse“ darstellt, war der anfängliche Nutznießer dieser politischen Radikalisierung. Das Ausmaß seiner Unterstützung hat das offizielle Narrativ der amerikanischen Politik gesprengt, laut dem niemand, der sich als „Sozialist“ bezeichnet, Gehör finden kann.
Sanders ist aber kein Sozialist. Trotz seiner Phrasen über eine „politische Revolution“ ist er einer Auseinandersetzung über die Militärpolitik gezielt ausgewichen. In den vergangenen Tagen hat er sogar seine Unterstützung für den Drohnenkrieg und Obamas berüchtigte „Todeslisten“ erklärt. Er lehnt die internationale Vereinigung der Arbeiterklasse ab und verbreitet stattdessen Wirtschaftsnationalismus und die Lüge, China und Mexiko seien am Arbeitsplatzabbau in den USA Schuld. Seine Unterstützung für den amerikanischen Imperialismus zeigt sich am deutlichsten in seiner Werbung für die Demokratische Partei und seinem Versprechen, die Kriegstreiberin Hillary Clinton zu unterstützen, wenn sie die Nominierung gewinnt.
Der einzige Grund, weshalb ein milliardenschwerer Demagoge wie Trump Gehör findet und sogar die Präsidentschaftswahlen gewinnen könnte, ist der Bankrott der offiziellen “Linken” in den USA. Diese Leute beschäftigen sich ausschließlich mit Lifestyle-Themen der oberen Mittelklasse. Die wirtschaftlichen und sozialen Probleme der arbeitenden Menschen sind ihnen völlig egal.
Die politische Radikalisierung, ein Ergebnis der ständigen Kriege und der explosiven sozialen Ungleichheit, wird weit über den lauen Liberalismus des Herrn Sanders und der Demokratischen Partei hinausgehen. Trotz den Bemühungen der Gewerkschaftsbürokratie, den Klassenkampf zu unterdrücken, macht er sich in Amerika zunehmend wieder bemerkbar – von der Rebellion der Autoarbeiter gegen den Verrat ihrer Gewerkschaft im letzten Herbst über die Proteste von Lehrern und Schülern gegen die Zerstörung der öffentlichen Bildung bis hin zum aktuellen Streik von 39.000 Beschäftigten gegen den Telekom-Giganten Verizon.
Unsere Wahlkampagne ist darauf ausgerichtet, diese politische Opposition auszuweiten und in eine bewusst antiimperialistische Richtung zu lenken. Dieselben transnationalen Konzerne, die in einer Daueroffensive gegen die Arbeitsplätze und den Lebensstandard amerikanischer Arbeiter vorgehen, sind wild entschlossen, einen Krieg um die Weltherrschaft zu führen. Doch die Arbeiter und Jugendlichen in den USA haben kein Interesse daran, zu kämpfen und zu sterben, weil globale Konzerne auf der ganzen Welt nach Profiten, Rohstoffen und billigen Arbeitskräften jagen.
Die Rückkehr des Klassenkampfs in den Vereinigten Staaten und der Kampf unserer Partei, Arbeiter mit einem sozialistischen und internationalistischen Programm zu bewaffnen, ist von enormer Bedeutung. Die amerikanische herrschende Klasse mag noch so entschlossen sein, die Welt zu beherrschen – sie wird bald feststellen, dass sie nicht einmal mehr Herr im eigenen Haus ist.
Bei all ihrer Arroganz und Überheblichkeit ist die amerikanische herrschende Klasse die verängstigste der Welt. Ihr eigenen Sprecher warnen, es sei nur eine Frage der Zeit, bevor „die Heugabeln zum Einsatz kommen“. In unseren Diskussionen an den Streikposten von Verizon verglichen Arbeiter die Klassenspaltung in Amerika mit der Lage in Frankreich vor der Enthauptung von Marie Antoinette. Sie sagten, wenn es so weitergehe wie bisher, bleibe den Arbeitern nichts anderes übrig, als eine Revolution zu machen.
Diese Stimmungen sind Teil einer internationalen politischen Radikalisierung. Die wichtigste Frage ist nun der Aufbau des Internationalen Komitees der Vierten Internationale zur revolutionären Führung der kommenden Kämpfe der internationalen Arbeiterklasse.
Im Geiste des 1. Mai wird die Socialist Equality Party diese Wahlkampagne nutzen, um die Arbeiterklasse politisch aufzuklären, Nationalchauvinismus und Vorurteile in allen ihren Formen zu bekämpfen und eine starke, internationale Bewegung aufzubauen, die sich gegen Krieg, soziale Ungleichheit und Ausbeutung richtet. Wir rufen alle Zuhörer auf, diese Kampagne zu unterstützen.