Die Linkspartei reagiert auf ihr katastrophales Ergebnis bei den Landtagswahlen vom 13. März und den Wahlerfolg der rechtsextremen AfD mit einer scharfen Rechtswende. War es bislang das erklärte Ziel der Linken, Regierungskoalitionen mit den Hartz-IV- und Kriegsparteien SPD und Grüne zu bilden, bereitet sie sich nun auch auf eine mögliche Zusammenarbeit mit der rechts-konservativen Union vor.
Vergangene Woche erklärte Gregor Gysi, das Aushängeschild der Partei und ihr langjähriger Fraktionsvorsitzender im Bundestag gegenüber der Verlagsgruppe Madsack: „Die CDU muss jetzt noch nicht den Weg gehen, aber sie und die Linken müssen sich Gedanken machen, dass sie ihn eines Tages gehen müssen.“ Die Erfolge rechtspopulistischer Parteien in Europa und in Deutschland erforderten, „dass alle springen. Von der Union bis zur Linken.“ Wenn man diesen Trend nicht gemeinsam verhindere, „dann begehen wir historisch einen schweren Fehler“, so Gysi.
Wohl selten zuvor wurde der Klassencharakter der Linkspartei als eine im Kern bürgerliche Partei deutlicher sichtbar. Die CDU ist die traditionell rechte Partei des deutschen Kapitalismus der Nachkriegszeit und steht historisch für Anti-Kommunismus, freie Marktwirtschaft, christlich-konservative Werte und das enge Bündnis Deutschlands mit der Nato und den USA. Unter ihren Kanzlern finden sich so reaktionäre Figuren wie der erste deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer, das frühere NSDAP-Mitglied Kurt-Georg Kiesinger und der Kanzler der sogenannten „geistig-moralischen Wende“ Helmut Kohl.
Die CDU von heute, mit der Gysi so gerne paktieren will, knüpft direkt an diese Tradition an und ist in den vergangenen Jahren noch weiter nach rechts gerückt. Die amtierende Kanzlerin Angela Merkel, ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble und die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (alle CDU) stehen synonym für die menschenverachtende Abschottungspolitik der „Festung Europa“, die verheerende Austeritätspolitik auf dem gesamten Kontinent und die Rückkehr Deutschlands zu einer aggressiven imperialistischen Außenpolitik.
Gysis Behauptung, man könne den Aufstieg der AfD durch Bündnisse mit rechten bürgerlichen Parteien und gar der CDU stoppen, ist absurd. Viele führende AfD-Leute kommen aus der CDU, und ein großer Teil ihrer Mitglieder stimmt mit dem Programm der Rechtspopulisten überein. Bezeichnenderweise führt die Linkspartei selbst ihre starken Verluste und das Anwachsen der AfD darauf zurück, dass sie die Politik der Bundesregierung unterstützt und die soziale Frage ignoriert habe.
So stellte etwa Sahra Wagenknecht, die Fraktionsvorsitzende der Linken, auf ihrer Facebookseite fest: „Überraschend kommen die Wahlerfolge der AfD aber nicht.“ Und etwas weiter unten fragte sie: „Wo haben wir den Kontakt zu den sozialen Interessen unserer eigenen Wähler verloren? Weshalb sind wir in den Augen so vieler offenbar zum Teil des etablierten Parteienkartells geworden und werden nicht mehr hinreichend als profilierte Gegenkraft wahrgenommen?“
Die Frage stellen heißt sie beantworten! Die Linkspartei gehört in der Tat zum „etablierten Parteienkartell“ und unterscheidet sich nicht von allen anderen bürgerlichen Parteien. Überall wo sie an der Regierung war oder ist, setzt sie soziale Kürzungen genauso rücksichtslos um wie die SPD, die Grünen, die FDP und die Unionsparteien. Sie trägt damit die Hauptverantwortung dafür, dass viele Wähler vor allem aus Protest gegen die etablierten Parteien für die AfD stimmten.
Am deutlichsten zeigt sich dieser Zusammenhang in Sachsen-Anhalt, wo die AfD fast 24 Prozent der Stimmen gewann. Die Linkspartei und ihre Vorgängerorganisationen SED/PDS hatten dort zunächst den Kapitalismus restauriert, um dann zwischen 1994 und 2002 eine rot-grüne Minderheitsregierung zu unterstützen, die den sozialen Kahlschlag fortsetzte und das ehemalige industrielle Zentrum der DDR in eine industrielle Wüste mit den höchsten Arbeitslosenzahlen in Deutschland verwandelte. Seitdem war sie unter ihrem Landesvorsitzenden Wulf Gallert bemüht, jeden unabhängigen sozialen Protest zu unterdrücken, und warb für eine rot-rot-grüne Regierungskoalition mit der SPD und den Grünen.
Auch in außenpolitischen Fragen ist die Linkspartei „Teil des etablierten Parteienkartells“ und spielt eine entscheidende Rolle dabei, die Rückkehr des deutschen Militarismus auf die Weltbühne zu organisieren und mit „humanitären“ Argumenten zu beschönigen.
Am vergangenen Wochenende veranstaltete sie eine sogenannte „Friedenspolitische Konferenz“ in Berlin, auf der führende Vertreter der Linkspartei außenpolitische Strategien für den deutschen Imperialismus diskutierten. Krieg als Mittel der Politik wurde dabei keineswegs abgelehnt. Auf dem Abschlusspodium am Samstagabend erklärte etwa Jakob Augstein, der millionenschwere deutsche Verleger und enge Verbündete der Linkspartei: „Krieg sollte man nur führen, wenn man gewinnen kann und gewinnen will, und das ist fast nie der Fall, deshalb sollte man auch fast nie Krieg führen.“
Anders ausgedrückt: solange die deutsche Armee nicht stark genug ist, Kriege auch zu gewinnen, sollte man sich mit militärischen Abenteuern zurückhalten!
Tatsächlich gibt es keinen Grund, warum die Linkspartei nach der SPD und den Grünen nicht auch mit der CDU zusammenarbeiten sollte. Auf ihre führenden Vertreter üben die Politik und die Traditionen der Konservativen schon lange eine fast magische Anziehungskraft aus. So bezeichnete Gysi in seiner Abschiedsrede als Fraktionsvorsitzender im vergangenen Herbst ausgerechnet Bismarck als „herausragenden Mann“. Wagenknechts Vorbild ist Ludwig Erhard, der frühere CDU-Wirtschaftsminister und Bundeskanzler. Ihr aktuelles Buch „Reichtum ohne Gier“ ist ein Loblied auf die freie Marktwirtschaft und die ordoliberalen Theoretiker des Kapitalismus der Nachkriegszeit.
Was steckt hinter der scharfen Rechtswende der Linkspartei?
Unter Bedingungen der tiefsten Krise des Kapitalismus seit den 1930er Jahren und wachsendem Widerstand unter Arbeitern versucht die Linkspartei mit allen Mitteln, die Entstehung einer linken Bewegung gegen den Kapitalismus zu unterdrücken. Dabei schreckt sie auch nicht vor AfD-Parolen zurück. Kurz vor den Landtagswahlen warnte Wagenknecht im Berliner Kurier davor, dass „Kinder in einem Umfeld aufwachsen, wo kein Deutsch mehr gesprochen wird“. Eine direkte Aufnahme der Flüchtlinge von Idomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze lehnte sie mit den Worten ab: „Es können nicht alle Flüchtlinge nach Deutschland kommen.“