Perspektive

Zum Referendum über die EU-Austeritätspolitik in Griechenland

Syrizas politischer Betrug

Das Referendum des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras über die Austeritätspolitik der Europäischen Union (EU) erweist sich mittlerweile als völliger politischer Betrug. Es ist darauf angelegt, ganz unabhängig vom Abstimmungsergebnis eine weitere Kapitulation vor den Forderungen der EU in die Wege zu leiten.

Am Vorabend des Referendums befindet sich die Syriza-Regierung auf ganzer Linie auf dem Rückzug. Wenn das Referendum mit „Ja“ ausgeht, will die Tsipras-Regierung zurücktreten und einer offen rechten Regierung Platz machen, die alle Forderungen der EU umsetzen wird. In seiner Rede am Montag, in der zu einem „Nein“ aufrief, gab Tsipras zu verstehen, dass seine Regierung bei einem „Ja“ zurücktreten werde. Er sagte: „Wir werden das Ergebnis respektieren, aber wir werden nicht diejenigen sein, die das Ergebnis umsetzen.“

Falls die „Nein“-Stimmen siegen, so Tsipras in einer Fernsehansprache am Mittwoch, dann werde er das lediglich als Stärkung seiner Verhandlungsposition über den Austeritätskurs der EU verstehen. Schon jetzt hat er klar gemacht, dass er dazu bereit ist, praktisch alle EU-Forderungen zu erfüllen, wenn nur die Regierung im Gegenzug einen neuen Bailout über dreißig Milliarden Euro erhält. Das einzige, worum er bittet, ist eine etwas langsamere Umsetzung der tiefen Rentenkürzungen und eine teilweise Befreiung der griechischen Inseln vom vollen Mehrwertsteuersatz.

Würde Tsipras versuchen, der arbeitenden Bevölkerung den Inhalt des Referendums kurz und bündig zu erklären, könnte er sagen: „Bei ,Kopf’ gewinnt die EU, bei ,Zahl’ verlierst du.“ Im Januar hatte er die Wahl gewonnen, weil er versprochen hatte, den seit fünf Jahren währenden Austeritätskurs zu beenden. Nur wenige Monate nach seinem Wahlsieg soll das Referendum jetzt als Deckmantel für eine politische Kapitulation vor der EU herhalten. Hätte Syriza die Absicht zu kämpfen gehabt, dann hätte sie kein Referendum nötig gehabt, denn die griechische Bevölkerung hat die Kürzungspolitik der EU schon längst zurückgewiesen.

Das Referendum ist so konstruiert, dass es die Bedingungen für eine Zustimmung zur Austeritätspolitik schafft und dem Angriff auf die griechische Arbeiterklasse noch ein pseudo-demokratisches Deckmäntelchen umhängt. Weil die Sparpolitik in der Bevölkerung zutiefst verhasst ist, tun Syriza und die EU, was sie können, um die Opposition dagegen zu verwirren und zu demobilisieren.

Nicht überraschend drängt die EU auf eine drastische Sparpolitik und einen Regimewechsel in Griechenland. Am Mittwoch vertraute ein hochrangiger deutscher Konservativer der Londoner Times an, Berlin werde jede Einigung zwischen der EU und Griechenland blockieren und das Land aus dem Euro werfen, wenn die Griechen nicht mehrheitlich mit „Ja“ stimmten und Tsipras und Finanzminister Varoufakis nicht zurücktreten würden.

Varoufakis regierte darauf gestern mit dem Versprechen, er werde zurücktreten, wenn die Mehrheit mit „Ja“ stimme. Er fügte hinzu, in dem Fall werde er seinem Nachfolger helfen, jedes von der EU verlangte Kürzungspaket durchzusetzen. Gleichzeitig bekräftigte Varoufakis noch einmal seine Aufforderung, mit „Nein“ zu stimmen. Tags zuvor hatte er sich von dieser Haltung aber distanziert: Er hatte dem Sicherheitspersonal befohlen, ein Transparent an der Fassade des Finanzministeriums abzunehmen, dessen Aufschrift lautete: „Nein zu Austerität und Erpressung“.

Varoufakis’ Ankündigung am Vorabend des Referendums, dass er quasi schon dabei ist, seinen Schreibtisch zu räumen, kann man nur als öffentliches Eingeständnis seines Pessimismus und der Demoralisierung von Syriza verstehen. Wenn man Syriza-Politikern zuhört, hat man den Eindruck, dass sie nicht nur mit einer Niederlage rechnen, sondern sie gewissermaßen sogar herbeisehnen. Sie wissen, dass damit viel Geld zu machen wäre. Es ist ein klares Beispiel der Doppelzüngigkeit und Verkommenheit dieser prokapitalistischen, pseudolinken Partei.

Die in sich widersprüchlichen Signale, die Syriza aussendet, sind Ausdruck der Klasseninteressen, die sie repräsentiert. Sie ist eine bürgerliche Organisation, die sich nur eines demokratischen Jargon bedient, um als linke Partei durchzugehen. Sie tut so, als würde sie der breiten öffentlichen Opposition gegen die Austeritätspolitik der EU eine Stimme geben. In Wirklichkeit stützt sie aber unerschütterlich die Strukturen des europäischen Kapitalismus, seine Währung, den Euro, und die EU. Die EU wiederum wird keine Opposition gegen ihre Austeritätspolitik dulden. Syrizas Anti-Austeritätsgehabe ist einmal mehr als politisches Theater entlarvt.

Als Syriza die Regierung übernahm, unternahm sie alles, um den Widerstand gegen die Austerität in der griechischen und europäischen Arbeiterklasse zu ersticken. Tsipras und Varoufakis eilten mehrere Wochen lang durch alle europäischen Hauptstädte, auf der fruchtlosen Suche nach einem Kompromiss mit der EU. Im Februar unterzeichnete Syriza dann ein Abkommen, mit dem das Sparmemorandum verlängert wurde, gegen das sie sich selbst ausgesprochen hatte. Als die EU sich immer noch weigerte, die Hilfszahlungen an Athen wieder aufzunehmen, plünderte Syriza die Sozialkassen um Milliarden Euro, um die Gläubiger zu befriedigen.

Letzte Woche waren all diese Mittel aufgebraucht, und so setzte Syriza das Referendum über die Austeritätspolitik auf die Tagesordnung. Die Banken schlossen die Pforten, und der Staat stand unmittelbar vor dem Bankrott. Das war das wirtschaftliche Chaos, von dem am ehesten anzunehmen war, dass es zu einer panischen Kapitulation vor der EU führen könnte. Einige griechische Vertreter ließen sogar durchblicken, dass gerade das ihr Ziel gewesen war.

Als die EU daraufhin ihr Rettungsprogramm für Griechenland beendete und damit drohte, das Land aus dem Euro zu werfen, reagierte ein schockierter Varoufakis mit der Bemerkung, Syrizas Ziel sei es gewesen, noch vor dem Referendum eine Einigung mit der EU zu erzielen und dann für ein „Ja“ beim Referendum zu werben.

Syrizas Feigheit und ihre Unehrlichkeit ist der politische Ausdruck der Ansichten, wie sie unter bestimmten wohlhabenden Mittelschichten und in der griechischen Bourgeoisie gang und gäbe sind. Diese Schichten fürchten einen Ausschluss aus dem Euro und die Rückkehr zu einer schwächeren griechischen Währung wie der Teufel das Weihwasser. Sie sorgen sich um den Wert ihrer Bankeinlagen und Aktienbestände und verteidigen die EU und den Euro enthusiastisch. Diese Auffassung teilen sie mit den privilegierten Parlamentariern, Akademikern und Gewerkschaftsbürokraten, die auch in Syriza vertreten sind.

Die Syriza-Regierung und das griechische Referendum sind eine wichtige Erfahrung für die griechische und internationale Arbeiterklasse. Millionen Arbeiter in Europa und aller Welt sind Zeuge des politischen Bankrotts von Parteien wie Syriza und ihrer internationalen Verbündeten, darunter Podemos in Spanien, die International Socialist Organisation (ISO) in den Vereinigten Staaten, die Neue Antikapitalistische Partei (NPA) in Frankreich und die Linkspartei in Deutschland, die alle das Geschäft des wohlhabenden Kleinbürgertums betreiben.

Millionen Arbeiter in Griechenland wollen mit „Nein“ stimmen, obwohl die EU ihnen eine Pistole an den Kopf setzt. Eine solche Stimme hat aber nur dann eine positive Bedeutung und wird der Austeritätspolitik der EU einen Schlag versetzen können, wenn sie auch mit einem Kampf gegen Syriza verbunden wird. Es ist offensichtlich, dass die herrschenden Eliten in Griechenland und ganz Europa das Referendum unabhängig von seinem Ausgang benutzen werden, um die Angriffe auf die Arbeiterklasse auszuweiten.

Die Arbeiterklasse steht vor einem Kampf gegen den europäischen Kapitalismus und seine pseudolinken Verteidiger wie Syriza. Die wichtigste Voraussetzung für einen solchen Kampf ist der Aufbau einer neuen revolutionären Führung der Arbeiterklasse. Reaktionäre Instrumente der wohlhabenden Mittelschichten wie Syriza können die Arbeiterklasse nur in die Katastrophe führen.

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