An der Universität Leipzig formiert sich Widerstand gegen den rechtslastigen Professor Thomas Rauscher. Sowohl der Studierendenrat (StuRa) als auch die wissenschaftlichen Mitarbeiter der Juristenfakultät haben Stellungnahmen veröffentlicht und rassistische Äußerungen des Professors scharf kritisiert. Die Universitätsleitung distanzierte sich von Rauscher.
Der Inhaber des Lehrstuhls für Internationales Privatrecht hatte auf dem Kurzmitteilungsdienst Twitter seit November letzten Jahres mehrmals wöchentlich in offen rassistischen Tiraden gegen Flüchtlinge und Migranten gehetzt.
Am 11. Januar schrieb er: „Es fügt sich nicht, was nicht zusammengehört. Europa den Europäern. Afrika den Afrikanern. Arabien den Arabern.“ Zwölf Tage zuvor hatte er zum Kulturkampf gegen dunkelhäutige Menschen aufgerufen: „Es ist natürlich, sich zu wehren, wenn die eigene Kultur untergeht. Die ‚Angst des weißen Mannes‘ sollte wehrhaft werden!“
In Bezug auf die Ereignisse der Silvesternacht in Köln, die nach wie vor völlig ungeklärt sind, twitterte er von „Banlieue-Horden aus dem Maghreb“ und verband damit sozialen Chauvinismus in Bezug auf die verarmten Pariser Vorstädte mit widerlichem Rassismus. Am Neujahrstag hatte er bereits sämtliche Muslime des Terrorismus bezichtigt und vor der Zerstörung Deutschlands gewarnt: „Es gibt keinen friedlichen Islam. Dschihad ist der Auftrag dieser Leute. Deutschland wird sich mit dem wohlmeinenden Irrtum selbst zerstören“, schrieb er.
Sein dumpfer Hass gegenüber Flüchtlingen kennt keine Grenzen. Angesichts Tausender ertrunkener Flüchtlinge im Mittelmeer schrieb er von einem „Schlauchboot-Spuk“, dem man mit „50 Patrouillenschiffen“ Einhalt gebieten solle.
Seine Kritiker vergleicht er gern mit den Nazis und mit der Inquisition, die eine „Meinungskontrolle“ ausübten. Als „nicht homosexueller weißer Mann über 50“ sieht er sich selbst „in einer ähnlichen Rolle, wie früher Farbige in den USA sie hatten“.
Wiederholt solidarisierte sich Rauscher mit rechtsextremen Figuren wie dem AfD-Rechtsaußen Björn Höcke oder der Pegida-Gruppe in Dresden. „JE SUIS PEGIDA!“, ich bin/folge Pegida, twitterte er im Januar 2015 kurz nach den Anschlägen auf die Zeitung Charlie Hebdo in Paris. Immer wieder fordert Rauscher den Rücktritt der Bundeskanzlerin, der er vorwirft, Deutschland zu zerstören.
Auf einige dieser Texte wies der Fachschaftsrat der Juristenfakultät an der Universität Leipzig in einem Facebook-Post vom 1. Februar hin. Seither formiert sich unter Studierenden und Mitarbeitern der Universität Widerstand gegen den rassistischen Professor.
Johannes Tunger vom StuRa in Leipzig sagt gegenüber der WSWS: „Nachdem wir Kenntnis von den Twitter-Nachrichten Rauschers erhielten, haben wir uns sofort zusammengesetzt und entschieden, eine Stellungnahme zu veröffentlichen. Wir haben uns klar positioniert, dass diese Aussagen nicht richtig sind, weil sie gegen das offene Weltbild sprechen, für das wir stehen.“
In der Stellungnahme erklären die Studierendenvertreter, dass Rauschers Positionen ihrem Leitbild widersprächen. Der StuRa trete „für eine weltoffene Hochschule in einer anzustrebenden pluralistisch solidarischen Gesellschaft“ ein, heißt es.
Der Referent für Antirassismus des StuRa, Marcus Adler, zieht eine Verbindung von Rauschers Hetze zur wachsenden fremdenfeindlichen Gewalt: „Wer auf sozialen Netzwerken im Internet zu Zeiten von vermehrt stattfindenden rassistischen Angriffen auf Geflüchtete, Migrant_innen und Asylunterkünfte in völkischer Manier die Wehrhaftigkeit des ‚weißen Mannes‘ fordert, steht mit den Menschen, die diese Taten vollziehen zumindest ideologisch auf einer Stufe. Dass Prof. Dr. Thomas Rauscher das Amt des ‚Auslandsbeauftragten‘ innerhalb der Juristenfakultät unterhält, ist schlicht zynisch.“
Auch Tunger sieht einen direkten Zusammenhang zwischen dem Erstarken rechtsextremer Parteien und Organisationen wie Pegida und der AfD und dem offen rechten Auftreten des Professors. „Das ist kein Einzelfall mehr.“ Er identifiziere zwar auch in anderen Parteien nationalistische Tendenzen, hält die AfD aber für den schärfsten Ausdruck dieser Entwicklung.
Die wissenschaftlichen Mitarbeiter der Juristenfakultät haben sich den Studierenden angeschlossen und ebenfalls eine Stellungnahme zu den rassistischen Äußerungen des Professors veröffentlicht. Darin heißt es: „Die gesellschaftliche Verantwortung von Hochschulen verpflichtet uns bei aktuellen gesellschaftspolitischen Debatten wie der Flüchtlingsthematik respektvoll und sachlich zu diskutieren und Pauschalisierungen zu unterlassen. Entschieden stellen wir uns deshalb gegen jegliche Form von Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz.“
Die anderen Professoren des Fachbereichs äußerten sich bisher nicht. Die Universitätsleitung bedauerte die Äußerungen Rauschers und erklärte, sie stelle sich „entschieden gegen intolerantes und fremdenfeindliches Gedankengut“. Zugleich erklärte sie, dass sie nicht weiter gegen den rassistischen Professor vorgehen werde: „Solange sie sich als Privatperson äußern, werden wir aber damit leben müssen.“
Rauschers menschenverachtende und fremdenfeindliche Tiraden sind nicht neu. Schon als er 2013 als FDP-Mitglied für den Bundestag kandidierte, hatte er erklärt: „Wenn man Illegale nicht mehr ausweisen kann ohne dass Gutmenschen sich inszenieren, ist das die Besetzung der EU durch Roma und ‚Flüchtlinge‘.“ Nach eigenem Bekunden steht Rauscher gesellschaftspolitisch der CSU nahe, während er immer noch die Wirtschaftspolitik der FDP unterstützt.
Dass er jetzt derart vehement auftritt, ist Ausdruck einer grundlegenden Tendenz. In der deutschen Intelligenz entwickelt sich eine neu-rechte Strömung, die immer radikaler auftritt und an die reaktionärsten Denktraditionen in Deutschland anknüpft.
Der Philosoph Peter Sloterdijk wirft der Regierung vor, das Land „in einem Akt des Souveränitätsverzichts der Überrollung“ preiszugeben. Sein geistiger Zögling Marc Jongen, der an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung (HfG) Karlsruhe doziert, ist stellvertretender Landesvorsitzender der AfD in Baden-Württemberg und arbeitet – gestützt auf Friedrich Nietzsche, Martin Heidegger und Carl Schmitt – an einer philosophischen Grundlegung für die rechtsextreme Partei.
Der Goethe- und Heidegger-Biograf Rüdiger Safranski wirft der Regierung aufgrund der Flüchtlingspolitik eine „infantile Weltfremdheit“ vor und fordert die Abriegelung der deutschen Grenzen. Er verneint, dass die Menschenwürde unantastbar sei, und spricht sich für einen starken Staat aus, der sich gegen die Dominanz muslimischer Einwanderer durchsetzen müsse.
Professoren der Humboldt-Universität in Berlin spielen eine Vorreiterrolle in der neu-rechten Unternehmung. Der Inhaber des Lehrstuhls für osteuropäische Geschichte, Jörg Baberowski, relativiert in seinen historischen Arbeiten die Nazi-Verbrechen und hetzt in Interviews und Zeitungsartikeln regelmäßig gegen Flüchtlinge, die den kulturellen „Überlieferungszusammenhang“ in Deutschland unterbrächen. In seinem neusten Buch „Räume der Gewalt“ plädiert er für Polizeistaatsmaßnahmen und Krieg.
Der Politologe Herfried Münkler fordert, dass Deutschland „Zuchtmeister“ und „Hegemon“ in Europa sein müsse. Immer wieder spricht er sich für neue Kriege und militärische Interventionen auf dem ganzen Erdball aus. Auch er hat sich schon abfällig über Flüchtlinge geäußert.
Der Grund für diesen Rechtsruck von Teilen der Intelligenz bzw. der Formierung der rechten Seilschaften liegt in der extremen Zuspitzung der sozialen und politischen Lage. Die Wiederkehr des deutschen Militarismus und die wachsende soziale Ungleichheit in Europa stoßen unter breiten Schichten der Bevölkerung auf Ablehnung.
Die Durchsetzung einer solchen Politik erfordert nicht nur autoritäre Maßnahmen, sondern auch Ideologien, die diese vorbereiten und rechtfertigen. Wie vor dem Ersten und Zweiten Weltkrieg blühen daher die anti-aufklärerischen und irrationalistischen Weltanschauungen mit all ihren reaktionären Konsequenzen.
Es ist deshalb bedeutsam, dass sich Studierende in wachsendem Maße gegen die rechten Umtriebe an den Universitäten zu Wehr setzen. Jongen ist an der HfG ebenso mit Widerstand konfrontiert wie sein islamophober Parteikollege Hans-Thomas Tillschneider an der Uni Bayreuth. An der TU Dresden verteilen Studierende Flugblätter gegen den „Pegida-Versteher“ Professor Werner Patzelt.
Oft sind protestierende Studierende anders als in Leipzig mit Repressionen von Seiten der Institute und der Universitätsleitung ausgesetzt. Als Studierende der Universität Rostock Dozenten des Geschichtsinstituts, wie den mittlerweile emeritierten Professor Egon Flaig, wegen rechtsextremistischen und islamfeindlichen Positionen kritisierten, erstattete die Universitätsleitung Strafanzeige. Der Pressesprecher der Universität, Ulrich Vetter, kündigte dieses Vorgehen in einem Exklusivinterview mit der rechtsradikalen Zeitung Junge Freiheit an.
Als Studierende des Blogs „Münkler Watch“ sowie die International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) im vergangenen Jahr an der Humboldt-Universität die Professoren Münkler und Baberowski kritisierten, schaltete sich gar die überregionale Presse ein. Die FAZ, der Spiegel, die Süddeutsche Zeitung und andere diffamierten die kritischen Studierenden und verteidigten die rechtslastigen Professoren.
Auch Professor Rauscher gehörte damals zu jenen, die die Studierenden angriffen. Weil sich die Studierenden des Münkler-Watch-Blogs anonym geäußert hatten, erklärte er ihr Recht auf Meinungsfreiheit kurzerhand für nichtig. „Die Schreiber in diesem Blog verdienen für ihre Feigheit die gesammelte Verachtung der akademischen Welt. Doch was soll man in einer Welt von Werten wie Freiheit und Offenheit erwarten, in der heimliche Denunzianten als ‚whistleblower‘ gefeiert werden“, schrieb Rauscher auf dem Onlineportal der FAZ.
Umso bedeutsamer ist, dass nun Mitarbeiter und Studierende der Universität Leipzig gegen Rauscher vorgehen und seine rechtsradikalen Tiraden nicht länger dulden wollen.