Polnische Regierung verstärkt militärische Aufrüstung

Im Vorfeld des Nato-Gipfeltreffens, das im Juli in Warschau stattfindet, strebt die neue rechte polnische Regierung der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) die Errichtung dauerhafter Nato-Stützpunkte in Polen an. Präsident Andrzej Duda und Verteidigungsminister Antoni Macierewicz erklären, das wichtigste politische Ziel der derzeitigen Regierung sei die „Stärkung der Nato-Ostflanke“. Gleichzeitig ist die Regierung dabei, das Militär und paramilitärische Einheiten aufzurüsten.

Präsident Duda, der letzten Mai gewählt wurde, bezeichnete letzten Sommer in einem Interview mit der Financial Times die dauerhafte Stationierung von Nato-Truppen in Polen als eines seiner wichtigsten Ziele.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg deutete letzte Woche nach einem Treffen mit Duda in Brüssel seine Unterstützung für diese Pläne an. Er sagte: „Ich bin zuversichtlich, dass wir nach dem Gipfeltreffen in Warschau mehr Nato-Truppen in Polen haben werden als je zuvor.“ Die Errichtung von dauerhaften Militärbasen in Polen wäre eine aggressive Provokation gegen Russland. Letzten Sommer hatte die Vorgängerregierung bereits ihr Interesse an der Stationierung amerikanischer Atomwaffen bekundet.

Ein solcher Schritt gegen Russland könnte einen militärischen Konflikt auslösen, an dem die ganze Welt beteiligt wäre. Der russische Präsident Wladimir Putin unterzeichnete am 31. Dezember letzten Jahres ein Dokument mit dem Titel „Strategie der nationalen Sicherheit der Russischen Föderation“, in dem die russische Regierung und das Militär die Nato und die USA als Bedrohung für ihre nationale Sicherheit bezeichneten.

Das Vorgehen wird vermutlich außerdem die ohnehin schon angespannten Beziehungen mit Deutschland verschärfen, das die dauerhafte Stationierung von Nato-Truppen in Polen lange Zeit abgelehnt hat.

Abgesehen von Stoltenbergs Ankündigung, die Nato plane die Stationierung von Truppen in Polen, versprach auch der britische Verteidigungsminister Michael Fallon, im Jahr 2020 1.000 britische Soldaten für eine polnische Very High Readiness Joint Task Force (Superschnelle Eingreiftruppe) bereitzustellen. Nach einem Treffen mit Fallon am 20. Januar in Edinburgh erklärte der polnische Verteidigungsminister Macierewicz, dass in seinem Land dauerhaft britische Soldaten stationiert würden. Zudem würden das Kriegsschiff Iron Duke und der Helikopterträger HMS Ocean in diesem Jahr als Teil des ständigen Marine-Einsatzverbandes in Polen stationiert werden.

Im Hintergrund dieser Ankündigungen wird über Großbritanniens möglichen Austritt aus der EU diskutiert. Polen lehnt die Absicht Großbritanniens ab, die Rechte von Einwanderern zu beschränken. David Camerons Regierung will, dass EU-Einwanderer erst nach vier Jahren Arbeit in Großbritannien einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe und Kindergeld haben. Die 700.000 Polen, die in Großbritannien leben und arbeiten, sind die größte Einwanderergruppe des Landes.

Der polnische Außenminister Witold Waszczykowski erklärte in einem Interview mit der Bild-Zeitung, sein Land sei bei diesem Thema zu einem Kompromiss bereit, wenn Großbritannien dafür seine Militärpräsenz in Polen verstärke.

Gleichzeitig verstärkt die Regierung den Aufbau des Militärs. Unter der Vorgängerregierung hatte Polen erklärt, im Rahmen eines Modernisierungsprogramms im Wert von 140 Milliarden Zloty (33 Milliarden Euro) jährlich zwei Prozent seines Bruttoinlandsproduktes für das Militär auszugeben. Damit gibt es mehr für seine Aufrüstung aus als die meisten anderen Nato-Mitglieder.

Die neue Ministerpräsidentin Beata Szydlo hat erklärt, ihre Regierung sei bereit, diesen Betrag auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen. Verteidigungsminister Macierewicz ordnete außerdem eine gründliche Überprüfung der polnischen Armee an und behauptete, die PO/PSL-Regierung habe nicht genug getan, um Polens militärische Sicherheit zu gewährleisten.

Das Ministerium für Landesverteidigung (MON) und der Generalstab des polnischen Militärs arbeiten an einem neuen Modell zur Landesverteidigung. Laut Macierewicz sind drei Viertel des polnischen Staatsgebietes durch die Iskander Kurzstreckenraketen des russischen Militärs angreifbar. Letzten April hatte die Regierungskoalition aus Bürgerplattform (PO) und Polnischer Volkspartei (PSL) geplant, das amerikanische Patriot-Raketenabwehrsystem und 50 französische Caracal-Hubschrauber zu kaufen. Die Gesamtkosten hätten sich auf schätzungsweise acht Milliarden Euro belaufen.

Die PiS distanzierte sich jedoch von dieser Entscheidung und erklärte, sie ziehe es vor, eine eigene Rüstungsindustrie aufzubauen. Wenn Polen seine eigenen Rüstungsgüter herstellen könne, wäre es unabhängig von ausländischen, vor allem von russischen Lieferanten.

Ein wichtiger Bestandteil der Aufrüstung unter der PiS ist die Bewaffnung und Förderung von paramilitärischen Milizen. Das MON plant, sie mit schweren Waffen auszurüsten und in eine nationale Verteidigungsarmee unter dem Namen Freiwillige Heimatarmee nach dem Vorbild der amerikanischen Nationalgarde umzuwandeln.

Die Vorgängerregierung aus PO und PSL unterstützte den rechten Putsch in der Ukraine im Februar 2014, sowie die Bewaffnung von rechtsextremen ukrainischen Milizen. Gleichzeitig sprach sie sich dafür aus, solche rechtsextremen Milizeinheiten in das polnische Berufsheer einzugliedern und schürte systematisch die Angst vor einer angeblich drohenden russischen Invasion.

Seit Frühjahr 2014 konnten diese paramilitärischen Gruppen, die enge Beziehungen zu den rechtsextremen Parteien unterhalten, laut einem Bericht des Magazins Vice die Zahl ihrer Mitglieder auf fast 80.000 verdoppeln. Im Vergleich dazu bestehen die regulären polnischen Streitkräfte aus 120.000 Soldaten. Die Bundeswehr hat 177.000 Soldaten, allerdings hat Deutschland eine doppelt so große Bevölkerung wie Polen.

Es existieren etwa 120 eigenständige paramilitärische Einheiten. Sie werden mit Gewehren, Panzer- und Flugabwehrwaffen ausgerüstet. Es wird sogar erwogen, sie mit Panzern und gepanzerten Fahrzeugen zu bewaffnen. Die ersten drei neuen nationalen Verteidigungsbrigaden (OT) sollen im Nordosten des Landes nahe der Grenze zur russischen Exklave Kaliningrad aufgestellt werden. Die Zielvorgabe ist es, etwa 380 OT-Einheiten im ganzen Land zu schaffen, eine für jede größere Stadt, und ein Soldat auf 1.000 Bürger.

Genau wie die faschistischen Milizen in der Ukraine werden diese rechten paramilitärischen Organisationen vom Staat nicht nur als Vorbereitung auf einen potenziellen Krieg gegen Russland bewaffnet und gefördert, sondern auch für den Einsatz gegen die Arbeiterklasse.

Die Rekrutierung für diese sogenannte Freiwillige Heimatarmee soll bereits im Frühjahr 2017 beginnen. Der Name dieser Armee spielt bewusst auf die Heimatarmee im Zweiten Weltkrieg an, die der bürgerlichen polnischen Exilregierung untergeordnet war. Der Kampf der Heimatarmee gegen die deutsche Besatzung basierte auf einer durch und durch nationalistischen und antikommunistischen Perspektive. Viele ihrer Einheiten waren berüchtigt für ihren Antisemitismus und die Ermordung von Juden, die versuchten, vor der Verfolgung durch die Nazis zu fliehen.

Die Regierung versucht, durch eine aggressive nationalistische Hetzkampagne in allen Medien und unter dem Einsatz von Propagandaliteratur die Kämpfer der Heimatarmee zu nationalen Helden („exkommunizierte Soldaten“) aufzubauen und damit den Rückhalt dieser rechten Gruppierungen zu stärken.

Kandidaten werden durch eine kostenlose, von der Regierung organisierte militärische Ausbildung angeworben. Den Teilnehmern werden Karrieren als Berufssoldaten versprochen. Die Rekrutierung von Jugendlichen konzentriert sich auf die ländlichen Gebiete in Ostpolen, wo Armut und Arbeitslosigkeit besonders hoch sind. In den letzten Monaten richtete sich die Werbekampagne für die Ausbildung auch an Frauen und Kinder. Sie wird als einmalige Chance, als Spaß, als patriotische Pflicht und als Notwendigkeit im Kriegsfall dargestellt.

Eine dieser paramilitärischen Gruppen ist die FIA (Fideles et Instructi Armis, Treu und Bereit an den Waffen). Vorsitzender der Organisation ist Boguslaw Pacek, ein Generalbevollmächtigter des MON und pensionierter General, der für die Verbesserung der militärischen Ausbildung in der Ukraine verantwortlich war. Die mehr als 200-köpfige Gruppe arbeitet seit 2012 offiziell mit der 1. Warschauer Panzerbrigade von Tadeusz Kościuszko zusammen. Jeder polnische Staatsbürger ab sechzehn Jahren kann ihr beitreten. Wie die Mitglieder der Heimatarmee im Zweiten Weltkrieg benutzen sie statt ihrer wirklichen Namen Pseudonyme.

Die FIA ist außerdem Gründungsmitglied des Verbandes der Verteidigungskräfte. Im September 2015 versammelten sich hunderte Mitglieder des Verbandes der Verteidigungskräfte, um des sowjetischen Überfalls auf Polen 1939 zu gedenken und ihre Bereitschaft zu erklären, das Land im Kriegsfalle zu verteidigen.

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