Eintägiger Streik bei Lufthansa

Am Dienstag fand die inzwischen vierte Streikaktion der Lufthansapiloten seit April statt. Sie richtete sich gegen den Versuch des Konzerns, massive Verschlechterungen bei den Rentenbedingungen für die 5.400 Piloten durchzusetzen.

Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) rief die Piloten dieses Mal auf, die Langstreckenflüge der Lufthansa vom Frankfurter Flughafen aus zu bestreiken. Der Streik war von acht Uhr morgens bis zum Beginn des Nachtflugverbots um 23 Uhr angesetzt.

Betroffen waren 57 Flüge; allerdings konnten 23 Flüge trotzdem durchgeführt werden, weil die Lufthansa Piloten aus dem Management einsetzte und außerdem einige Streikbrecher gewinnen konnte. Hinzu kam, dass zwei Flüge vorgezogen und vier auf Mittwoch verschoben wurden.

Einen für den 16. September angesetzten Streik gegen Langstreckenflüge hatte die Pilotengewerkschaft kurzfristig wieder abgesagt, weil die Lufthansa angeblich ein verändertes Angebot vorgelegt hatte. Wie die Verhandlungen aber rasch zeigten, war die Lufthansa überhaupt nicht bereit, von der Verschlechterung der Piloten-Übergangsversorgung abzurücken.

Lufthansa-Piloten konnten lange Zeit eine Renten-Übergangsregelung in Anspruch nehmen, die jedoch seit Jahren schlechter wird. Ursprünglich hatten sie die Möglichkeit, mit 55 Jahren in den vorgezogenen Ruhestand zu gehen. Diese Regelung diente auch der Sicherheit der Passagiere. Finanziert wurde sie aus einem Solidartopf, in den die Lufthansa für jeden Piloten Beiträge entsprechend der Gehaltshöhe und der Dauer der Firmenzugehörigkeit einzahlte.

Obwohl die Piloten dieses Geld als festen Gehaltsbestandteil betrachten, beharrt die Lufthansa darauf, die Kosten dafür zu reduzieren und sie später ganz abzuschaffen. Das Management verlangt, das individuelle Mindestalter, bei dem ein Pilot die Übergangsversorgung in Anspruch nehmen kann, von 55 auf 60 Jahre und das Durchschnittsalter von 58 auf 61 Jahre zu erhöhen. Für neue Piloten will die Lufthansa die Übergangsversorgung ganz abschaffen.

Markus Wahl, ein Vorstandsmitglied der Vereinigung Cockpit, erklärte der WSWS im Frankfurter Flughafen, eine solche Spaltung der Belegschaft sei „für uns völlig inakzeptabel“. Um ihre Absichten ein wenig zu verschleiern, biete die Lufthansa eine Mogelpackung an, die der Konzern als „Arbeitnehmer-finanzierte“ Übergangsversorgung bezeichne, d.h. ein selbstfinanziertes Programm.

Am Montag gab die Lufthansa Pläne bekannt, konzernfremde Piloten anzuheuern, um Geld zu sparen. Demnach plant Konzernchef Carsten Spohr ab Ende nächsten Jahres Maschinen an die Schweizer Fluggesellschaft PrivateAir auszuleihen und samt eidgenössischem Cockpitpersonal zurückzumieten – ein Bruch mit der Tradition, nach der die konzerneigenen Maschinen nur von Lufthansa-Piloten geflogen werden. Mit den kostengünstigeren Maschinen sollen künftig vor allem touristische Langstrecken-Ziele wie Las Vegas oder Mauritius angeflogen werden.

Die Vereinigung Cockpit hat offensichtlich nicht die Absicht, gegen diese spezielle Variante des Outsourcing in die Offensive zu gehen. Wahl begründet diese erstaunliche Zurückhaltung damit, dass ein solches Vorgehen tarifvertraglich nicht zu beanstanden sei.

Der Angriff der Lufthansa auf die Rentenregelung der Piloten erfolgt im Rahmen einer internationalen Offensive der Fluggesellschaften, die seit drei Jahrzehnten andauert. In einem erbitterten globalen Konkurrenzkampf werden Löhne, Arbeitsbedingungen und Sicherheitsstandards immer weiter nach unten gedrückt. Die betroffenen Belegschaften werden dabei rücksichtslos gegeneinander ausgespielt.

Es ist naheliegend, dass der Kampf dagegen konzern- und grenzüberschreitend stattfinden und auch das übrige Flugpersonal – Flugbegleiter, Bodenpersonal, Lotsen, Vorfeldmitarbeiter, usw. – mit einschließen muss.

Am Wochenende ging ein Streik der französischen Piloten zu Ende. Sie hatten mehr als zwei Wochen lang gegen den Versuch von Air France gekämpft, durch Billiggesellschaften ihr Lohnniveau zu senken. Der Streik wurde schließlich durch die Gewerkschaft SNPL abgewürgt, die erklärte, sie wolle der Fluggesellschaft keinen „irreparablen“ Schaden zufügen.

Das Beispiel muss für die Lufthansa-Piloten eine Warnung sein: Auch von Seiten von Cockpit droht dieselbe Kapitulation. Die Spartengewerkschaft teilt die Sicht des Lufthansa-Konzerns, dass die Sicherung der „Wettbewerbsfähigkeit“ am Weltmarkt die wichtigste Frage sei. So hat Cockpit ihre Bereitschaft zu Zugeständnissen betont und angeboten, die Kosten der Rentenregelung zu deckeln.

Von einem internationalen Arbeitskampf ist Cockpit meilenweit entfernt. Auf die Frage nach einer Zusammenarbeit und Koordinierung des Kampfs der Piloten von Lufthansa und Air France offenbarte Wahl den national beschränkten Standpunkt der Spartengewerkschaft. Er erklärt eine solche Zusammenarbeit schlicht für unnötig: „Dafür gibt es im Moment keinen Bedarf.“

Unter Piloten gibt es zu dieser Frage offenbar auch ganz andere Ansichten. Im Mittagsmagazin des ZDF am Dienstag wurde ein Flugkapitän mit der Äußerung zitiert: „Die Bedeutung des Streiks bei Air France gegen die Auswirkung der Billigfliegerei für unseren Kampf sehen wir durchaus.“

Ein Ende des Konflikts bei Lufthansa ist bisher nicht in Sicht. Cockpit kündigte die Verschärfung der Streikmaßnahmen an. Als nächster Schritt könnte ein mehrtägiger Streik folgen oder ein Streik an mehreren Flughäfen.

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