Nach den Anschlägen von Paris: F.A.Z. und Welt trommeln für Krieg und Staatsaufrüstung

Wer am Wochenende die Leitkommentare in den beiden großen deutschsprachigen Sonntagzeitungen las, konnte sich nur schwer des Eindrucks erwehren, dass die schrecklichen Terroranschläge in Paris für einige Vertreter der deutschen Eliten wie bestellt kamen.

Unter den Überschriften „Im Weltkrieg“, „Das ist kein Terrorismus mehr, das ist Krieg“ und „Wir dürfen uns nicht unterwerfen, wir müssen kämpfen“ trommelten Berthold Kohler in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung sowie Stefan Aust und Mathias Döpfner in der Welt am Sonntag so aggressiv für Krieg und Diktatur, wie man es bislang nur von äußerst rechten Kreisen kannte.

Kohler, Aust und Döpfner sind nicht irgendwer. Kohler ist seit 1999 einer von vier Herausgebern der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und regelmäßiger Teilnehmer der Münchner Sicherheitskonferenz. Döpfner ist Vorstandsvorsitzender der Axel Springer SE, eines der größten deutschen Medienunternehmen, Mitglied im Global Board of Advisors des US-amerikanischen Think Tanks Council on Foreign Relations und Teilnehmer der berüchtigten Bilderberg-Konferenzen. Aust begann seine journalistische Karriere 1966 bei der linken Zeitschrift Konkret, war von 1994 bis 2008 Chefredakteur des Spiegel und ist seit 2014 Herausgeber des rechten Springer-Blatts Die Welt.

Alle drei ziehen in ihren Artikeln eine direkte Parallele zu 9/11. Die Terroranschläge vom 11. September 2001, deren genaue Hintergründe nie wirklich aufgeklärt wurden, dienten der US-Regierung als Vorwand für den Aufbau eines gewaltigen Sicherheitsapparats und für pausenlose Kriege im Nahen und Mittleren Osten. Im Namen des „Kriegs gegen den Terror“ überfiel und zerstörte sie Afghanistan (2001), den Irak (2003) und Libyen (2011) und heizte den Bürgerkrieg in Syrien an. Sie entführt, foltert und ermordet weltweit tatsächliche oder vermeintliche Gegner der amerikanischen Kriegspolitik und bespitzelt die gesamte Menschheit.

Nun versuchen auch in Deutschland rechte Kreise den Schock über die fürchterlichen Anschläge in Paris zu nutzen, um ähnliche, seit langem verfolgte Ziele zu verwirklichen. Es geht ihnen vor allem um zwei Dinge: Zum einen wollen sie die seit zwei Jahren von Bundespräsident Gauck und der Regierung propagierte Großmachtpolitik vorantreiben, zum anderen den Staatsapparat stärken und in Vorbereitung auf bevorstehende Klassenauseinandersetzungen ein autoritäres Regime errichten,

Um die öffentliche Meinung Kriegs- und Diktatur-reif zu schießen, bezeichnen alle Autoren die Pariser Terroranschläge als Kriegsakt, der laut Kohler sogar „noch die Schockwellen von damals [gemeint ist der 11. September] übertrifft“. Das Kalkül ist leicht durchschaubar. Der angeblich vom „Ungeheur“ IS angezettelte „globale Krieg“ (Aust) oder „Weltkrieg“ (Kohler) erfordert extreme Gegenmaßnahmen.

Kohler schreibt, dass die Ereignisse von Paris „schwerwiegende Folgen nach sich ziehen [könnten] – für Frankreich, für die Nato und damit auch für den wichtigsten Verbündeten, Deutschland“. Dem Mitherausgeber der F.A.Z. schwebt offenbar ein verstärktes militärisches Eingreifen Deutschlands im Nahen und Mittleren Osten vor. „Merkels Diktum, man müsse die Fluchtursachen schon in Syrien bekämpfen, könnte plötzlich einen von ihr nicht gewollten Bedeutungswechsel erfahren,“ schreibt er.

Kohler verbindet seinen Ruf nach Krieg mit einem Plädoyer für ein autoritäres Regime. „Mehr denn je kommt es jetzt auf die Geschlossenheit des Westens an. Und darauf, dass er seinen Willen und seine Fähigkeit demonstriert, seine Werte zu schützen“, schreibt er und fügt hinzu: „Das wird angesichts des Ausmaßes der Bedrohung und der Asymmetrien des Konflikts nicht gänzlich ohne Einschränkungen der Freiheiten möglich sein, die es zu verteidigen gilt, gegebenenfalls auch mit eigenen Truppen in Syrien. Ohne Opfer wird dieser epochale Kampf nicht zu bestehen sein.“

Er schließt seinen Kommentar mit einer kaum verhohlenen Attacke auf die Bundeskanzlerin Angela Merkel, die trotz ihrer im Kern restriktiven Flüchtlingspolitik in rechten Kreisen seit langem als zu „weich“ gilt. Die Deutschen hätten „nichts gegen ein freundliches Gesicht an der Spitze ihrer Regierung“ geifert Kohler, „in solchen Zeiten aber wollen und müssen sie ein anderes sehen: ein hartes.“

Aust greift Merkel ebenfalls scharf an und verurteilt „die in der Willkommenskultur ausgedrückte Humanität“ als „gefährliche Naivität“. Er sehnt sich nicht nur nach einer „harten“ Regierung, sondern stellt hunderttausende Flüchtlinge, die vor den Konsequenzen der westlichen Kriegspolitik nach Deutschland fliehen, unter Generalverdacht. „Der Sicherheitsapparat, ohnehin seit Jahren auf Sparflamme gehalten“, sei „vollkommen überfordert“, und die offenen Grenzen ermöglichten „einen Export des Krieges“. Kein Mensch könne beurteilen, „wer hilfsbedürftiger Flüchtling oder wer in der Menge der jungen Männer […] gewaltbereite Islamisten sind“.

Döpfner hetzt noch offener gegen Flüchtlinge. Er nennt „die Flüchtlingskrise“ und „die Terrorwelle von Paris“ in einem Atemzug und bezeichnet beide „als Brandbeschleuniger eines Kulturkampfs, der seit langem schwelt“.

Um diesen „Kulturkampf“ zu führen ruft er nach einem autoritären Regime. „Die nichtdemokratischen Regime dieser Welt sind häufig viril und entschieden geführt, die demokratischen Gesellschaften oft schwach, unentschlossen und zaudernd“, klagt er. Während „Russen, Chinesen und die meisten islamischen Staaten“ wüssten, „was sie wollen“, und das auch umsetzten, suchten „die meisten Demokratien […] den Dialog, den Kompromiss und vor allem den Applaus bei der eigenen Bevölkerung“. Die Konsequenz „dieser Politik“ sei „Tatenlosigkeit in Syrien. Abwarten im Iran. Wegschauen in den radikalisierten Teilen Afrikas. Und Willkommenskultur in Deutschland – ohne Konzept.“

Döpfner bemerkt zwar, dass dabei nur „die Mittel des Rechtsstaats und der Demokratie“ zulässig seien, aber seine Botschaft ist klar: Um in weiten Teilen des Nahen und Mittleren Ostens Krieg zu führen und brutal gegen Flüchtlinge vorzugehen – er fordert u.a. konsequente Abschiebungen und sofortige Ausweisungen – ist ein autoritäres Regime erforderlich. Konkret verlangt der Springer-Chef eine „Politik der Stärke“, die durch „eine Radikalisierung der gesellschaftlichen Mitte“ verwirklicht wird.

Der letzte, der in Deutschland auf die Radikalisierung der Mittelklasse setzte, um eine „Politik der Stärke“ zu verfolgen, war Adolf Hitler. Es folgten die schlimmsten Verbrechen in der Geschichte der Menschheit. Döpfner, Kohler, Aust und die rechten Kreise, für die sie sprechen, haben in der Bevölkerung keine Unterstützung, aber ihre Kommentare sind eine deutliche Warnung. In der tiefsten Krise des europäischen und internationalen Kapitalismus seit den 1930er Jahren sind sie wieder bereit, auf Krieg, Diktatur und Rassismus zu setzen, um die Interessen des deutschen Imperialismus zu verteidigen.

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