Ramelow und die Linkspartei: investorenfreundlicher als die CDU

In unserer Analyse des rot-rot-grünen Koalitionsvertrags für die Thüringer Landesregierung schrieben wir, dass Bodo Ramelow, sollte er am 5. Dezember zum Ministerpräsidenten gewählt werden, „neue Maßstäbe des Sozialabbaus setzen“ wird.

Falls irgendjemand diese Meinung der World Socialist Web Site für übertrieben hält, sollte er das Interview mit Ramelow im Wirtschaftsteil der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) unter dem viel sagenden Titel „Der Papst kritisiert den Kapitalismus schärfer als ich“ lesen. Gegenüber dem konservativen Blatt lässt der gläubige Christ und potentielle erste Ministerpräsident der Linken alle Hüllen fallen und zeigt, was die Linkspartei wirklich ist.

Die FAS geht gleich zu Beginn des Interviews in medias res und fragt Ramelow, ob sich die Wirtschaft „vor einem linken Ministerpräsidenten“ fürchten müsse. Der Chef der Thüringer Linkspartei antwortet etwas beleidigt: „Die Frage stellen Sie nur, weil sie nicht aus Thüringen kommen“. Zwischen Wirtschaft und der Linkspartei herrsche dort „seit Jahren eine entspannte Arbeitsatmosphäre“. Insbesondere mit ihm, Ramelow. Er sei hier „zehn Jahre lang Gewerkschaftsvorsitzender“ in einer „turbulenten Zeit“ gewesen. Stolz erklärt er: „Ich habe mich mehr mit der Sanierung von Unternehmen beschäftigt als mit Tarifkämpfen. Diese Verbindungen halten bis heute.“

Nur um klar zu stellen, wovon Ramelow hier spricht: als aus dem Westen kommender Gewerkschafter spielte er eine aktive Rolle dabei, die Restauration des Kapitalismus in den ostdeutschen Bundesländern zu organisieren. Die sozialen Auswirkungen waren katastrophal. Mit der Zerschlagung des ehemals staatlichen Eigentums hielten hohe Arbeitslosigkeit, krasse Armut und eine massive soziale Ungleichheit in Ostdeutschland Einzug.

Trotzdem ist Ramelow ein ausgesprochener Anhänger des kapitalistischen Systems. Die Marktwirtschaft finde er „grundsätzlich gut“ und er verfüge über enge Verbindungen zu den Unternehmern. „Sie schätzen mich. Und sie kommen auch heute noch auf mich zu, wenn sie ein Problem lösen wollen“. Er könne Probleme „erstens sehr gut einordnen“, zweitens sei er „Kaufmann“ und drittens gelte er als „sehr verlässlich“.

Offensichtlich selbst etwas überrascht über Ramelows reaktionäres Trommelfeuer, fragt ihn die FAS etwas herausfordernd, ob im Parteiprogramm nicht stünde, dass „die Linke sich nicht devot den Wirtschaftsmächtigen unterwerfen“ wolle. Ramelow nimmt die Vorlage dankbar an und stellt klar, dass alle links klingenden Phrasen der Linken lediglich Makulatur sind. „Das Grundsatzprogramm der Partei ist das eine, unser konkretes Thüringer Landtagswahlprogramm das andere“. Außerdem sei er nicht „Vertreter der Linken in der Staatskanzlei, sondern der Ministerpräsident einer Dreierkoalition“.

Auf die Frage, ob er den „Antikapitalismus der Bundespartei denn gut“ finde, lässt Ramelow seinem Anti-Marxismus freien Lauf. „Mit einem Lächeln auf den Lippen frage ich Sie, was die Unternehmen eigentlich mehr bedroht: Sarah Wagenknecht oder unkontrollierte Finanzströme, die den Markt zerstören?“ Für diesen „Turbokapitalismus“ habe er nicht viel übrig. Das habe aber „mit Karl Marx nichts zu tun“.

Dann legt Ramelow noch einen drauf. Die Linkspartei sei sogar „wirtschaftsfreundlicher“ als die CDU. „Ich kann nur sagen: Im Wahlkampf habe ich mit allen Investoren gesprochen. Ich höre allen zu. Das mindeste ist für mich ein klare Ansage, damit endlich etwas passiert. Wenn es ernst wird, geht die CDU vor jeder investorenfeindlichen Bürgerinitiative in die Knie.“

Nicht so Ramelow und Linkspartei! Sie wollen das Land fit für Investoren machen und haben bereits konkrete Pläne. Dem schwedischen Staatskonzern Vattenfall wolle Ramelow die Saale-Talsperren abkaufen, um daraus ein Tourismusgebiet zu machen, „das auch für Investoren interessant wird.“ In fünf Jahren könne er die Zahl der Touristen verdoppeln „und damit ordentlich Geld verdienen“, prahlt er. Sein Argument heiße: „regional vor global.“

Ramelow präsentiert die Linkspartei als das was sie ist. Eine rechte bürgerliche Partei, die zunehmend als nationalistisches und regionales Sprachrohr deutscher Wirtschaftsunternehmen auftritt. Man müsse aufpassen, dass Thüringen „als verlängerte Werkbank nicht nur von den Entscheidungen globaler Großkonzerne wie General Motors abhängig“ sei, fordert er an einer Stelle.

Vom Standpunkt der thüringischen Wirtschaft äußert sich Ramelow auch kritisch gegenüber den Sanktionen gegen Russland. Er sei „weder Putin-Versteher noch Russland-Freund“. Er wisse aber, dass Thüringen „Transformationsgebiet“ sei und „exzellente Verbindungen sowohl nach Russland als auch in die Ukraine“ habe. Die Aufgabe sei es, „die Drehscheibe zu sein – und uns nicht auf eine Seite zu stellen“.

Als Vertreter des deutschen Imperialismus mag sich Ramelow außenpolitisch nicht auf „eine Seite stellen“ wollen. In der Frage der Wirtschafts- und Sozialpolitik hat er es mit dem Interview in der FAS endgültig getan. Eine rot-rot-grüne Regierung unter seiner Führung würde die Interessen der Unternehmer und Investoren in enger Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften noch weitaus aggressiver gegen die Arbeiter durchsetzen, als die CDU-geführte Landesregierung zuvor.

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