Lufthansa besteht auf Kürzung der Übergangsversorgung der Piloten

In den Tarifauseinandersetzungen zwischen der Lufthansa und der Vereinigung Cockpit (VC) besteht das Management auf der Forderung, die Übergangsversorgung der 5.400 Piloten zu kürzen.

Seit April hatten die Piloten mehrfach bei Lufthansa und ihrer Tochter Germanwings gestreikt, allein in den letzten vier Wochen dreimal. Rund 4.300 Flüge sollen ausgefallen sein. Dafür waren sie von den Medien heftig angegriffen worden.

Einen für Dienstag letzter Woche geplanten Ausstand, der die Fernflüge ab Frankfurt betroffen hätte, sagte die VC dann kurzfristig ab. Dass die Lufthansa genügend Streikbrecher unter ehemaligen Piloten aus dem Management und unter „Freiwilligen“ gewinnen konnte, soll laut einem VC-Sprecher nicht der Grund gewesen sein. Damit habe man gerechnet. Vielmehr habe die Lufthansa veränderte Bedingungen für einen Vorruhestand der Piloten übermittelt. Die Tarifkommission der Pilotengewerkschaft habe daraufhin neue Gesprächstermine angeboten, die am Donnerstag letzter Woche begannen und Freitag weitergeführt wurden.

Bei den Gesprächen am Montag sah es nicht nach einer Einigung aus, denn der Konzern weicht keinen Zentimeter von seiner Forderung nach Kürzungen bei der Übergangsversorgung ab.

Die Übergangsversorgung der Piloten gibt es seit Jahrzehnten. Sie ist war allem in den letzten Jahren ständigen Angriffen ausgesetzt. Früher konnten die Piloten mit 55 Jahren in den Ruhestand gehen, die Lufthansa zahlte ihnen bis zum gesetzlichen Renteneintritt ein Übergangsgehalt. Dieses wird aus einem Solidartopf finanziert, in den das Unternehmen für jeden Piloten Beträge einzahlt, die sich an der Gehaltshöhe und der Dauer der Firmenzugehörigkeit bemessen. VC versteht dieses Geld – die Rücklagen sollen sich auf einen dreistelligen Millionenbetrag belaufen – daher folgerichtig als „Gehaltsbestandteil der Piloten“.

Doch inzwischen ist es für Lufthansa-Piloten fast unmöglich, mit 55 Jahren in Rente zu gehen. Denn der Versorgungsvertrag wurde „in den letzten Jahren (zuletzt 2010) bereits mehrfach einvernehmlich modifiziert“, erklärt Cockpit.

Aktuell muss der Altersdurchschnitt der in den letzten fünf Jahren ausgeschiedenen Piloten mindestens 58 Jahre betragen, damit Piloten, die ausscheiden möchten, dies auch können. Ist der Schnitt unter 58, müssen sie länger arbeiten. 2013 lag der Schnitt laut VC bereits über 59 Jahren, „und das, obwohl es bis 2012, aufgrund einer tarifvertraglichen Regelung, nicht möglich war, über das 60. Lebensjahr hinaus weiter zu arbeiten“.

Weil die Rücklagen für die Übergangsversorgung nur von wenigen Piloten in voller Höhe in Anspruch genommen werden, sind die Kosten dieses kollektiven Systems für die Lufthansa auch nicht so hoch, wie das Unternehmen stets behauptet. Weil zudem für jeden ausgeschiedenen erfahrenen Piloten ein billigerer Berufsanfänger eingestellt wird, spart der Konzern nochmals.

Dennoch bleibt die Lufthansa bei ihrer Forderung, die Kosten weiter zu minimieren, um sie später am besten ganz abzuschaffen. Das Management fordert das – faktisch eher theoretische – individuelle Mindesteintrittsalter in die Übergangsversorgung von 55 auf 60 Jahre sowie das Durchschnittsalter von 58 auf 61 Jahre zu erhöhen.

Das Ergebnis wäre nicht nur eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit der Piloten, sondern auch eine damit einhergehende Minderung der Sicherheit der Passagiere. Das Ergebnis, dem sich Lufthansa verschrieben hat, sind aber nicht die Arbeitsbedingungen der Piloten oder die Sicherheit der Passagiere, sondern die Rendite ihrer Aktionäre.

So ist einer der weltgrößten Vermögensverwalter, Blackrock aus den USA, mit 5,43 Prozent größter Einzelaktionär der Lufthansa. Blackrock ist auch an fast allen anderen 30 DAX-Konzernen beteiligt. Solche Investmentfirmen verlangen Renditen von mindestens 8 Prozent. In der internationalen Luftfahrt bedeutet dies einen immer härter werdenden Wettbewerb, der auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird.

Daher auch der Druck auf die Piloten durch die Expansion von Billig-Fluggesellschaften, in denen die Gehälter und Altersregelungen weit unter denen von Lufthansa und anderer großer Airlines liegen. Auch die Lufthansa plant neben ihrem Ableger Germanwings einen neuen Billiganbieter auf europäischer Ebene in Konkurrenz vor allem zu Ryanair und Easyjet. Dies bildet den Hintergrund der Auseinandersetzungen zwischen der VC und Lufthansa.

Die Spartengewerkschaft hat dem allerdings nichts entgegenzusetzen. Sie teilt die Sicht des Konzerns, dass die „Wettbewerbsfähigkeit“ gesichert werden müsse. Daher war sie bereits im Arbeitskampf 2010 eingeknickt. Damals habe „das Cockpitpersonal mit 20 Prozent Kostenabsenkung im dezentralen Verkehr zu einer höheren Wettbewerbsfähigkeit beigetragen“, schreibt VC. Mit dezentralem Verkehr sind die deutschen und europäischen Kurzstrecken abseits der beiden Umsteigeflughäfen der Lufthansa in Frankfurt und München gemeint, also beispielsweise von Berlin nach Rom oder London.

Auch jetzt beteuert die VC, „dass sie jederzeit einigungsbereit“ sei. Sie hat schon angeboten, das tarifvertraglich festgelegte durchschnittliche Mindest-Ausscheidealter von 58 Jahren auf die ohnehin realen 59 Jahre anzuheben. Damit liegt sie nur zwei Jahre unter der Forderung von Lufthansa.

Die nationale Sichtweise der VC verhindert auch einen europaweiten oder gar internationalen Arbeitskampf der Piloten, obwohl alle mit den gleichen Angriffen konfrontiert sind. In einem ähnlichen Konflikt wie die Lufthansa-Piloten befinden sich deren Kollegen bei der Air France. Und entgegen der Behauptungen der Medien, eine Ruhestandsregelung wie bei der Lufthansa gebe es sonst nirgends, existieren solche auch bei anderen europäischen Airlines in den Niederlanden, Großbritannien oder Spanien.

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